Frage an Hubertus Heil bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Stefan M. •

Frage an Hubertus Heil von Stefan M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Heil,

als SPD-Generalsekretär sind Sie auch mit strategischen Aufgaben in Ihrer Partei betraut. Gestatten Sie mir also die folgende - hypothetische und zugegebenermaßen notwendig vereinfachende - Frage:

Stellen Sie sich vor, der SPD fehlt genau eine einzige Stimme zur absoluten Mehrheit im Bundestag und irgendwelche mysteriösen Umstände erlauben Ihnen nur noch eine einzige Person anzusprechen und um deren Stimme zu werben. Können Sie sich einmal in Ihrer Phantasie ausmalen, wer das konkret sein würde? In welchen Lebensumständen wäre diese Person, würde sie in Rente sein, arbeiten, lernen oder ...? Wo würde sie dies tun? Was würden Sie dieser Person sagen, damit jene Sie wählt?

Oder anders gefragt: Wen konkret sehen Sie als Hauptzielgruppe der SPD und was möchten Sie für diese Zielgruppe erreichen? Ich weiß, dass es Ziel der Politik sein muss, möglichst breite Bevölkerungsschichten anzusprechen, weshalb die logische Antwort "alle" wäre. Dennoch bitte ich Sie, sich auf eine Gruppe einmal zu fokussieren und ein möglichst genaues und personifiziertes Bild zu zeichnen.

Vielen Dank.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de. Die Antwort auf
die Frage nach der Hauptbotschaft der SPD findet sich im Grundsatzprogramm.

Die deutsche Sozialdemokratie, die älteste demokratische Partei in Deutschland, war immer Teil einer internationalen Freiheitsbewegung. Nach ihrer Gründung war sie beides: Emanzipationsbewegung der Arbeiter und Demokratiebewegung, die den Obrigkeitsstaat überwinden sollte. Sie war es, die in Deutschland die Ideen der Französischen Revolution und der Revolution von 1848 weiterführte. Demokratiegeschichte ist in Deutschland von der Geschichte der Sozialdemokratie nicht zu trennen. Sie hat Freiheitsrechte und Demokratie erstritten, das Frauenwahlrecht erkämpft, sich jeder Diktatur widersetzt. Sie hat schon früh die Gefahr des Nationalsozialismus erkannt und im Reichstag das Ermächtigungsgesetz abgelehnt.

Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten leisteten Widerstand und wurden Opfer des NS-Terrors. Der Wille zur Freiheit machte den Bruch mit den Kommunisten unausweichlich. Die Wiedergründung der Sozialdemokratie in der DDR war ein Signal für die Freiheit. Die Sozialdemokratie entstand als Teil der Arbeiterbewegung. Sie hat Arbeiterrechte erstritten, den Sozialstaat ausgebaut und zusammen mit den Gewerkschaften aus verachteten Proletarierinnen und Proletariern gleichberechtigte und selbstbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemacht.

Die Sozialdemokratie war von Anbeginn die Demokratiepartei. Sie hat die politische Kultur unseres Landes entscheidend geprägt. In ihr arbeiten Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft, verschiedener religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammen. Sie verstehen sich seit dem Godesberger Programm von 1959 als linke Volkspartei, die ihre Wurzeln in Judentum und Christentum, Humanismus und Aufklärung, marxistischer Gesellschaftsanalyse und den Erfahrungen der Arbeiterbewegung hat. Die linke Volkspartei verdankt wichtige Impulse der Frauenbewegung und den neuen sozialen Bewegungen.

Was uns eint, ist die Überzeugung, dass die Gesellschaft gestaltbar ist und nicht vor dem blinden Wirken der kapitalistischen Globalisierung kapitulieren muss. Und was uns eint, ist die historische Erfahrung, dass sozialdemokratische Politik nur erfolgreich sein kann, wenn sie verbunden ist mit dem demokratischen Engagement der Menschen in den Gewerkschaften, den Friedens-, Frauen-, Umwelt-, Bürgerrechts-, Eine-Welt- und globalisierungskritischen Bewegungen und Netzwerken. Die SPD fühlt sich diesen Bewegungen auch in Zukunft verbunden.

Bei der Frage nach einer konkreten Zielgruppe einer Volkspartei haben Sie Ihre Frage, wie auch schon vermutet, natürlich selbst beantwortet. Aber ich möchte noch ein wenig zuspitzen: Wir wollen eine solidarische Bürgergesellschaft, eine Kultur des Respekts und der Anerkennung und einen handlungsfähigen demokratischen Staat. Wir wollen die solidarische Mehrheit für unsere Politik gewinnen. Die solidarische Mehrheit sind diejenigen, die bereit sind, etwas zu leisten und für sich selbst und andere Verantwortung zu übernehmen. Die solidarische Mehrheit ist keine Schicht oder Klasse. Sie lässt sich nicht an der Einkommenshöhe oder dem Berufsstatus erkennen. Es sind die Menschen, die sich gegen die Vorstellung einer auseinanderdriftenden Gesellschaft wehren. Was sie eint, ist der Wunsch nach einer sozial gerechten Gesellschaft und einer leistungsfähigen Wirtschaft. Wir werben um Unterstützung und ermutigen zur Mitarbeit, bei allen, die sich mit unseren Zielen identifizieren können.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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