Frage an Hilde Mattheis bezüglich Gesundheit

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Hilde Mattheis
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Frage von Bernd D. •

Frage an Hilde Mattheis von Bernd D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Mattheis,

es gibt 2 zentrale Argumente gegen die Widerspruchslösung bei der Organspende:
1) Eine Spende, der man nur durch ein ausdrückliches Nein entkommt, sei keine Spende mehr.
Bitte bedenken Sie, worauf der Begriff „Organspende“ ursprünglich zielt, nämlich auf die Verhinderung von Organhandel. Wir sind sich ja alle einig, es darf niemals eine „Organbörse“ geben.
2) Die Widerspruchslösung sei ein unerträglicher Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte.
Meine Bitte: Fragen wir nicht als Erstes, ob wir Organe spenden wollen, sondern, ob wir für uns und unsere Liebsten im Ernstfall ein Organ wünschen würden!

Praktisch jeder tut das. Übrigens: Einem minderjährigen Kind kann man ein Organ durch elterliches Veto gar nicht vorenthalten, auch Zeugen Jehovas nicht. Die Ärzte erwirken sofort eine begrenzte Sorgerechtsübertragung auf das Jugendamt.

Jede Moral, die von der Rechtsgleichheit der Menschen ausgeht, fordert, anderen nicht vorzuenthalten, was man für sich und die Seinen wünscht. Kants kategorischer Imperativ stellt diese Maxime in das Zentrum der Moral, und sie ist Basis unseres Grundgesetzes.

Andererseits ist es ein hohes Menschenrecht, zu bestimmen, was mit dem toten Körper geschieht, wenn dieses Recht auch eingeschränkt ist: Es gibt kein Einspruchsrecht gegen die Obduktion bei unnatürlichem Tod.

Kranken, die keine Organe spenden wollten, darf man die Transplantation nicht verweigern. Es ist das Zentrum der ärztlichen Berufsethik, Behandlung darf niemals von Vorbehalten gegenüber dem Patienten abhängen.

Fazit: Ein Organ im Bedarfsfall haben, aber nicht geben wollen, ist nicht moralisch. Aber sowohl die Entnahme gegen den Willen des Verstorbenen als auch die Verweigerung ärztlicher Behandlung scheitern an höheren Rechtsgütern.

Was tun, in so einem moralischen Dilemma? Ist es nicht wenigstens zumutbar, dass, wer keine Organe spenden will, bei Bedarf aber selbst eines bekommt, Nein sagen muss?

Freundliche Grüße B. M.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur Organspende.

In der Frage zur Organspende debattieren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages anhand ethischer und rechtlicher Erwägungen. Fragen, was moralisch richtig und was nicht ist, spielen dabei sicher auch für jeden einzelnen Abgeordneten eine Rolle, sind aber nicht allgemeingültig und verbindlich zu klären oder zu beantworten. Das heißt auch, dass ein moralisches Dilemma, welches Sie beschreiben, für andere kein Dilemma ist.

Wer keine Organe spenden will, musst selbst für sich entscheiden, ob er im Notfall selbst eines erhalten will oder nicht. Ich sehe hier keinen Grund, dies einzuschränken. Wichtig ist, dass jeder Patient – unabhängig seiner Einstellung zur Organspende – bei Transplantation gleich behandelt wird und keine Abstufungen in der Warteliste o.ä. vorgenommen werden. Ich hielte ein solches Vorgehen für rechtlich unvereinbar mit dem §323c Strafgesetzbuch (unterlassene Hilfeleistung) und ethisch unvereinbar mit dem Genfer Gelöbnis für Ärzte (Hippokratischer Eid), der als oberstes Gebot des ärztlichen Handelns die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten betont. Wenn dem widersprechend nun Behandlungen nur noch denen zugutekommen sollen, die ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, hielte ich das für eine sehr bedenkliche Entwicklung, da dies Tür und Tor öffnet für eine politisch motivierte Medizin.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Mattheis, MdB