Frage an Jan Korte bezüglich Menschenrechte

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Jan Korte
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Frage von Ulrich M. •

Frage an Jan Korte von Ulrich M. bezüglich Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Korte,

die bisherigen Corona-Maßnahmen sind absolut unverhältnismäßig und der Entwurf zur Verschärfung des IfSG ist grundgesetzwidrig. Wenn Sie sich daran beteiligen, dies im deutschen Bundestag zu verabschieden, machen Sie sich strafbar und werden große Teile des Volks gegen sich haben. Würden Sie mir bitte mitteilen, wie Sie zu diesem Gesetzesentwurf stehen?

Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Matthaei

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/S/Entwurf_Zweites_Gesetz_zum_Schutz_der_Bevoelkerung_bei_einer_epidemischen_Lage_von_nationaler_Tragweite.pdf

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Matthaei,

vielen Dank für Ihre Frage. Der deutsche Staat hat zur Umsetzung seiner Schutzpflicht einschneidende Eingriffe in nahezu alle Grundrechte vorgenommen. Pauschal lässt sich hierbei unterscheiden in Eingriffe in individuelle Freiheitsrechte (Selbstbestimmung, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Freizügigkeit, Asylrecht) und in Wirtschaftsfreiheiten (Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie). Zudem fanden und finden Eingriffe etwa in das Recht auf Bildung durch Schul- und Kitaschließungen statt.

Mit Blick auf die individuellen Freiheiten gilt: Hier muss soweit wie möglich praktische Konkordanz (die bestmögliche Entfaltung aller in Rede stehenden Grundrechte; keine einseitige Entfaltung eines Grundrechts auf Kosten anderer) hergestellt werden. Es müssen Wege gefunden werden, wie die individuellen Freiheitsrechte trotz der Gesundheitsgefahren durch das Coronavirus zur Geltung gebracht werde können. Eine besondere Rolle spielt hier die Möglichkeit staatlicher Auflagen für die Wahrnehmung individueller Freiheitsrechte.

Problematisch wird es, wenn Einschränkungen der individuellen Freiheiten bestehen bleiben, aber Einschränkungen der Wirtschaftsgrundrechte zurückgenommen werden. Wenn also um der Wirtschaft Willen andere Freiheitsrechte beschnitten werden, damit das Untermaßverbot (Verbot der Unterschreitung eines Mindestmaßes an Grundrechtsgewährleistung) beim Schutz von Leben und Gesundheit nicht verletzt wird. Hiergegen hat sich DIE LINKE klar positioniert. Genauso hat sich DIE LINKE dafür eingesetzt, dass zuerst die Einschränkungen der individuellen Freiheiten gelockert werden, bevor an eine „Rückkehr zur Normalität“ hinsichtlich der Einschränkungen für die Wirtschaftsgrundrechte gedacht wird.

Das zweite Bevölkerungsschutzgesetz ('Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite') habe ich, wie meine gesamte Fraktion, abgelehnt. Auch, wenn der geplante Immunitätsnachweis bzw. Corona-Pass nach Protest gestrichen wurde, bleibt das Gesetz problematisch. Corona-bedingte Einschränkungen von Grundrechten sollten aus linker Sicht nur zur Not, streng befristet und kontrolliert erfolgen. Das Gesetz sieht das leider nicht so eng. Auch ist Spahns Paket offen für Verordnungsermächtigungen, die parlamentarische Kontrollmöglichkeiten schwächen. Abzulehnen ist außerdem, dass die Corona-Kosten auf Krankenversicherungsbeiträge gepackt werden, da haben sie nichts zu suchen. Wir werden genau beobachten, dass akut vollzogene Einschränkungen kein Eigenleben entwickeln und nicht über Pandemie-Zeiten hinaus gelten.

Zum Schluss möchte ich Sie, angesichts der völlig unverantwortlichen Demonstrationen von Gegnern der Corona-Eindämmungsmaßnahmen, auf folgenden elementaren Sachverhalt hinweisen:

Eine ungestoppte Pandemiewelle hätte zu Zehntausenden Toten und darüber hinaus auch zu einem Kollaps des gesellschaftlichen Lebens geführt, der viel heftiger wäre als alle staatlichen Maßnahmen. Denn wenn Millionen gleichzeitig erkranken, sind die Läden auch ohne Verbote geschlossen. Nur wenn einem schnelle (eigene) Profite wichtiger sind als Menschenleben und Gesellschaft, protestiert man für eine vorschnelle Aufhebung der Hygiene-Regelungen und Corona-Maßnahmen. Den sozialen und gesundheitlichen Grundrechten ist in der Abwägung der Vorrang vor den wirtschaftlichen Grundrechten zu gewähren. Orientiert an Art. 20 Abs. 1 GG hat der Staat die Pflicht, die ökonomischen Folgen der Coronakrise bzw. der Folgen des Lockdowns für die Bevölkerung auszugleichen oder zumindest abzumildern.

Mit besten Grüßen
Jan Korte

 

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