Frage an Ingrid Nestle bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ingrid Nestle
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Frage von Tjorge M. •

Frage an Ingrid Nestle von Tjorge M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Abgeordnete hier meine Frage

Wie stehen sie zur Afd und wie wollen sie sie wieder aus dem Bundestag bekommen

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Auf den ersten Blick ist die AfD eine Reaktion auf eine Hilflosigkeit der Politik angesichts einiger globaler Entwicklungen wie der Digitalisierung, der Macht der Großkonzerne und der Klimakrise, die in der Tat Anlass zur Sorge geben.

Meiner Wahrnehmung nach ist die AfD in Wirklichkeit aber eine Partei, die - obwohl sie etwas anderes vorgibt - sehr intensiv die Interessen der Reichen vertritt. Sehen kann man das zum Beispiel an ihren Positionen in der Steuerpolitik: Ablehnen der Vermögenssteuer und Abschaffen der Erbschaftssteuer stehen im Wahlprogramm.

Sehen kann man das auch im Hinblick auf mein politisches Herzensthema: dem Kampf gegen die Klimakrise. Die Leugnung der Klimakrise ist eine typische Position, die jahrelang von einigen der größten und reichsten Konzerne der Welt aktiv gegen die gesamte seriöse Wissenschaft mit gekauften Studien und teuer bezahltem Einfluss auf einige Medien verbreitet wurde.

Ich bin der Meinung, dass einige Politiker*innen der AfD versuchen, dies zu kaschieren, indem Menschen und Strukturen zum Sündenbock gemacht werden, die sich dagegen schlecht wehren können, aber vielen Menschen fremd sind. Zu Beginn war das Europa, jetzt sind es vor allem vor Krieg Geflüchtete. Letztlich versuchen viele AfDler den Blick derer, die sich in Deutschland teils zu recht benachteiligt fühlen, von den wahren Ursachen der Benachteiligung abzulenken.

Frappierend finde ich auch, wie die AfD sich jeder wissenschaftlichen Bewertung von Sachthemen entzieht, damit eine rein emotionale Politik verfolgt und auch Widersprüche in der eigenen Position nicht als störend zu empfinden erscheint – so beispielsweise am 08.06.18 in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages zur Gemeinsamen Agrarpolitik. Dort bezeichnete AfD-Redner Kay Gottschalk die Ergebnisse der sogenannten "Krefelder Studie", welche einen Rückgang der Insektenmasse in Deutschland um 75% in den letzten 27 Jahren nachweisen konnte, als "Knebelungsoffensive" und "hoch fragwürdig". Damit stellte er nicht nur seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage. Er widersprach dabei auch seiner Fraktionskollegin Franziska Gminder, die zuvor in derselben Debatte das Insektensterben beklagt hatte. Nachzulesen ist der Vorgang im Plenarprotokoll der Sitzung, welches Sie hier finden: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19037.pdf#P.3646

Sehr schematisch ist das Auftreten der AfD: Am Anfang steht immer die Provokation. Wenn man darauf reagiert, inszenieren sie sich sofort als Opfer. Reagiert man nicht, wird die Schadenfreude sichtbar, dass sie wieder Diskurslinien verschoben haben.

Sie haben damit einigen Erfolg, auch weil manche Debatten bisher vielleicht nicht offen genug geführt worden sind und Menschen sich deshalb nicht ernst genommen fühlten. Hier müssen die Politik und vor allem auch wir Grünen besser werden. Außerdem hoffe ich, dass es uns künftig noch stärker gelingt, die Debatte durch die schlichte Überprüfung von Fakten zu versachlichen. Helfen kann jeder, indem er oder sie sich nicht nur über Social Media politisch informiert, sondern seriös recherchierte Infos sucht und kritisch hinterfragt.

Mit freundlichen Grüßen,

Ingrid Nestle

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