Frage an Hans-Ulrich Sckerl bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

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Hans-Ulrich Sckerl
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolfgang B. •

Frage an Hans-Ulrich Sckerl von Wolfgang B. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

1. Wie werden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass in BadenWürttemberg sichere Bleibeperspektiven für schutzsuchende Menschen
gewährleistet werden können?
2. Wie möchten Sie oder Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass die aktuellen
Bleiberechtsoptionen verbessert werden?
3. Wie kann die gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen
verbessert werden (z.B. Zugang zu Wohnraum, Bildungschancen, Arbeit und
Ausbildung)
4. Wie möchten Sie und ihre Partei die Kommunen bei der Erfüllung dieser
Aufgabe unterstützen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bauer,

vielen Dank für Ihre Fragen, welche ich im Folgenden gerne beantworte. Für uns Grüne ist klar: Menschen, die sich integrieren und ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind, müssen eine Bleibeperspektive erhalten. Wir unterstützen daher beispielsweise ausdrücklich die Ziele der Unternehmensinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“, der sich inzwischen hunderte von Unternehmen angeschlossen haben.

Da Bleiberechtsoptionen bundesrechtlich geregelt sind, ist primär der Bundesgesetzgeber gefragt. Dieser hat zwar mit der Beschäftigungsduldung die Möglichkeit eines Bleiberechts für Menschen in Arbeit eingeführt. Die Voraussetzungen sind aber viel zu hoch – kaum jemand kann diese erfüllen.

Im Rahmen der landesrechtlichen Möglichkeiten sind wir auch im Land aktiv:

· Baden-Württemberg hat 2020 erfolgreich eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes eingebracht. Ziel ist es, für Geflüchtete, deren Verfahren von der Hochphase des Flüchtlingszugangs betroffen waren, eine Anrechnungsmöglichkeit für Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens auf den notwendigen Duldungszeitraum zu schaffen.

· Das Land hat unseres Erachtens in diesen Fällen auch das Ermessen Duldungen zu erteilen. Unsere aktuelle Koalitionspartnerin und das Innenministerium vertreten hierzu aber eine andere Rechtsauffassung. In der kommenden Legislaturperiode wollen wie wir erreichen, dass diese gesetzlichen Spielräume wie die Ermessensduldung konsequent genutzt werden.

· Wir wollen uns auch politisch dafür einsetzen, dass Menschen über existierende Bleiberechtsoptionen beraten werden.

· Bei Personen, die bis auf die Voraussetzung der Vorduldungszeiten alle Voraussetzungen der Beschäftigungsduldung erfüllen und unter die geplante Bundesratsinitiative fallen, besteht auf GRÜNE Initiative hin bei Personen, die bis zu einem bestimmten Datum einreisten, im Einzelfall die Vermutung, dass sie einen Härtefall im Sinne der Härtefallkommission darstellen. Die Befassung der Härtefallkommission hat zur Folge, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen regelmäßig zurückzustellen sind.

· Auf Bundesebene werden wir weiterhin alle Initiativen, die auf Bleiberechtsperspektiven für gut-integrierte Geflüchtet gerichtet sind, positiv begleiten. ´

Wenn Menschen zu uns kommen, wollen wir ab dem ersten Tag mit der Integrationsarbeit beginnen. Wir wollen keine Zeit verlieren, indem wir warten, bis der Aufenthaltsstatus endgültig geklärt ist. Wir haben das Ziel, dass Geflüchtete so schnell wie möglich Zugang zu integrativen Maßnahmen, zu Ausbildung und Arbeit und einer guten Wohnsituation bekommen. In den vergangenen Jahren hat die grün-geführte Landesregierung in einer Verantwortungsgemeinschaft mit den Kommunen und der Zivilgesellschaft vielen Geflüchteten geholfen und mit verschiedenen Maßnahmen für eine bessere Unterbringung und Versorgung der Menschen gesorgt, die zu uns gekommen sind.
Wir wollen auch in Zukunft die Situation in den Flüchtlingsunterkünften weiter verbessern.

· Der Aufenthalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen soll weiter verkürzt werden.

· Die Erstaufnahme muss gut ausgestattet und Corona-konform gestaltet werden.

· Wir haben den Wohnraum in der Flüchtlingsaufnahme erhöht und eine erfolgreiche Bundesratsinitiative für Geflüchtete in Arbeit gestartet, um Bleibeperspektiven zu verbessern.

· Eine Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete sehen wir grundsätzlich kritisch.

· Durch eine umfassende Sozial- und Rechtsberatung sollen Geflüchtete künftig von Anfang an über ihre Rechte und die Voraussetzungen der verschiedenen Aufenthaltstitel informiert werden.
Gesellschaftliche Teilhabe schließt neben Wohnen und Arbeiten auch die gesundheitliche Versorgung ein.

· Wir setzen uns daher für die Ausstellung einer Gesundheitskarte mit der Erstregistrierung ein.

· Zudem wollen wir den anonymen Krankenschein für Menschen ohne Aufenthaltsstatus, sogenannte Papierlose, etablieren.

· Traumatisierte Geflüchtete brauchen einen schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu Hilfe, damit sie eine Perspektive und Chancen auf Teilhabe in der Gesellschaft haben.

· Daher wollen wir die bestehenden psychosozialen Beratungsstellen zu einer landesweiten Versorgungsstruktur weiterentwickeln.

Das Aufenthaltsrecht sieht keine direkte Aufnahme aus dem Land durch Entscheidung einer Kommune voraus, sondern bedarf grundsätzlich mindestens eines Landesaufnahmeprogramms. Wir unterstützen die Initiative „Sichere Häfen“ und wollen, dass auch das Land Baden-Württemberg zum „Sicheren Hafen“ wird. Wir werden daher ein entsprechendes Landesaufnahmeprogramm vorantreiben und machen uns auf Bundesebene dafür stark, dass Bundesländer und Kommunen mehr Möglichkeiten bei der Aufnahme von Menschen in Notsituationen erhalten. Damit würde gleichzeitig den Wünschen der Zivilgesellschaft nach einer zusätzlichen Aufnahme von Geflüchteten gerecht.

Mit freundlichen Grüßen
Uli Sckerl