Sehr geehrter Herr Schneider,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie mich bitten, zum Thema Abschiebungen nach Afghanistan Stellung zu beziehen.

In Deutschland wird der Schutz vor politischer Verfolgung eines Menschen vom Grundgesetz gewährt. Das ist absolut richtig und auch gut so. Völlig unverständlich war und ist für mich, aber auch für viele Bürger, allerdings die Tatsache, dass Menschen, denen wir in unserem Land solidarisch Schutz gewähren und ihnen die Möglichkeit bieten, hier nach unseren demokratischen und freiheitlichen Prinzipien zu leben, teilweise schwere Straftaten begehen. An dieser Stelle gilt es im Einzelfall abzuwägen, wie der Schutz der straffälligen Person und seine Auffassung, sein Leben hier zu gestalten, im Verhältnis zum Schutz der ebenfalls hier lebenden Bürger dieses Landes, die vom Staat vor Straftaten zu schützen sind, stehen.

Bei Menschen, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, wurde auf Grund der in Afghanistan vorherrschenden Lage seit Jahren keine Abschiebung durchgeführt. Nach meiner Auffassung ist aber die in der Vergangenheit ausgeübte Praxis, verurteilte Straftäter mit afghanischer Staatsbürgerschaft wieder nach Afghanistan abzuschieben, richtig gewesen.

Aktuell überschlagen sich die Ereignisse in Afghanistan. Die Taliban haben nach dem Abzug der NATO-Truppen das Land fast vollständig wieder in ihre Gewalt gebracht. In dieser Lage Menschen, auch wenn sie straffällig geworden sein mögen, nach Afghanistan abzuschieben, halte ich jetzt für unverantwortlich und auch mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Dies sieht im Übrigen auch meine Fraktion so. Bereits vergangene Woche hat der Bundesminister des Innern Horst Seehofer entschieden, dass aktuell keine Abschiebungen mehr nach Afghanistan stattfinden werden.

Mit besten Grüßen 
Ingo Wellenreuther