Frage an Harald Gindra bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Harald Gindra
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DIE LINKE
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Frage von Johannes Z. •

Frage an Harald Gindra von Johannes Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Gindra,

über eine Freundin, die an einem Ihrer Info-Stände war, habe ich Ihr Wahlprogramm erhalten und habe zwei Fragen:

1. Sie wollen sich einsetzen für eine wohnortnahe Versorgung mit Bibliotheken. Als regelmäßiger Nutzer der Bibliothek im Rathaus Friedenau frage ich mich, wie Sie diesen Standort erhalten wollen? Was bieten Sie Anwohnern an, die sich für „ihre“ Bibliothek einsetzen wollen?

2. Sie befürworten eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der Westbank oder in Gaza. Wie wollen Sie sicherstellen, daß ein solches Programm mit den „richtigen“ Partnern realisiert wird?

3. Sie setzen sich für die Umbenennung der Einemstraße ein, weil das ein „kolonialer“ Straßenname sein soll. Ich erinnere mich, dass schon die Mackensenstraße umbenannt wurde, weil der Namenspatron ein Förderer Adolf Hitlers war. Als neuer Name wurde Else-Lasker-Schüler-Straße gewählt, weil die deutsch-jüdische Dichterin in der Umgebung wohnte. Wäre es dann nicht folgerichtig, die Einemstraße nach einem Kämpfer oder einer Kämpferin gegen den Kolonialismus zu benennen, statt einen Vorkämpfer für Schwulenrechte zu wählen?

Hochachtungsvoll

J. Zenck

Harald Gindra
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Zenck,

zunächst danke ich Ihnen für die konkreten Fragen zu unserem Bezirkswahlprogramm. Sie widerlegen damit auch ein Vorurteil, dass kaum eine Wählerin oder ein Wähler sich die meist längeren Ausführungen genauer ansehen mag.
Sie haben einige interessante Punkte angesprochen:

1) Wohnortnahe Versorgung mit Bibliotheken
Sie fragen in Bezug auf die Bibliothek im Rathaus Friedenau: "Was bieten Sie Anwohnern an, die sich für ´ihre´ Bibliothek einsetzen wollen?"
Im wesentlichen können wir momentan nur die Unterstützung bei entsprechenden Auseinandersetzungen anbieten. Unser Gewicht in der Bezirksverordnetenversammlung war bisher nicht so groß, dass wir Vorhaben, auf die sich mind. zwei der im Bezirksamt vertretenen Parteien (SPD, CDU, Grüne) geeinigt hatten, zu stoppen.
In der BVV und in Veröffentlichungen haben wir aber kritisiert, dass der zuständige Stadtrat Hapel (CDU) bereits mit der Pressemitteilung Nr. 321 vom 11.07.2011 verkündete: "Stadtbibliothek soll ins ehemalige Hertie-Kaufhaus", als wäre das schon beschlossene Sache.
Ich habe keine abschließende Meinung, was (noch) eine "wohnortnahe Versorgung" ist. Wie bei vielen anderen Fragen treten wir aber dafür ein, dass die Nutzerinnen und Nutzer / Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Rahmen der verschiedenen Prämissen, zu solchen grundlegenden Fragen zuerst gefragt werden müssen und mitentscheiden sollen.
Stadtrat Hapel drückte am 11.7. wieder ein "gutsherrschaftliches" Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern aus, das im Rathaus noch weitverbreitet ist (z.B. auch bei Lassen-Park und keinerlei Initiative zu einem "Bürgerhaushalt" 2011 - siehe http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/derbezirk/buergerhaushalt/index.html- auf Stand 2009 ).
Zum Bibliotheksstandort gibt es weder einen Beschluss des Bezirksamts, erst recht keinen der BVV und die betroffenen Menschen hatten sich bis jetzt nicht äußern "dürfen".
Erst nach der Kritik bietet jetzt der Stadtrat noch schnell eine Diskussion zum "Bibliothekskonzept" (am 30.8.) an.

2) Zur Frage "Städtepartnerschaft" mit einer Stadt/Kommune in Westbank/Gaza Unser Bezirk hat eine entwickelte und lebhafte Partnerschaft mit Nahariya (Israel) und das ist gut so.
Ich kann mir aber (auch persönlich) nur schlecht einen unbefangenen Austausch über kommunale Probleme in Israel vorstellen. Die selben Fragen stellen sich in den von Israel okkupierten Gebieten, nur wenige hundert Kilometer entfernt, völlig anders. In zahlreichen Gesprächen mit israelischen, palästinensischen und internationalen Akteuren konnte ich bei einer Rundfahrt im Jan. 2011 mir selbst ein Bild machen: In den okkupierten Gebieten sind Grundbedürfnisse wie Wasser- / Wohnraumversorgung, Bildung, Schule, Gewerbe- und Bewegungsfreiheit für viele Palästinenser ungesichert und der Willkür militärischer Entscheidungen unterworfen.
Warum soll nicht ein Berliner Bezirk mit einer Dreiecksbeziehung zu einer israelischen *und* zu einer palästinensischen Kommune das gegenseitige Verständnis und den Dialog fördern können?
Die "richtigen" Partner sind die gewählten Repräsentanten. Dabei habe ich sowohl in Israel, wie in den besetzten palästinensischen Gebieten, den Eindruck, dass einiges sich positiv entwickelt. Die Rolle von neuen zivilgesellschaftlichen Strukturen und Bewegungen, jenseits von erstarrten, ideologisierten Kräften, scheint mir zu zunehmen.

3) Zur Einemstraße
Wir haben uns dabei, einer bereits laufenden Initiative angeschlossen und unserer Pressemitteilung vom 8.4.10 ist wenig hinzufügen:
"Am 17. März hat die BVV Tempelhof-Schöneberg das Bezirksamt einstimmig damit beauftragt zu prüfen, ob die Einemstraße, welche dem 1934 verstorbenen Monarchisten und Hitler-Bewunderer Karl von Einem gewidmet ist, umbenannt werden kann. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft »Schwule Juristen« war Einem ein Wegbereiter des Faschismus und forderte 1907 als Kriegsminister die Vernichtung homosexueller Männer. Wenn sich dies wissenschaftlich bestätigt, muss die Einemstraße umbenannt werden! Statt einem Homo-Hasser und Demokratiefeind sollte die Einemstraße zukünftig dem deutschen Pionier der Schwulenbewegung, Karl-Heinrich Ulrichs, gedenken, indem sie nach ihm benannt wird. Bislang wird Ulrichs in Berlin noch an keiner Stelle gedacht, obwohl sich der 1825 geborene Jurist bereits im Kaiserreich unter feindlichen Bedingungen für die Rechte von Homosexuellen einsetze und so zu einem Vorkämpfer für Akzeptanz und Gleichstellung wurde. Eine solche Umbennenung wäre sowohl ein Zeichen der Anerkennung für seinen Mut, sich auch unter Spott, Strafverfolgung und Lebensgefahr für Akzeptanz und Gleichstellung einzusetzen, als auch eine deutliche Absage an Mord- und Vernichtungsdrohungen, mit denen auch heute noch Minderheiten auf der Welt bedroht werden. Aber auch eine Absage an Intoleranz und Gewalt, die auch in Deutschland noch zur Realität vieler Lesben, Schwuler, Bi- oder Transsexueller gehört.
Wir wollen eine solche Umbenennung gemeinsam mit den Anwohnerinnen und Anwohnern der Einemstraße erreichen und werben daher für ein breites politisches und gesellschaftliches Bündnis." (PM von DIE LINKE.Tempelhof-Schöneberg)."
Der Beschluss (Drs. 1300) ist vom Bezirksamt noch nicht abschließend bearbeitet/beantwortet worden.

Allgemein: Am 18.9. wählen gehen! Niedrige Wahlbeteiligung hilft Neonazis und Rechtspopulisten.