Welche Position nehmen Sie bzw. der BSW zum Lissabon Vertrag ein?

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Fabio De Masi
BSW
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Frage von Günther F. •

Welche Position nehmen Sie bzw. der BSW zum Lissabon Vertrag ein?

Innerhalb der Partei Die Linke wurde dieser Vertrag in der Vergangenheit sehr kritisch beurteilt.

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BSW

Sehr geehrter Herr F.,

ich habe die EU-Verträge seit jeher kritisiert. Die Kritik der vertraglichen Grundlagen der EU innerhalb meiner früheren Partei habe ich maßgeblich geprägt (und im Übrigen diese Position innerhalb meiner früheren Partei gegen Angriffe verteidigt). 

Die EU-Verträge sind in weiten Teilen durch marktradikale Ansätze beeinflusst, die eine gemischte Wirtschaftsordnung mit staatlichen Eingriffen, wie sie im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen sind, erschwert. Hinzu kommen Aufrüstungsziele oder die Schwächung der Rechte nationaler Parlamente (Parlamentsvorbehalt) bei Kriegseinsätzen (etwa im Rahmen der EU-Battle Groups).  

Aus dem Programm des BSW und unseren europapolitischen Forderungen ergibt sich die logische Notwendigkeit zu Änderungen der EU-Verträge sowie Volksabstimmungen hierüber. Wir haben uns jedoch für ein Programm entschieden, das auch für Nicht-Experten verständlich ist und nicht überfrachtet wird. 

Im wirtschaftlichen Bereich sind zum Beispiel folgende Aspekte zu nennen, die in unserem Programm angesprochen sind und eine Änderung der EU-Verträge erforderlich machen: 

So ist etwa der Wettbewerb um die niedrigsten Steuern für internationale Konzerne auch in den EU-Verträgen angelegt. Denn aus diesen lässt sich über das sogenannte Wettbewerbsrecht eine Kompetenz zur Vereinheitlichung von Regeln ableiten (zum Beispiel bei der Definition der sogenannten Bemessungsgrundlage von Gewinnen, auf die Steuern erhoben werden). Es gibt aber keine Kompetenz für die Vereinbarung von Mindeststeuern für Konzerne. Im Ergebnis könnten Steuern durch die Vereinheitlichung des Steuerrechts über Ländergrenzen hinweg besser vergleichbar werden, ohne dass es einen Mindeststeuersatz gibt. Der Wettbewerb um die niedrigsten Steuern wird hierdurch dann sogar weiter intensiviert. Da eine Zustimmung aller EU-Staaten zu einer Änderung der EU-Verträge jedoch derzeit schwer zu erreichen ist, setzen wir auch auf nationale Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen, um Druck auf bessere europäische Regeln zu entfalten.

Die wirtschaftlichen Freiheiten von Unternehmen wurden in der Vergangenheit in Urteilen des Europäischen Gerichtshofes stärker gewichtet als das Streikrecht oder die Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen. Daher habe ich in meiner früheren Partei maßgeblich die Forderung nach einer sozialen Fortschrittsklausel geprägt, die soziale Grundrechte gegen die Übergriffe des EU-Rechtes schützt. Das BSW fordert den Schutz dieser sozialen Grundrechte vor den Marktfreiheiten. Wir fordern aber darüber hinaus, ausbrechendes EU-Recht (wenn die EU ihre Kompetenzen verfassungsrechtlich überdehnt) zurückzuweisen.

Wir kritisieren auch den in den EU-Verträgen angelegten Druck zur Liberalisierung und Privatisierung der Infrastruktur und Dienstleistungen der Kommunen (etwa beim Zwang zu EU-weiten Ausschreibungen). Ebenso fordern wir eine Reform der europäischen Fiskalregeln (europäische Schuldenbremsen, um Investitionen zu ermöglichen) und wir kritisieren das Verbot der monetären Staatsfinanzierung durch die EZB, das die Finanzierung von Staatsausgaben im Vergleich zu Währungsräumen wie den USA unnötig verteuert.

Gerade in den oben genannten wirtschaftlichen Fragen gehörte ich zu den wenigen Personen in meiner früheren Partei, die Positionen dazu entwickelt haben. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte meinen zahlreichen Interviews, Gastbeiträgen und meiner Homepage www.fabiodemasi.de

Mit den besten Grüßen,

Fabio De Masi

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