Frage an Harald Petzold bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Harald Petzold
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Frage von Dieter S. •

Frage an Harald Petzold von Dieter S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Lieber Harald,

Deine Teilnahme an der Demo in Essen "Stoppt die Bombardierung Gazas - für ein Ende der Eskalation im Nahen Osten" wird massiv von Heinz-W. Hammer im ND, 24.7.14, angegriffen. "Unappetitlich" hättest Du Dich "mit dem Rechtslümmel Michael Höhn gemein gemacht". Nimm bitte dazu Stellung und lege Deinen Standpunkt im Israel-Palästina-Konflikt dar. In die Falle der Einseitigkeit - so kenne ich Dich - tappst Du doch nicht.

Beste Grüße,

Dieter.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Seeger, lieber Dieter,

vielen Dank für die Zuschrift und die Anfrage.

Die mir gegenüber im Zusammenhang mit den Demonstrationen am 18.7. in Essen gemachten Vorwürfe sind absurd. Jeder, der mich kennt oder mit mir zu tun hat, weiß, dass ich mich seit Jahren sowohl für Frieden im Nahen Osten einsetze – und zwar auf der Basis einer Zweistaatenlösung Israel und Palästina, wie sie DIE LINKE seit vielen Jahren vorschlägt, als auch für ein friedliches Zusammenleben von Jüdinnen und Juden mit Araberinnen und Arabern als auch von Jüdinnen und Juden, Araberinnen und Arabern und Deutschen. Ich kritisiere deshalb die Politik und Praxis der israelischen Regierung, die eine solche Zweistaatenlösung seit Jahren hintertreibt und dabei vor allem auf Druck nationalistischer und religiöser FundamentalistInnen, allerdings auch aufgrund nicht endender Gewalt gegen israelische StaatsbürgerInnen zunehmend jegliches Maß verloren und damit Legitimität eingebüßt hat. Genauso lehne ich aber auch die Politik und Praxis der Hamas ab, die vor allem auf der Basis eines antijüdischen Fundamentalismus die eigenen Landsleute zu Geiseln und damit gemeinsam mit Israelis zu Opfern politischen Abenteuerertums machen, das zu nichts anderem führt, als einer dauerhaften Destabilisierung der Region, einer Unzahl von Toten auf beiden Seiten und einer nachhaltigen Zerstörung der Lebensgrundlagen für alle Menschen in der Region. Beide Seiten erweisen mit ihrem Tun ihrer angeblichen oder vorbeglichen Sache nicht nur einen Bärendienst, sondern gefährden das Leben und Zusammenleben der Menschen in der Region auf Generationen hinaus.

Darüber hinaus kritisiere ich seit Jahren die Politik der USA-Regierung, der EU und der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Nahen Osten, genauso wie ich nach der politischen Wende und den in diesem Zusammenhang neu gewonnenen politischen Erkenntnissen die Politik der ehemaligen realsozialistischen Länder kritisiert und für völlig verfehlt gehalten habe, die Probleme der Region nachhaltig im Sinne von Frieden und friedlichem Zusammenleben zu lösen. Der Export von Waffen und Militärtechnologien beispielsweise – egal für welche `Sache´ der Welt – führt letzten Endes zu ihrer Anwendung und damit zu Tod und Verderben.

Eine politische Praxis, die ihre Interessen mit Mitteln der Gewalt sichern oder durchsetzen muss oder will, kann nicht als Demokratie überzeugen, in der es darum gehen muss, dass Menschen ohne Gewaltanwendung um Mehrheiten für ihre Lösungsansätze, Gesellschafts- oder Zukunftskonzepte werben. Somit tragen auch diese Akteure – die USA-Regierung genauso wie die EU-Verantwortlichen, die Bundesregierung(en) und die ehemaligen realsozialistischen Länder – Mitverantwortung dafür, dass es bisher nicht gelungen ist, die bis und nach dem Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang mit der aufgrund des Holocaust berechtigten Gründung des Staates Israel in der Region historisch gewachsenen wie auch neu entstandenen Probleme und Konflikte zu lösen.

Schließlich – und das war letzten Endes auch meine Motivation für meine Teilnahme an der projüdischen Demonstration am 18.7. in Essen – werde ich mich allen denjenigen in den Weg stellen, die versuchen, diesen Konflikt und seine tragische aktuelle Zuspitzung dafür zu missbrauchen, teilweise unter Bedienung jahrhundertealter oder neuer Vorurteile und Stereotype Jüdinnen und Juden hier in Deutschland das Leben unmöglich zu machen, sie zu attackieren oder ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde in Frage zu stellen oder aber Hass auf sie oder ihre israelischen Landsleute zu schüren. Dieser Hass muss aufhören. Wir lösen den Nahost-Konflikt nicht hier in Deutschland – und schon gar nicht, indem Hass auf Jüdinnen und Juden ausgelebt und der Konflikt einseitig verklärt wird.

Auch wenn mich die täglich neuen Toten dieses Konfliktes immer wieder neu wütend auf die dafür Verantwortlichen machen, so bleibe ich dabei: Mit Hass wird der Konflikt nicht zu lösen sein. Der Hass muss aufhören, die Gewalt muss aufhören. Von allen Seiten. Alle müssen sich in ihrem Mensch-Sein, ihrer Lebensberechtigung und ihrem Anspruch auf ein würdevolles Leben respektieren. Nur dann wird es möglich sein, ein Grundmaß an Vertrauen zu erzeugen, das die Voraussetzung ist für eine Lösung der seit Jahren ungelösten, aufgestauten, unaufgearbeiteten und jetzt erneut eskalierten Probleme, Konflikte und Tragödien.

In diesem Sinne werte ich die viele Zustimmung, die ich während und für meinen `Auftritt´ in Essen (auch) erhalten habe – also es gab nicht nur Reaktionen, wie die zitierte – als Ermutigung dafür, dass es so falsch nicht gewesen sein kann, was ich da gemacht und gesagt habe. Dass es letzten Endes etwas nützt, kann ich in unser aller Interesse nur hoffen.

Mit freundlichen Grüßen
Harald Petzold, MdB