Frage an Gregor Gysi bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Gregor Gysi
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Frage von Ralph A. •

Frage an Gregor Gysi von Ralph A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Gysi,

ich habe als demokratischer Sozialist vor, in die Linke einzutreten, habe aber in zwei Angelegenheiten unterschiedliche Auffassungen.

1. Ich bin zwar Pazifist, aber ich habe eine grundlegende Frage:
Denken Sie nicht auch, dass man im Kosovo weiterhin Sicherheit herstellen sollte. Denken Sie doch bitte an die Opfer Milosevics! Wir als Linke müssen doch diesen Menschen helfen. Bitte erörtern Sie objektiv, warum Sie gegen den Kosovo-Einsatz sind.

2. Das Rentenalter auf 67 zu erhöhen finde ich zwar nicht gut, aber angesichts des demographischen Wandels notwendig, es sollten aber bestimmte Berufsgruppen wie Bauarbeiter ausgenommen werden.
Was halten Sie von dieser These?

Als Befürworter eines anderen Systems, nämlich das des demokratischen Sozialismus, finde ich, dass die Linke sich dem neokapitalistischen System anpasst und nicht mehr so radikal darauf eingeht, den Kapitalismus eben nicht nur einzudämmen (SPD), sondern auch zu beseitigen. Bitte achten Sie doch vor den Wahlen darauf, ein starkes linkes Profil zu geben und sich deutlich von der SPD abzugrenzen. Allerdings wäre es doch schön, wenn Linke und SPD ein ,,freundschaftlicheres" Verhältnis zueinander hätten!

P.S.: Bei der Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes stimme ich ihnen völlig zu. Krieg fördert Terrorismus, das sagt nämlich nicht nur die Linke, sondern bekannte Forscher und Professoren.

Eine Frage hätte ich allerdings noch: Was halten Sie von den auch von Linken befürworteten Privatisierungen in Berlin?! Wir brauchen Vergesellschaftung, nicht Privatisierung (lat. privare = berauben!!!)

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr hoffentlich baldiges Parteimitglied Ralph Apfelbacher, 16

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Sehr geehrter Herr Apfelbacher,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 9. 12. Auch bei Widersprüchen kann man Mitglied einer Partei werden und versuchen, um andere Mehrheiten zu ringen.

Im Augenblick ist der Einsatz der Soldaten im Kosovo durch einen Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen gesichert. Das Problem besteht darin, dass der Kosovo entgegen diesen Beschluss sich einseitig für unabhängig von Serbien erklären wird.Dies ist völkerrechtlich unzulässig. Die USA werden aber das Kosovo völkerrechtswidrig anerkennen. Zu diesem Zeitpunkt entfällt die rechtliche Grundlage für den Einsatz der Bundeswehrsoldaten im Kosovo. Schon hat die NATO erklärt, dennoch drin zu bleiben. Damit animiert sie den Kosovo sich völkerrechtswidrig von Serbien zu trennen. Die Gefahr sehe ich in einer Destabilisierung in Europa. Wie soll man den Basken in Spanien erklären, dass sie sich nicht trennen dürfen? Wie soll man den protestantischen Nordiren erklären, dass sie sich nicht trennen dürfen usw.

Übrigens habe ich bei meinem Besuch Herrn Milosevic erfolglos empfohlen, selber UN-Truppen für den Kosovo zu beantragen. Vielleicht gäbe es dann heute eine andere Situation.

Hinsichtlich der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters ist der demographische Wandel irrelevant. Entscheidend ist die Produktivitätsentwicklung. Die Produktivität ist so enorm gestiegen, dass die Renten weiterhin ab Beginn des 65. Lebensjahres gezahlt werden könnten. Allerdings brauchte man dann wie in der Schweiz eine Rentenversicherung, in der alle Menschen mit Erwerbseinkommen einzahlen. Der Prozentsatz könnte sogar gesenkt werden, wenn vom Gesamteinkommen und nicht nur von einem Teileinkommen in die Rentenversicherung eingezahlt werden müsste. Die Rentensteigerung, könnte für Menschen mit hohen Bezügen abgeflacht werden, so dass das Ganze stärker den Charakter einer solidarischen Versicherung bekäme.

Für Ihre weiteren Hinweise bedanke ich mich und hoffe, Sie bald als Mitglied unserer Partei begrüßen zu können.

Mit solidarischen Grüßen
Dr. Gysi

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