Frage an Hilde Mattheis bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Hilde Mattheis
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Frage an Hilde Mattheis von Steffen B. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrte Frau Mattheis,

unser Steuerrecht muss nach übereinstimmender Meinung reformiert werden. Welche Teile der Vorschläge der Sachverständigen würde die SPD im Falle eines Wahlsieges umsetzen?

Mit freundlichen Grüßen,

Steffen Brock

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Sehr geehrter Herr Brock,

vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Bemerkung „...Steuerrecht muss nach übereinstimmender Meinung reformiert werden“ ist insofern zutreffend, als jedes Steuerrecht einem ständigen Wandlungsprozess unterliegt. Das ist unter anderem die Folge von steuerrechtlichen Entwicklungen in Europa, von der Bildung neuer Konzernstrukturen in Kombination mit neuen Rechtsformen oder auch von neuen Produkten am Finanzplatz. Das ist aber auch die Folge eines ungezügelten Bestrebens einiger Menschen, häufig Manager, sich ihren Pflichten gegenüber den Gesellschaften zu entziehen, den kurzfristigen Ertrag über alles zu stellen.

Um diese Antwort in ihrer Länge zu begrenzen, enthält nachfolgende Passage einige Fachbegriffe, deren genaueren Definitionen ich Sie bitten möchte auf der website des Bundesfinanzministeriums nachzusehen oder auch auf der website meines Bundestagskollegen Lothar Binding, der sich mit Steuerfragen intensiver befasst. Abgesehen von oben angedeuteten ständigen Reformnotwendigkeiten, wurden die wichtigsten Reformen Richtung Systemumstellung im Steuerrecht in den vergangen Jahren schon durchgeführt: Übergang von der Vollanrechnung zum Halbeinkünfteverfahren, Einführung einer Definitivsteuer für Körperschaften, Einführung einer Mindestgewinnbesteuerung, Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer bei Personengesellschaften, Abschaffung von vielen steuerlichen Ausnahmen, oft Schlupflöcher genannt, Neureglungen im Einkommensteuerrecht und die Familienförderung. Zentral ist dabei auch die Senkung der Einkommenssteuer, in der sowohl der Eingangs-, als auch der Spitzensteuersatz verringert wurden und der Grundfreibetrag angehoben wurde, um vor allem untere und mittlere Einkommensschichten und Familien zu stärken.

Einen wichtigen Aspekt der Weiterentwicklung im Unternehmensteuerbereich hat auch die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft der Seniorinnen und Senioren Baden-Württembergs aufgegriffen, den ich nachfolgend zitiere:

Antrag:
Die Landtagsfraktion wird aufgefordert einen Gesetzesentwurf zur "Einrichtung einer Bundessteuerverwaltung" einzubringen, den Baden-Württemberg zur Beschlussfassung im Bundesrat vorlegt.

Begründung
Großbetriebe bzw. Konzerne, insbesondere mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen haben z.B. durch internationale Verschachtelung und durch "das Instrument" der Verrechnungspreise durch Gewinnverlagerung einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Steuern zu sparen. Entsprechende gesetzliche Regelungen, etwa die Begrenzung der Gewinnverlagerung, durch eine vor drei Jahren eingeführte Dokumentationspflicht, stoßen gegenwärtig aufgrund von Vollzugsdefiziten an ihre Grenzen.

Mit diesem Antrag soll insbesondere solchen grenzüberschreitenden Gestaltungen bzw. Steuersparmodellen durch eine effizientere Betriebsprüfung begegnet werden, die bislang aufgrund länderspezifischer Sonderbehandlungen oder weil Prüfkapazitäten in den Ländern nicht verfügbar sind, zum Teil scheiterte.

Der Vollzug in der Betriebsprüfung muss verbessert werden und ergänzend zu den Prüforganen der Länder erfordert dies die Konzentration bestimmter Prüfungsfelder auf Bundesebene um gravierenden Prüfungsdefiziten zu begegnen. Soweit der Antrag, der in 2005 beschlossen wurde.

Zur Vereinfachung des SteuerSYSTEMS arbeiten wir künftig – das ist einer der von Ihnen erwähnten Vorschläge der Sachverständigen – an einer rechtsformneutralen Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Wir denken dabei an die „dual income tax“. Durch eine rechtsform- und finanzierungsneutrale Unternehmenssteuer sollen die Betriebe künftig einheitlich besteuert werden. Die Gewerbesteuer als kommunale Steuer bleibt erhalten. Ich will weder den Stufentarif von CDU/CSU noch die einheitliche Kopfsteuer – flat tax – der FDP.

Mit der Abschaffung von Steuersondertatbeständen im Unternehmensbereich einhergehend wollen wir den Körperschaftsteuersatz auf 19% bringen um einen in Europa im Mittelfeld angesiedelten SteuerSATZ zu haben. Die SteuerZAHLUNG der Unternehmen soll durch die Satzsenkung nicht sinken.

Diese Maßnahmen sind zukünftig möglich, weil wir allgemein in der Steuerpolitik in den vergangen Jahren vieles zum Positiven bewegten konnten. Nicht zu vergessen die erwähnte Abschaffung von Schlupflöchern, die im Regelfall noch bis 1998 jedenfalls nicht von den „Armen“ genutzt wurden, meine ich. Das Steuerrecht wurde also schon einfacher, verständlicher und vor allem gerechter.

Dies, mit der Erkenntnis, das wir in Deutschland die Binnennachfrage stärken möchten – leider finden sich gegenwärtig viele Steuersenkungen für die Bürger in der Sparquote von über 10% wieder – erklärt schnell, warum ich eine ziellose Erhöhung der Mehrwertsteuer für falsch halte. Außerdem gefährdet die Anhebung der MWSt Arbeitsplätze, da der Einzelhandel von einem Rückgang des Konsums schwer getroffen würde und sich die Leistungen des Handwerks verteuerten, was Auftraggeber abschrecken würde. Insbesondere Rentner, Studenten und Arbeitslose wären betroffen, denn sie können die Erhöhung nicht über die angedachten Lohnnebenkostensenkung kompensieren. Außerdem ist fraglich, wie die Lohnnebenkosten überhaupt konkret gesenkt werden sollen ohne die Sozialsysteme – beispielsweise mit der dramatischen Kürzung bei der Arbeitslosenversicherung – durch fehlende Einnahmen dauerhaft zu schädigen.

Last but not least, gilt es künftig auch über die Bewertungsgesetzte im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer nachzudenken. Ich zitiere nachfolgend einen weiteren Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Seniorinnen und Senioren Baden-Württembergs der in diesem Jahr beschlossen wurde:

Antrag:
Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert in Abstimmung mit den Ländern einen Gesetzesentwurf zur "Gerechten Besteuerung bei der Vermögensweitergabe" mit folgenden Hauptelementen einzubringen:

1. Marktorientierte Bewertung des Vermögens
2. Freistellung kleiner Vermögen
3. Gleichbehandlung von Personenunternehmen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften
4. Freistellung kleiner und mittlerer Unternehmen.
5. Großzügige Stundungsregelungen zu Sicherung der Fortführung des Unternehmens

Zu 1.: Statt der bisherigen marktfernen Bewertung, werden so künftig die aktualisierten Verkehrswerte des Grundbesitzes als Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungssteuer dienen.

Zu 3.: Statt der bisherigen Unterscheidung: Vererbung nach Buchwerten bei den Personengesellschaften, nach dem gemeinen Wert bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, findet ein einheitliches Verfahren und eine einheitliche Besteuerung statt um die stillen Reserven, die ein beträchtliches Vermögenspotential darstellen, in der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu berücksichtigen.

Begründung:
Bewertung von Besitz
Ein wichtiger Grund, warum die Einnahmen aus z.B. der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungssteuer, heute so gering sind, liegt in einem veralteten Bewertungsrecht. Ziel des Antrags ist es, bisher unterbewertete Vermögen – bebaute und nicht bebaute Grundstücke, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Betriebsvermögen – marktorientiert zu bewerten und damit das Bewertungsrecht zu modernisieren.

Die Bewertung von unbebauten Grundstücken rekurriert auf Bodenrichtwerte, bei bebauten Grundstücken findet das Ertragswertverfahren Anwendung. Im Durchschnitt werden bei diesen Verfahren Vermögenswerte ermittelt, die weit unter den Verkehrswerten liegen.

Mit der Realisierung dieses Vorschlags würde die Wiedereinführung der Vermögensteuer entbehrlich und die Erbschaftsteuer an der realen Wertentwicklung orientiert. Die Erbschaftsteuer wird so für die Steuerzahler gerechter und die Gesellschaft ertragreicher, ohne die vermögenden Steuerzahler bzw. Erben, wie sich im Vergleich mit vielen anderen Ländern zeigt, über Gebühr zu belasten. Soweit der Antrag.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Antwort weiterhilft und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ihre Hilde Mattheis, MdB