Frage an Gabriela Schimmer-Göresz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Gabriela Schimmer-Göresz
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Frage von Irina R. •

Frage an Gabriela Schimmer-Göresz von Irina R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schimmer-Göresz,

wie jetzt durch die Medien zu hören war, soll die ödp den Wahl-O-Mat verhindert haben.
Können Sie mir bitte erklären, wie das angeblich passiert sein soll!?

Vielen Dank
Irina Ribitza

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrte Frau Ribitza,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Diese gibt mir die Gelegenheit, die Vorwürfe der Präsidentin des Bayerischen Jugendrings, Frau Martina Kobringer, richtig zu stellen und die Vorgänge zu erklären.

Vorweg geschickt:

Es lag der ödp völlig fern, den Wahl-O-Mat verhindern zu wollen. Der jetzt entstandene Konflikt ist bedauerlich, weil wir die sehr gute Arbeit der Kreis- und Stadtjugendringe schätzen und in den kommunalen Gremien auch unterstützen. Wir konnten es allerdings nicht hinnehmen, dass einige wenige Verantwortliche des Jugendring-Dachverbandes einen politischen Konkurrenten der CSU ausschalten wollten.

Nun zur Chronologie:

Beim Wahl-O-Mat handelt es sich um eine elektronische Befragung zu tagespolitischen Thesen. Wer sich durch das Programm geklickt hat, erfuhr am Ende, mit welcher Partei er am ehesten übereinstimmt. Dabei wurden aber nur die Landtagsparteien sowie FDP, Freie Wähler und Linke berücksichtigt. Die ödp wurden außen vor gelassen. Bei der Landtagswahl 2003 hatten den Wahl-O-Mat 90.000 junge Wählerinnen und Wähler genutzt.

Unser Anliegen ist die Gleichbehandlung aller Bewerber durch eine unmittelbare staatliche Stelle, wie es die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit als Teil des Kultusministeriums ist, ebenso wie die Bundeszentrale für politische Bildung als Rechteinhaber am Wahl-O-Mat und der Bayerische Jugendring als Partner der Aktion. Die Träger des Wahl-O-Mat sind also unmittelbar oder mittelbar Teil der staatlichen Sphäre. Hier gelten in Sachen Wahlvorbereitung, Wahlinformation und Wahlwerbung die strengsten Gleichbehandlungs- bzw. Verbotsregeln.

Wenn Frau Kobringer nun behauptet, die ödp habe - im Vorfeld nie ein klärendes Gespräch gesucht-, dann ist dies objektiv falsch und dient allenfalls der Stimmungsmache gegen die ödp.

Richtig ist, dass der bayerischen Landesvorsitzende der ödp, Bernhard Suttner rechtzeitig den Anspruch der ödp auf Gleichbehandlung mit den nicht im Parlament vertretenen Bewerbern angemeldet hat. Ein erster Brief ging bereits am 12. Juni 2007 an den Präsidenten der Bundeszentrale mit Abschrift an den Bayerischen Jugendring. Weil dieser Brief nicht beantwortet wurde, hat Bernhard Suttner am 03. April 2008 nochmals schriftlich nachgefragt. Auch dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Am 7. August 2008 hat Bernhard Suttner persönlich in der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit vorgesprochen und nochmals den Anspruch der ödp auf Berücksichtigung im Wahl-O-Mat vorgebracht. Ihm wurde dort gesagt, dass dies leider wegen der Regeln des Rechteinhabers (Bundeszentrale für politische Bildung) nicht möglich sei. Daraufhin hat des Landesvorstand der ödp/Bündnis für Familien den Rechtsweg beschlossen.

Noch vor Entscheidung des Gerichts hat das Kultusministerium durch Rücknahme des Wahl-O-Mats die rechtliche Klärung verhindert. In der Öffentlichkeit wurde durch die Medien der Eindruck erweckt, die ödp sei ein "kleinkarierter Spielverderber". Die Reaktion des Kultusministerium mit der Begründung, man wolle kein Parteiengezänk, war völlig unangemessen. Wir hätten selbstverständlich ein wie auch immer ausfallendes Urteil akzeptiert. Und wir haben bei der Erweiterung des Software unsere aktive Mitarbeit angeboten. Der Vorwurf, dass dies alles aus zeitlichen Gründen nicht mehr gehe, war ebenfalls unbegründet und vorgeschoben.

Nach Rückzug des Kultusministerium hatte sich der Bayerische Jugendring entschlossen, das Projekt Wahl-O-Mat in eigener Regie doch noch zu starten, allerdings ebenfalls ohne die ödp.

In der Konsequenz blieb uns nichts anderes übrig, als nun auch gegen den Bayerischen Jugendring beim Verwaltungsgericht München eine Einstweilige Anordnung zu beantragen. Das Verwaltungsgericht hat am 9.9.08 dem Antrag der ödp stattgegeben und festgestellt, dass der Bayerische Jugendring die ödp beim Wahl-O-Mat nicht ausschließen darf. Die ödp erneuerte ihr Angebot an den Jugendring, den Wahl-O-Mat nicht platzen zu lassen, sondern die ödp einzubeziehen und hat wiederum die schnellstmögliche Zuarbeit angeboten.

Der Bayerische Jugendring hat abgelehnt und das "Aus" für den Wahl-O-Mat erklärt mit der Begründung, die Zeit von nur knapp drei Wochen bis zur Landtagswahl reiche für die nötigen Software-Änderungen nicht mehr aus.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu den Nicht-Zulassungskriterien der ödp zum Wahl-O-Mat.

Zugelassen wurden Parteien, die bei der sog. "Sonntagsfrage" einige Monate vor der Wahl stabil über 3 Prozent liegen. Dieses Kriterium konnte die ödp nicht erfüllen. Warum?

Das Erreichen eines Wertes von 3 % bei einer demoskopischen Wahlprognose führt sich durch die Gesetze der Demoskopie selbst ad absurdum. Je nach Ernsthaftigkeit des Instituts rechnen die Demoskopen selbst mit einer Schwankungsbreite von bis zu 2 % +/- bei ihren Ergebnissen. Das führt dazu, dass Kleinparteien demoskopisch überhaupt nicht seriös beurteilt werden können. Die ödp hält es daher für absolut unhaltbar, eine derart unsichere Wahlprognose zum einzigen Kriterium zu erheben, mit dem eine staatlich zu verantwortende Wahl-Information quasi eine Wahlempfehlung über den Wahl-O-Mat erteilt wird.

Die Organisatoren des Wahl-O-Mat hätten andere Kriterien für die Auswahl der noch nicht im Parlament vertretenen Parteien nutzen können, z.B.
- das Antreten in allen Stimmkreisen
- ein Vollprogramm
- die kontinuierliche landespolitische Tätigkeit einer Partei
- die kommunalpolitische Verankerung einer Partei
- die Dichte der Organisationsstruktur im Freistaat
- und vor allem die Frage, ob eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet oder gar als extremistisch eingeschätzt und überwacht wird.

Hier noch eine kurze Passage aus dem Schreiben von Bernhard Suttner vom 12. Juni 2007:

"Die ödp ist gerade im Freistaat Bayern nicht "irgendeine" Kleinpartei. Wir haben seit 25 Jahren eine ständige Präsenz in der Landespolitik und haben mit direktdemokratischen Aktionen sogar verfassungsändernde Fakten geschaffen (z.B. Abschaffung des Senats, Reform des Art. 100 BV). Die ödp ist außerdem flächendecken in Bayern organisiert und hat bisher rund 300 kommunale Mandate errungen. Traditionell legt die ödp großen Wert auf die Erarbeitung eines elaborierten Vollprogramms (siehe Anlage); dies würde es Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherlich ermöglichen, unsere Positionen in das Konzept Wahl-O-Mat einzuarbeiten."

Wo ein Wille, da ein Weg. Der Wille war seitens der Organisatoren nicht vorhanden, so dass wir den Weg über das Verwaltungsgericht beschritten haben, um zu erfahren, wie Wahlrechtsgleichheit in Bayern juristisch bewertet wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sollten Sie Interesse am Schriftwechsel haben, lassen Sie mich das bitte wissen.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriela Schimmer-Göresz