Frage an Irene Mihalic bezüglich Soziale Sicherung

Irene Mihalic
Irene Mihalic
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Siegfried S. •

Frage an Irene Mihalic von Siegfried S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Mihalic,

aufgrund des von rot/grün eingeführten Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) wurden die vor Einführung des Gesetzes beitragsfreien Auszahlungen aus Kapitallebensversicherungen ( hier Direktversicherung ) ohne Bestandsschutz der Altverträge kurzerhand den Betriebsrenten und Versorgungsbezügen gleichgestellt! Rund 18 Prozent der Auszahlungssumme (Kapitalzahlung ) werden bei Fälligkeit und in der Regel parallel zum Renteneintritt über einen Zeitraum von 10 Jahren und im Rahmen einer nachgelagerten Verbeitragung (KV und Pfl.-Versicherung ) abgezogen! Dabei werden die monatlichen Beiträge - je nach Beitragsentwicklung - auch noch dynamisiert! (aus z.B. 60 Euro werden im Laufe der Zeit 65 Euro mtl. )
Ich empfinde diese nachgelagerte Verbeitragung als zutiefst ungerecht, sie steht übrigens auch gegen das politische Ziel aller Parteien, dass sich die Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrer zu erwartenden Rente absichern sollen ! Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde für den Bereich der Privatversicherten gebrochen, sie zahlen weder Beiträge zur Betriebsrente, noch auf betrieblich abgeschlossene Verträge ! Sehen sie als Abgeordnete eine Möglichkeit - dieses Thema erneut im Deutschen Bundestag einzubringen um diese Ungerechtigkeit durch eine Gesetzesnovelle abzustellen !?

Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Schmitz

Irene Mihalic
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmitz,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Direktversicherung. Die von Ihnen kritisierte Regelung geht zurück auf die Gesundheitsreform 2004. Ich selber bin erst seit 2013 Mitglied das Bundestages für meine Partei Bündnis 90/ Die Grünen und hier für den Bereich Innenpolitik/innere Sicherheit zuständig. Daher sehen Sie es mir bitte nach, dass die Beantwortung Ihrer Frage ein paar Tage in Anspruch nahm, da ich mich hierzu erst bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich Gesundheitspolitik kundig machen musste. Gerne gebe ich Ihnen hiermit die Einschätzung zu dieser Problematik weiter:

Zu der benannten Neuregelung hat es in den nachfolgenden Jahren verschiedene Klagen gegeben, die bis vor das Bundesverfassungsgericht gegangen sind. In diesen Verfahren haben die Karlsruher Richterinnen und Richter jeweils entschieden, dass die Ausweitung der Beitragspflicht einschließlich der auf die einmalig ausgezahlten Lebensversicherungen bis auf wenige Ausnahmen rechtens ist. Auch das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip sei nicht verletzt worden.

Neben der Bestätigung durch die Gerichte ist aber natürlich die Frage wichtig, ob diese Regeln als „gerechter“ empfunden werden als die bis dahin geltenden Regelungen. Wir würden diese Frage auch in der Rückschau grundsätzlich mit einem „Ja“ beantworten. Zum einen, weil die Rechtsänderung im Hinblick auf die Direktversicherungen zu mehr Beitragsgerechtigkeit zwischen älteren und jüngeren Versicherten geführt hat. Aber auch, weil in der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz gilt, dass die Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zu dieser Leistungsfähigkeit tragen aber auch die Bezüge bei, die Versicherte neben ihren Renteneinkommen erhalten.

Trotzdem sind die beschlossenen Regelungen nicht komplett befriedigend. Unbefriedigend sind diese Regelungen auch deshalb, weil Beiträge zur Altersversorgung nach wie vor völlig unterschiedlich behandelt werden. So sind Beiträge, die der Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung zahlt, bis zu einer bestimmten Grenze beitragsfrei. Das gleiche gilt für Beiträge, die der Arbeitnehmer im Wege der Entgeltumwandlung aus seinem Bruttoentgelt zahlt. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, die der Arbeitnehmer hingegen aus seinem Nettoeinkommen zahlt, sind hingegen nicht beitragsfrei. Beiträge des Arbeitnehmers für eine private Altersversorgung sind hingegen wiederum beitragsfrei.

Das Durcheinander geht weiter in dem Moment, wenn es im Alter zur Auszahlung der angesparten Beiträge kommt. Auch hier werden Rentner völlig unterschiedlich behandelt, je nachdem um welche Einkunftsarten es sich handelt. Auf Einkünfte aus Direktversicherungen müssen in der Regel Beiträge gezahlt werden, aber auch hiervon gibt es Ausnahmen. Auf Erträge aus privater Altersversorgung hingegen müssen keine Beiträge gezahlt werden.

Dass ein solches Kuddelmuddel bei den Betroffenen die Zustimmung zu der Regelung nicht erhöht, ist nachvollziehbar. Hier müssen wir für eine gleichmäßige und damit für die Betroffenen auch eher nachvollziehbare beitragsrechtliche Behandlung sorgen. Daher muss dringend geprüft werden, wie Versicherte, die Beiträge auf die Einkünfte ihrer Direktversicherung zahlen müssen, bei der Tragung dieser Beiträge unterstützt werden können.

Prinzipiell ist aus unserer Sicht eine Einbeziehung aller Einkommensarten notwendig. Das heißt, dass nicht nur Einkommen aus Arbeit, sondern auch Erträge etwa aus Aktien oder Immobiliengewinnen zur Finanzierung unseres Gesundheitswesens beitragen sollen. Es kann nicht sein, dass die Lasten ausschließlich durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen oder mittleren Einkommen getragen werden.
Übergangsbestimmungen sind selbstverständlich notwendig. Gerade weil eine Umstellung für viele Veränderungen mit sich bringen würde, sind Vertrauensschutz-Regelungen unabdingbar. Dafür erarbeiten wir derzeit Konzepte.

Mit freundlichen Grüßen
Irene Mihalic

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