Frage an Heribert Hirte bezüglich Senioren

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Heribert Hirte
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Frage von Hermann L. •

Frage an Heribert Hirte von Hermann L. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Hirte , wird der Vorschlag des Bundesgesundheitsministers den Eigenanteil in der vollstationären Pflege auf monatlich 700,00 € zu begrenzen künftig realisiert ?
Herzliche Grüße aus Rheinbach
H. L.

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Sehr geehrter Herr Lemmerz,

es ist leider richtig, dass die Eigenbeteiligung an den steigenden Kosten in der stationären Vollzeitpflege in der letzten Zeit stark angestiegen ist. Das ist in dieser Form nicht befriedigend, da haben Sie recht – jedoch müssen wir zur Einordnung auch die Hintergründe dieser Entwicklung betrachten:

Die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist je nach Bundesland und Region stark unterschiedlich. Sicherlich wissen Sie, dass die Entgelte für die Pflege (sogenannte) Pflegesätze sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung zwischen der jeweiligen stationären Pflegeeinrichtung und den Kostenträgern, d.h. den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern, in Pflegesatzvereinbarungen festgelegt werden. Die so vereinbarten Pflegesätze müssen so bemessen sein, dass eine Pflegeeinrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihre Aufwendungen für Personalkosten und Sachleistungen finanzieren und ihren Versorgungsauftrag erfüllen kann. Daher kann man aus den Ergebnissen der turnusgemäßen Verhandlungen gut die allgemeinen Preisentwicklungen sowie die Lohnentwicklungen der Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte ablesen.

Dabei schlägt sich also auch nieder, dass wir – zurecht, wie ich finde - steigende Gehälter für Pflegekräfte fordern – diese bessere Bezahlung schlägt sich auch in den Pflegesätzen nieder. Aus diesem Grund hat es beispielsweise in jüngster Zeit einen besonderen Anstieg in den Regionen gegeben, die bislang ein besonders niedriges Niveau bei der Entlohnung der Kräfte in der Altenpflege hatten.

Nun müssen wir eine Balance finden, wie wir die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in einem vertretbaren Maß halten, gleichzeitig erlaube ich mir aber auch daran zu erinnern, dass eine gute Pflege, die nur unter den geeigneten Rahmenbedingungen stattfinden kann, gerade im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist. Dies können wir nur bewerkstelligen, indem auch die Bezahlung der Pflegekräfte für diesen unerlässlichen Dienst in unserer Gesellschaft besser wird. Ich stimme Ihnen zu, dass wir hier dafür sorgen müssen, dass dies nicht über die Maßen zu finanziellen Lasten der Pflegebedürftigen gehen darf. Hier müssen wir gesetzlich nachsteuern.

Neben den Personalkosten sind für den gestiegenen Eigenanteil auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu berücksichtigen, für die der pflegebedürftige Mensch – ebenso wie es im häuslichen Umfeld der Fall wäre – selbst aufkommen muss. Unbefriedigend ist es, dass viele Pflegebedürftige mit ihrem Eigenanteil auch Teile der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen mitübernehmen müssen, die von den Bundesländern zu tragen sind. Dieser Anteil ließe sich reduzieren, wenn die Bundesländer ihrer nach § 9 SGB XI bestehenden Verpflichtung zur finanziellen Förderung der Investitionskosten nachkommen würden. Dies geschieht bislang für die vollstationäre Pflege leider nur in sechs Bundesländern.

Trotzdem möchte ich auch daran erinnern, dass wir in der letzten Zeit bereits Maßnahmen ergriffen haben. Gleichzeitig ist jedoch zu betonen, dass wir in der vergangenen Wahlperiode die Leistungen für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erheblich ausgebaut haben. Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen haben wir die Pflegeversicherung umfassend reformiert. Verbunden mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, mit dem seit Januar 2017 neben körperlichen, auch kognitive Beeinträchtigungen gleichwertig erfasst werden, können endlich auch Menschen mit dementiellen Erkrankungen angemessene Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Durch die Einführung der neuen fünf Pflegegrade können mittelfristig rund eine halbe Million Menschen überhaupt erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Zudem wurde sichergestellt, dass kein Pflegebedürftiger schlechter gestellt wird als vorher.

Genau gegenteilig sind durch die neuen Begutachtungen auf Grundlage der fünf Pflegegrade weit mehr Pflegebedürftige in die höheren Pflegegrade 4 und 5 eingestuft worden, die damit höhere Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Für Pflegebedürftige mit höheren Pflegegraden wurde zudem explizit eine Entlastung bei der Eigenbeteiligung an den Kosten der vollstationären Pflege geschaffen, da die Eigenanteile nunmehr (ab Pflegegrad 2) einrichtungseinheitlich sind, also keine höhere Eigenbeteiligung mehr anfällt, wenn eine höhere Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde. So sind mit der Einführung des einrichtungseinheitlichen Eigenanteils die finanziellen Belastungen für alle diejenigen Pflegebedürftigen gesunken, die vorher in Pflegestufe III waren, sowie für den überwiegenden Teil der Pflegebedürftigen in der vorherigen Pflegestufe II.

Ein weiterer Schritt zur Entlastung war jüngst die im Koalitionsvertrag vereinbarte und im Angehörigen-Entlastungsgesetz umgesetzte erste Entlastung von Kindern mit niedrigem Einkommen. Seit dem 1. Januar 2020 sind daher Kinder pflegebedürftiger Eltern und Eltern von volljährigen Kindern, von der Unterhaltsheranziehung bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro ausgeschlossen.

Bei alledem ist es mir auch wichtig, gegenüber Ihnen und Ihrem verständlichen Anliegen auch ehrlich zu bleiben: Wir haben bei der Einführung der Pflegeversicherung bewusst entschieden, dass die Pflegeversicherung - anders als die Kranken- und Rentenversicherung - eben keine Vollversicherung, sondern eine Teilversicherung ist. Anders wären die Beiträge vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der schönen Tatsache, dass (auch durch den medizinischen Fortschritt) die Menschen heute älter und entsprechend häufig pflegebedürftiger werden, schlicht nicht finanzierbar. Das gilt gerade auch für die kommenden Generationen. Es ist deswegen, neben den Nachbesserungen, für die Sie uns in der Politik zurecht in der Pflicht sehen, ebenfalls die Verantwortung jedes einzelnen wichtig: Wir kommen nicht umhin, dass Menschen auch privat vorsorgen und dabei vom Staat unterstützt werden. Dazu haben wir im Jahr 2013 mit dem sogenannten Pflege-Bahr eine staatlich geförderte Pflegetagegeld-Police eingeführt.

Richtig bleibt aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir nun zügig eine Lösung finden müssen, wie wir die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in einem vertretbaren Maß halten, gleichzeitig aber auch im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sicherstellen, dass wir durch angemessene Rahmenbedingungen eine gute Pflege durch qualifizierte Kräfte gewährleisten. Dies können wir nur bewerkstelligen, ich wiederhole es, indem auch die Bezahlung der hauptamtlichen Pflegekräfte für diesen unerlässlichen Dienst in unserer Gesellschaft besser wird. Als Gesetzgeber stehen wir dabei gleichzeitig in der Pflicht, diesen Grundsatzgedanken auch im Hinblick auf die künftigen Beitrags- und Ausgabenentwicklungen in der Pflegeversicherung aufrechtzuerhalten.

Vielleicht haben Sie der Presseberichterstattung entnommen, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn MdB erste Vorschläge zu einer Reform der Pflegeversicherung unterbreitet hat. Ein Vorschlag lautete dabei, die Eigenanteile für die Pflege selbst auf 700 Euro für maximal drei Jahre zu begrenzen (die Kosten der Unterkunft und Investitionen bleiben davon unbenommen). Mit diesem Vorstoß hat der Minister den Beginn der Reformdebatte eröffnet, die wir nun in den kommenden Monaten führen und dabei ausloten werden, welche Maßnahmen wir konkret umsetzen können. Ich kann Ihnen jedoch zusagen, dass wir in den kommenden Monaten mit Hochdruck an der Umsetzung dieser Aufgaben arbeiten werden.

Mit freundlichen Grüßen

Heribert Hirte