Frage an Florian Herrmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Florian Herrmann
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Frage von Alfred H. •

Frage an Florian Herrmann von Alfred H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Zitat: Damit bekommt das Landesamt als erste Verfassungsschutzbehörde in Deutschland überhaupt unter anderem Zugriff auf Telefonverbindungs- und Internetdaten aus der Vorratsdatenspeicherung. // Bundesweit ist dies bislang nur Polizei und Strafverfolgungsbehörden erlaubt. // Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigte das Gesetz als notwendig für den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus. Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Bayerischer-Verfassungsschutz-bekommt-bundesweit-einmalige-Rechte-3259436.html

Sehr geehrter Herr Herrmann,

angeblich im "Kampf gegen Terorismus und Extremismus" entstand das neue Gesetz. Das Wörtchen Extremismus gab es bisher als Begründungen von anderen Überwachsungsgesetzen nicht und der sonst so beliebte "Richtervorbehalt" ist auch nicht dabei. Wann darf man erwarten dass auch Finanzämter, Ordnungsämter und Abmahnanwälte auf diese Daten zugriff erhalten?

Welche Personengruppen zählen zu "Extremisten"? AfD Wähler?

Erhalten auch die ausländischen Geheimdienste wie der US-NSA Imformationen aus diesen Datenschnüffeleien bzw. direkten Zugriff?

Ist die Gefahr durch Terrorismus nicht von CDU/CSU hausgemacht durch die offene Grenzen Politik? Beispiel: http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_78020108/terror-in-deutschland-islamisten-planten-anschlag-mit-zehn-attentaetern.html

Wäre es nicht besser die Grenzen dicht zu machen statt bayrische Bürger unter Generalverdacht zu stellen?

Früher wurden solche Gesetze gern auch mit dem "Kampf gegen Kinderpornographie" begründet. Warum diesmal nicht auch? (Beispiel https://www.tagesschau.de/inland/vds-bundestag-101.html )

Ist es Zufall dass dieses Gesetz im Windschatten einer großen Fußballmeisterschaft durchgewunken wurde?

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Sehr geehrter Herr Huber,

vielen Dank für Ihre Fragen, die Sie mir über Abgeordnetenwatch gestellt haben. Gerne nehme ich dazu Stellung:

Das Bay. Landesamt für Verfassungsschutz ist Teil der robusten bayerischen Sicherheitsarchitektur. Es ist unser Schutzschild bei der Bekämpfung von Rechts- und Linksextremismus, von Islamismus und organisierter Kriminalität. Unser Verfassungsschutz ist auf keinem Auge blind. Der Verfassungsschutz ist ein wichtiges Frühwarnsystem für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Neben der Beobachtung extremistischer Bestrebungen zählen zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes auch die Abwehr von Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste und der Schutz vor Geheimnisverrat und Sabotage.

Mit dem am 07.07.2016 vom Landtag verabschiedeten neuen bay. Verfassungsschutzgesetz wurden das bisherige Gesetz gesetzgebungstechnisch modernisiert und die rechtlichen Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz präzisiert und auch erweitert.

Dies war u.a. deshalb notwendig geworden, um auf das veränderte Kommunikationsverhalten von Extremisten und Terroristen reagieren zu können: Sie verwenden zunehmend moderne Kommunikationsmittel und soziale Netzwerke. Mit dieser Entwicklung müssen Nachrichtendienste Schritt halten können. Über 70 Prozent der Telekommunikationsinhalte werden mittlerweile verschlüsselt übermittelt. Für die Aufdeckung terroristischer Anschlagsplanungen ist es deshalb entscheidend, die Telefongespräche der Attentäter bereits vor der Verschlüsselung abhören zu können. Das ermöglicht etwa die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung.

Aufgrund fortschreitender Verschlüsselungstechnik muss der Verfassungsschutz darüber hinaus jedoch auch auf andere Weise Erkenntnisse gewinnen können, etwa Informationen darüber, wer mit wem, wann und auf welchem Weg gesprochen hat. Das ermöglicht nun die Befugnis, auf Verkehrsdaten von Telefongesprächen zugreifen zu können. Das sind Daten, die Auskunft geben über die an einer Verbindung beteiligten Anschlüsse, über die Zeit, zu der die Telekommunikation gefunden hat und bei mobiler Kommunikation über die Orte, von denen aus kommuniziert worden ist. Bayern ist das erste Bundesland, das dem Verfassungsschutz den Zugriff auf diese Daten einräumt. Voraussetzung dafür ist, dass in jedem Fall die G10-Kommission des Bayerischen Landtags vor Durchführung einer solchen Maßnahme zustimmt. Die Telefongesellschaften müssen die Daten für einen Zeitraum von mindestens zweieinhalb Monaten speichern. Mit der Befugnis für die sogenannte Funkzellenabfrage kann außerdem festgestellt werden, welche Personen sich zusammen an einem bestimmten Ort aufgehalten haben.

Erstmals schaffen wir auch einen gesetzlichen Rahmen für die Auswahl und den Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten. Im Wesentlichen übernimmt das neue Gesetz die Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgesetzes, das der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition Ende 2015 verabschiedet hatte. Die Regelungen zum Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten werden damit nicht unverhältnismäßig ausgeweitet. Wir legen hier dieselben Kriterien für die Auswahl und Eignung wie der Bund zugrunde. Straftäter, die wegen eines Verbrechens oder zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden, kommen regelmäßig für eine solche Tätigkeit nicht in Betracht.

Neu ist ferner die Regelung, dass Informationen unabhängig vom Alter der Personen gespeichert werden dürfen. Denn Radikalisierung ist keine Frage des Alters. Das zeigt der erschreckende Fall einer 15-Jährigen, die am 26. Februar 2016 in Hannover eine Messerattacke mit islamistischem Hintergrund auf einen Bundespolizisten verübt hat. Auch auf solche verfassungsfeindlichen Aktivitäten müssen die Sicherheitsbehörden reagieren können. Bislang durften Daten über Minderjährige erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres erfasst werden.

Eine Kontrolle der Aktivitäten des Verfassungsschutzes gewährleisten dabei verschiedene Gremien: Die Dienst- und Fachaufsicht führt das Innenministerium. Das Parlamentarische Kontrollgremium aus sieben Landtagsabgeordneten überwacht die Arbeit der Behörde. Die G10-Kommission aus drei Mitgliedern des Landtages überprüft die Zulässigkeit von Maßnahmen, die in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz kontrolliert die Erhebung und Verwendung von Daten durch den Verfassungsschutz. Die Finanzkontrolle obliegt dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Darüber hinaus unterliegen die Maßnahmen des Verfassungsschutzes der richterlichen Überprüfung.

Der Kampf gegen Kinderpornographie rechtfertigt in der Tat die Auswertung von Kommunikationsverbindungsdaten. Jedoch ist das nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern der Polizei. Daher haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Bund die Speicherpflicht für diese Daten im letzten Jahr wieder eingeführt hat.

Terroristische Bedrohungen und die Flüchtlingskrise hängen miteinander zusammen, weil viele der Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge vor denselben fliehen, die uns auch bedrohen, z.B. IS. Aber natürlich ist nicht jeder Flüchtling ein Terrorist, diese Vorstellung wäre absurd. Gleichwohl treten wir für Grenzkontrollen ein, um eine Kontrolle darüber zu haben, wer sich in unserem Land aufhält, so lange die Schengen-Außengrenzen nicht sicher überwacht werden.

Mit der Fußball-Europameisterschaft hat die Plenardebatte am 07.07.2016 im Bay. Landtag natürlich nichts zu tun. Wir haben das neue Verfassungsschutzgesetz im Innenausschuss und im Rechtsausschuss schon vor einigen Wochen intensiv und ausführlich diskutiert. Das hat sich auch in der Plenardebatte wiedergespiegelt, die übrigens weit vor dem Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Frankreich beendet war. Von "Durchwinken" kann keine Rede sein.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Herrmann

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