Warum behaupten Sie, dass Apotheken schlecht verfügbare Medikamente für Kinder „hamstern“? Haben Sie sich schon ein Bild von der Lage in den Apotheken vor Ort gemacht? Bitte nennen Sie Beispiele!

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Heike Baehrens
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Frage von Sonja N. •

Warum behaupten Sie, dass Apotheken schlecht verfügbare Medikamente für Kinder „hamstern“? Haben Sie sich schon ein Bild von der Lage in den Apotheken vor Ort gemacht? Bitte nennen Sie Beispiele!

Ich habe selber eine kleine Apotheke auf dem Land und ich kann ihnen sagen, wir tun alles um unsere Leute vor Ort irgendwie zu versorgen. Ich verstehe nicht, warum sich jeder heraus nimmt, uns Apothekern vor Ort immer wieder vors Schienenbein zu treten. Sei es durch die kommende Honorarkürzung oder durch offensichtliche Falschdarstellungen in den Medien. Haben sie überhaupt keine Wertschätzung für unsere Arbeit?

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Sehr geehrte Frau N.,

vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie sich auf meine Äußerungen während eines Interviews beim Mittagsmagazin am 16.12.2022 beziehen.

Sie kritisieren, dass ich Apotheker:innen dazu aufgerufen habe, sich nicht für länger als eine Woche notwendig zu bevorraten. Einzelnen Apotheken vorzuwerfen, sie würden hamstern, liegt mir fern. Im engen Zeitrahmen eines Interviews kann ich lediglich auf die gestellten Fragen eingehen, so dass es nicht möglich ist, den komplexen Sachverhalt der Lieferengpässe in seiner gesamten Breite darzustellen.

Daher nehme ich gern diese Gelegenheit zur Stellungnahme wahr: Wir hier in der SPD-Fraktion teilen Ihre Sorge, dass bestimmte Arzneimittel derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind. Die Problematik, gerade was die Versorgung mit paracetamol- und ibuprofenhaltigen Fiebersäften für Kinder angeht, ist im Fokus, und es wird bereits auf unterschiedlichen Ebenen mit Nachdruck an Lösungen gearbeitet.

Der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe beim BfArM hat bereits drei dringende Empfehlungen zur eingeschränkten Verfügbarkeit abgegeben (siehe im Internet: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/mitteilung_fiebersaefte_kinder.html). Auf diese habe ich mich im Interview bezogen. Der Beirat kommt zu dem Ergebnis, dass aus den vorliegenden Daten kein Rückschluss auf einen Lieferabriss gezogen werden könne – es werden kontinuierlich paracetamol- und ibuprofenhaltigen Arzneimittel in den Markt eingeführt.

Dennoch ist deutlich erkennbar, dass u.a. die aktuell erhöhte Atemwegsinfektionsrate bei Kindern zu einem Mehrbedarf dieser Produkte führt. Dieser kann derzeit nicht im vollen Umfang kompensiert werden. Der Beirat empfiehlt daher kurzfristig die folgenden Maßnahmen:

  • Um regionalen Unterversorgungen vorzubeugen wird dringend empfohlen, eine Bevorratung, die über das Maß eines wöchentlichen Bedarfs hinausgeht zu unterlassen. Eine Bevorratung im üblichen Umfang oder darüber hinaus ist mit den aktuellen Beständen nicht realisierbar bzw. wird zu einer Unterversorgung an anderer Stelle führen. Dieser Appell richtet sich insbesondere an öffentliche Apotheken und Großhandlungen;
  • Auch die Abgabe einer festen oralen Darreichungsform sollte, unter Berücksichtigung des Alters der Patientin oder des Patienten und der Verfügbarkeit der Darreichungsform, geprüft werden. Zum einen können teilbare Tabletten unter bestimmten Bedingungen auch von kleineren Kindern ab vier Jahren eingenommen werden und zum anderen sollte Fiebersaft an Kinder ab neun Jahren ausschließlich auf Rezept abgegeben werden, wenn die Einnahme fester Darreichungsformen nicht möglich ist;
  • Zudem soll zur Kompensation auf die Fertigung von individuellen Rezepturarzneimitteln auf ärztliche Verschreibung hin in Apotheken zurückgegriffen werden. Die Krankenkassen sind angehalten, die durch diese Maßnahme entstehenden höheren Kosten zu erstatten. Auch soll dies bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Praxen gesondert berücksichtigt werden.

Dies alles sind Maßnahmen, die hoffentlich in der aktuell schwierigen Situation kurzfristig zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen können. Wir sind uns jedoch auch bewusst, dass die Problematik nicht auf Fiebersäfte beschränkt ist. Persönlich bereitet mir z.B. auch die Verfügbarkeit bestimmter Krebsarzneimitteln große Sorge. Dies macht die Notwendigkeit größerer Reformen im Arzneimittelsektor bewusst.

Unser Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erarbeitet daher gerade im Bundesgesundheitsministerium (BMG) grundsätzlich Reformvorschläge für den deutschen Generikamarkt, um dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu stärken. In diesem Bereich wurde in der Vergangenheit zu stark auf niedrige Preise in der Versorgung gesetzt. Das BMG wird hierzu kurzfristig Eckpunkte für gesetzliche Maßnahmen vorschlagen, die wir im neuen Jahr im Bundestag beraten werden.

Wichtig ist nach meiner Einschätzung letztlich auch, dass wir wieder mehr Arzneimittel in Deutschland und der EU produzieren, um unsere Versorgungsicherheit unabhängig von globalen Lieferketten zu organisieren. Insoweit haben wir uns im Koalitionsvertrag einiges vorgenommen, wozu die zuständigen Bundesministerien mittelfristig Maßnahmen erarbeiten werden.

Im Übrigen danke ich allen Apothekerinnen und Apothekern sehr, die durch ihre Flexibilität und unermüdlichen Einsatz in dieser angespannten Situation Lösungen für die Familien ermöglichen. Ihnen und Ihren Teams möchte ich hiermit ausdrücklich meine größte Wertschätzung entgegenbringen.

Mit freundlichem Gruß

Ihre
Heike Baehrens

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