Frage an Farid Müller bezüglich Wirtschaft

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Farid Müller
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Frage von Marcel H. •

Frage an Farid Müller von Marcel H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Müller,

ich erinnere mich an daran, dass die Grünen im Bundestag in 2004 (siehe auch http://www.taz.de/1/politik/bundestagswahl/artikel/1/als-die-gruenen-die-heuschrecken-fuetterten/ ) ihren Teil durch eine Öffnung des Kapitalmarkts zur derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen haben. Dazu freue ich mich auf Ihre Stellungsnahme.

Mit freundlichen Grüßen M. Hénín

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Sehr geehrter Herr Hénín,

den Artikel habe ich mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Danach wäre ja endlich der Schuldige für die Finanzkrise gefunden. So einfach kann die Welt sein.

Zu unserer Regierungszeit haben uns CDU und FDP dafür gegeißelt, dass wir angeblich dringend nötige Lockerungen blockierten.

Aber zu den Fakten. Einiges wird schon in den Kommentaren des Artikels gut erklärt: Beispiel Investmentmodernisierungsgesetz. Dazu haben wir in der Debatte des Deutschen Bundestags deutlich gesagt, dass wir "darauf hinwirken" müssen, "europaweit einheitliche Aufsichtsstrukturen zu schaffen" - das war 2005. An gleicher Stelle haben wir gefordert, "den Anlegerschutz" zu "stärken" und die "Regulierung von Hedgefonds" gefordert!

Beispiel Hedgefonds: Ausländische Hedgefonds waren in Deutschland schon vor den rot-grünen Beschlüssen aktiv. Wer diese hochriskante Anlagestrategie wählen wollte, hatte dazu schon früher Gelegenheit. Rot-Grün hat dann beschlossen, dass Hedgefonds auch in Deutschland aufgelegt werden können. Dabei wurde Verbraucherschutz groß geschrieben: Auf dem Verkaufsprospekt prangt der Hinweis: "Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesem Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen!" Wegen der strengen Regulierung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gibt es nur eine Handvoll Hedgefonds hierzulande. 70 Prozent der Hedgefonds sitzen weiterhin auf den Cayman Islands, der größte Teil der restlichen in anderen Regulierungsoasen. Die deutschen Hedgefonds haben mit der aktuellen Krise nichts zu tun.

Dennoch ist es wichtig, Hedgefonds - wie alle anderen Finanzmarktakteure - international zu regulieren.

Beispiel Finanzmarktförderungsgesetz: Unsere Ziele - und das hat Andrea Fischer in ihrer Rede im März 2002 ausgeführt - waren damals, Anlegern neue Möglichkeiten zu geben, ihre Entscheidungen zu überprüfen und sie auf eine sichere Grundlage zu stellen. Andrea Fischer führte damals aus: "Das Gesetz dient doch ganz wesentlich dazu, dass Kleinanleger, also Menschen, die nicht den ganzen Tag professionell die Börse beobachten, sondern einen Teil ihrer Ersparnisse anlegen und nur begrenzte Zeit haben, sich damit zu befassen, verlässlichere Informationen bekommen und diese sicherer überprüfen können."

Wir haben damals gegen den Widerstand der Opposition die Börsenaufsicht gestärkt. Und wir haben Sanktionen eingeführt. Andrea Fischer schon 2002: "Für einen funktionierenden Finanzmarkt ist es von größter Bedeutung, dass alle, die sich auf ihm tummeln - seien es die professionellen, seien es die privaten Anleger -, darauf vertrauen können, dass die grundlegenden Regeln eingehalten werden. Deswegen ist es wichtig, dass wir für einige Fälle, in denen diese Regeln verletzt werden, sogar Sanktionen eingeführt haben."

Angesichts dieser Fakten kann ich mich Ihrer These nicht anschließen. Dennoch ist klar, dass vieles nicht ausgereicht hat.

Deswegen wollen wir Grüne
- die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern auf 500.000 Euro pro Jahr beschränken, bei Abfindungen auf 1 Mio. Euro.
- die Grüne Vermögensabgabe: einmalig, zeitlich befristet nach Art. 106 Grundgesetz; Einnahmen vollständig zur Deckung der Krisenkosten.
- die Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht bei der BaFin bündeln, um die Aufsicht effizienter zu machen und sie unter politischer Kontrolle zu halten.
- prüfen, ob die Wiedereinführung der Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen sinnvoll ist.
- eine EU-weite Finanzmarktsteuer, die für alle Finanzgeschäfte auch außerhalb der Börsen gilt.
- eine grenzüberschreitende EU-weite Finanzaufsicht.
- einen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen, die Offenlegung der Finanz-Aktivitäten der Banken in den Oasen und harte Sanktionsmöglichkeiten. Unseren entsprechenden Antrag im Bundestag haben übrigens Union, SPD und FDP abgelehnt.

Insgesamt finde ich, dass wir für den Finanzmarkt harte Regeln, eine schlagkräftige Aufsicht und eine gerechte Besteuerung brauchen.

Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. http://www.duell-um-berlin.de

Mit freundlichen Grüßen

Farid Müller

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