Frage an Henning Otte bezüglich Innere Sicherheit

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Henning Otte
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Frage von Thomas S. •

Frage an Henning Otte von Thomas S. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Otte,

nun scheint es so, als würde die Grundgesetz-Änderung in Sachen "Bundeswehreinsatz im Innern" ad acta gelegt werden müssen.
Laut ARD und ZDF sollte die Änderung so aussehen:

"Reichen zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalls polizeiliche Mittel nicht aus, kann die Bundesregierung den Einsatz von Streitkräften mit militärischen Mitteln anordnen. Soweit es dabei zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, kann die Bundesregierung den Landesregierungen Weisungen erteilen.

Maßnahmen der Bundesregierung nach den Sätzen 1 und 2 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates im Übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben. Bei Gefahr im Verzug entscheidet der zuständige Bundesminister. Die Entscheidung der Bundesregierung ist unverzüglich nachzuholen."
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Juristisch gibt es überhaupt keinen "Unglücksfall". Nicht ein Gesetz regelt oder beschreibt, was das sein soll. Bei Naturkatastrophen (auch ein Ungklücksfall) leistet die BW bereits gute hilfe. Nur nicht mit durchgeladenen Gewehren und bewaffneten Panzern.

De facto könnte ein Minister dann also - was auch immer - zu einem Unglücksfall erklären und der Bundeswehr eigenmächtig ohne Parlament befehlen, bewaffnet gegen den/die Menschen in Deutschland vorzugehen. Ob Terroristen, Demonstranten - was auch immer. Es ist schließlich nicht klar im Text definiert.

Meine Frage besteht aus zwei Teilen hierzu.

1) wie hätten Sie persönlich Abgestimmt?
2) können Sie nachvollziehen, das viele Menschen nach solch einem Plan ganz, ganz große Fragezeichen hinter die erklärten Ziele der Regierung setzt. Geht es wirklich und ganz ernsthaft "nur" gegen Terroristen??? Dann hätte man es doch in dem Text auch so definiert. Oder irre ich?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Sievers,

vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie sich kritisch mit dem Einsatz der Bundeswehr im Innern auseinandersetzen.

Ihre Beteiligung an der sicherheitspolitischen Diskussion begrüße ich ausdrücklich und bedanke mich für Ihren Beitrag. Da ich mit Ihrer Bewertung der Situation jedoch nicht übereinstimme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Standpunkt darzulegen.
Mein Ziel und das der CDU/CSU war und ist es, einen vernetzten Heimatschutz zu schaffen, welcher im Kern die Aufgaben eines wirksamen Zivil- und Katastrophenschutzes übernimmt. Der „besonders schwere Unglücksfall“ ist nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG ein Ereignis, das infolge eines technischen Versagens oder menschlichen Verhaltens Schäden erheblichen Ausmaßes verursacht, wie beispielsweise besonders schwere Verkehrsunfälle durch Land-, Luft- oder Wasserfahrzeuge, Gebäudeeinstürze, Unglücksfälle in Verbindung mit radioaktiver Strahlung und gefährlichen Chemikalien, Explosionen. Anerkannt sind dabei ebenfalls vorsätzlich herbei geführte kriminelle Ereignisse wie z.B. Terroranschläge. Eine Naturkatastrophe ist demgegenüber ein Naturereignis, das Schäden erheblichen Ausmaßes verursacht, wie z.B. Erdbeben, Hochwasser, Unwetter, Schnee, Eis, Wald- und Großbrände. Terroristische Angriffe können also nur unter das Tatbestandsmerkmal des „besonders schweren Unglücksfalles“ subsumiert werden.
Zur Bewältigung von Großschadensereignissen wie Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder Katastrophenfällen mit biologischen, chemischen oder nuklearen Material müssen Bund und Länder zusammenwirken. Die Aufgabe der Gefahrenbekämpfung ist – im Sinne eines kooperativen Föderalismus – von allen in Frage kommenden Stellen wahrzunehmen. Die Organe, Instrument und Fähigkeiten der inneren und äußeren Sicherheit sind besser miteinander zu verzahnen. Dabei sind die zahlreichen nichtstaatlichen Organisationen und deren Fähigkeiten einzubinden. Eine adäquate Koordination zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist sicherzustellen. In besonderen Gefährdungslagen muss ein Einsatz der Bundeswehr im Innern mit ihren spezifischen Fähigkeiten im Katastrophenschutz sowie bei der Bewältigung terroristischer Gefahren ergänzend zu Länder- und Bundespolizei im Rahmen festgelegter Grenzen möglich sein. Hierfür sind klare Rechtsgrundlagen zu schaffen und Zuständigkeiten anzupassen. Für Aufgaben des Heimatschutzes, wie beispielsweise Luftraumüberwachung, Pionieraufgaben, Sanitätswesen und ABC-Abwehr, müssen aus dem Personalbestand der Bundeswehr ausreichend Soldaten zur Verfügung stehen, da diese unter allen staatlichen Institutionen für eben jene angesprochenen Bereiche die Expertise besitzen. Hierzu muss die neue Struktur der zivil-militärischen Zusammenarbeit auf Landes- und Bezirksebene mit dem Ziel eines höheren Wirkungsgrades verbessert werden. Dem Heimatschutz dient auch die Allgemeine Wehrpflicht. Gemeinsam mit den Reservisten der Bundeswehr stellen die Wehrpflichtigen ein Potenzial an qualifizierten Soldatinnen und Soldaten, die insbesondere im Heimatschutz wirken können und zudem ihren Kameradinnen und Kameraden im Auslandseinsatz den Rücken freihalten. Heimatschutz umfasst auch Aspekte der Seesicherheit und den Schutz vor möglichen terroristischen Angriffen von See. Dazu gehört die Analyse und Abwehr aller Gefahren für die Sicherheit des Schiffs- und Warenverkehrs, für die Umwelt oder für den Fischfang. Zur Abwehr terroristischer Angriffe auf und von See, für die die Mittel der Küstenwache im Einzelfall nicht ausreichen, sollte die Kooperation mit der Deutschen Marine ausgebaut werden.
Es geht, wie sie sehen, also nicht darum, die Soldaten mit fertiggeladenen Waffen gegen die eigene Bevölkerung z.B. bei Demonstrationen einzusetzen. Ganz im Gegenteil, es geht um den Fakt, dass innerhalb der Bundeswehr Kompetenzen und Materialen existieren, welche bis dato bei den oben angesprochenen Szenarien und Heimatschutzaufgaben, rein rechtlich gesehen, nicht genutzt werden können. Wie sie sicherlich wissen, ist eine Änderung des Artikels 35 des Grundgesetzes nicht zu Stande gekommen, da sich die SPD von den gemeinschaftlich geschlossenen Koalitionskompromissen zurückgezogen hat. Nichts desto trotz werde ich mich weiter für die ursprünglich mit der SPD getroffenen Vereinbarungen einsetzen, denn die Regierung muss die Bevölkerung auch dann schützen, wenn die Mittel der Polizei dazu nicht ausreichen.

Mit freundlichen Grüßen.

Henning Otte

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