Frage an Gunther Krichbaum bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Gunther Krichbaum
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Frage von Carsten S. •

Frage an Gunther Krichbaum von Carsten S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Kriechbaum,

die irische Bevölkerung hat den Vertrag von Lissabon abgelehnt. Aus diesem Anlass habe ich mich selbst auch noch einmal mit den Argumenten für und wieder des Vertrages auseinandergesetzt und bin etwas irritiert. Ein Hauptkritikpunkt der Gegner des Vertrags betrifft das "Vereinfachte Änderungsverfahren". Kritiker haben diesen Punkt zum Anlass genommen um den Vertrag sogar mit dem "Ermächtigungsgesetz" zu vergleichen. Der Europäische Rat könne so weitgehende Änderungen des Vertrages quasi im Alleingang durchsetzen.

Tatsächlich steht im Vertrag jedoch im Artikel 48 Abs. 6: (...)Der Europäische Rat kann einen Beschluss zur Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Dritten Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erlassen. (...) Dieser Beschluss tritt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft."

Meine Frage: Wie sehen die verfassungsrechtlichen Vorschriften in Deutschland dazu aus? Muss der Bundestag derartigen Beschlüßen zustimmen? Vielleicht sogar noch der Bundesrat?

Oder reicht womöglich die Zustimmung der Regierung? In diesem Fall wäre der Artikel ja tatsächlich äußerst problematisch, den eine Regierung die im Europäischen Rat einem Beschluss zugestimmt hat würde anschließend bei der Ratifizierung wohl kaum ablehnen.

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Sehr geehrter Herr Schiefer,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Im Vertrag von Lissabon - ebenso wie im Verfassungsvertrag - wurde ein neues Verfahren für künftige Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU festgelegt. Nach Art. 48 können jeder Mitgliedstaat, das Europäische Parlament oder die Kommission dem Europäischen Rat vorschlagen, Vertragsänderungen vorzunehmen. Dies könnten auch Änderungen sein, die zu einer Ausdehnung oder Verringerung der der Union übertragenen Zuständigkeiten führen sollen. Gem. Abs. 3 beschließt der Rat dann im Regelfall die Einsetzung eines Konvents von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und der Kommission. Einen solchen Konvent gab es bereits zur Erarbeitung des Verfassungsvertrages, ohne dass hierfür bislang eine ausdrückliche Rechtsgrundlage bestand. Diese soll nun neu eingeführt werden.

Allerdings ist in Art. 48 Abs. 6 eine Ausnahme von diesem Vertragsänderungsverfahren vorgesehen. Betreffen die vorgesehenen Vertragsänderungen nur die interne Arbeitsweise der EU, kann auf die Einsetzung eines Konvents verzichtet werden. In diesem Fall werden die gewünschten Änderungen - nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission - vom Europäischen Rat eigenverantwortlich beschlossen. Allerdings kann ein solcher Beschluss erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten erfolgen. Diese Zustimmung hat nach den nationalen Verfassungsvorschriften zu erfolgen. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies, dass sich an der parlamentarischen Beschlussfassung, wie sie auch bislang für Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU notwendig war, durch das vereinfachte Verfahren nichts ändert. Die notwendige Mehrheit, mit der der Bundestag beschließt und die Einbeziehung des Bundesrates hängen dabei jeweils von der zu regelnden Materie ab.

Daher ist für mich vollkommen unverständlich, wenn das vereinfachte Änderungsverfahren in der öffentlichen Diskussion mit dem sog. Ermächtigungsgesetz, mit dem die Demokratie in Deutschland abgeschafft wurde, verglichen wird. Um es noch einmal ausdrücklich zu betonen: Im vereinfachten Verfahren kann für Regelungen über die interne Arbeitsweise der EU auf die Einsetzung eines Konvents verzichtet werden. Es ist ausdrücklich bestimmt, dass über den Weg dieses Verfahrens die an die EU übertragenen Zuständigkeiten nicht ausgedehnt werden dürfen. Hierfür wäre zwingend ein Konvent notwendig. An der parlamentarischen Ratifizierung der Vertragsänderung in den einzelnen Mitgliedstaaten ändert sich also überhaupt nichts.

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Krichbaum

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