Frage an Jens Lehmann bezüglich Familie

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Jens Lehmann
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Frage von Thomas H. •

Frage an Jens Lehmann von Thomas H. bezüglich Familie

Wann wird die UN Resolution 2079 in Deutschland umgesetzt? Wieso wird in Deutschland so lange und hart um das Kind gestritten und einem Elternteil entzogen obwohl es gern am Leben des Kindes / Erziehung / Bildung teilhaben möchte?

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Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht zu sorgerechtlichen Fragen und möglichem Reformbedarf. Uns ist bewusst, dass sich die Lebenswirklichkeit der Familien in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt hat – dies gilt insbesondere für die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für gemeinsame Kinder nach einer Trennung der Eltern. Väter wie Sie wollen auch nach der Trennung Verantwortung für das Kind übernehmen und möglichst viel Zeit mit ihm verbringen. Auch ich bin davon überzeugt, dass es für die Kinder in aller Regel am besten ist, wenn beide Elternteile gemeinsam Verantwortung für deren Erziehung und Entwicklung übernehmen. Kinder sollten auch nach einer Trennung der Eltern möglichst eng mit beiden Elternteilen verbunden bleiben.

Deshalb enthält der Koalitionsvertrag folgende Passage: "Zumeist wollen beide Elternteile nach Trennung und Scheidung intensiv in die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder eingebunden bleiben. Dies wollen wir bei Umgang und Unterhalt stärker berücksichtigen, wenn die Eltern sich einig sind oder Gründe des Kindeswohls vorliegen. Dabei muss das Kindeswohl stets im Mittelpunkt stehen. Wir prüfen, inwieweit Unterhaltsbedarf und Selbstbehalt verbindlich geregelt werden könnten."

Auch nach unserer Überzeugung wird die gemeinsame Sorge am besten im sogenannten Wechselmodell verwirklicht. Die damit verbundene geteilte Sorge der beiden Elternteile darf jedoch kein Selbstzweck sein. Wirklich „fair“ kann eine Lösung nur sein, wenn sie für das beteiligte Kind die richtige ist. Bei den erforderlichen Änderungen im Familienrecht müssen wir also darauf achten, dass die gesetzlichen Bestimmungen in allererster Linie auf das Kindeswohl ausgerichtet sind. Dieser zwingenden Betrachtung des Einzelfalls würde ein gesetzliches Leitbild, ein „im Zweifel“ anzuordnendes Wechselmodell, nach unserer Überzeugung nicht gerecht werden.

Das bedeutet gleichwohl nicht, dass die Fälle seiner Anwendung rückläufig wären. Das Wechselmodell wird bereits heute selbst im Streitfall gerichtlich angeordnet, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Insofern wird es in der Praxis der Familien nach einer Trennung bereits in vielen Fällen gelebt. Der Bundesgerichtshof hat auch für den Fall des Streits um das Umgangsrecht klargestellt, dass es selbst bei fehlender Zustimmung eines Elternteils keinen Automatismus gibt, der ein Wechselmodell ausschließt. In der Praxis ist es freilich schwierig, den wechselnden Umgang mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringen, wenn dies von einer Seite abgelehnt wird. Der Blick in die Rechtsprechung zeigt aber, dass sich die Familiengerichte sehr differenziert mit dem jeweiligen Einzelfall auseinandersetzen und keine schematischen Lösungen vorgeben. Ihre Bitte, dass alle Kinder auch nach Trennung der Eltern zu jeder Zeit Umgang mit beiden Elternteilen haben sollen, lässt sich in vielen Einzelfällen bereits heute verwirklichen. Dennoch muss das Kindeswohl der Maßstab zur Beantwortung der Frage sein, ob ein solches Sorge- und Umgangsmodell im Einzelfall das Beste für das betroffene Kind ist.

Auch mit Blick auf die damit zusammenhängenden Fragen des Unterhaltsrechts gibt es keine einfachen Lösungen. Wir wollen dafür sorgen, dass bei Eltern, die sich die Fürsorge für das gemeinsame Kind teilen, der tatsächliche Aufwand zu den Unterhaltspflichten stärker ins Verhältnis gesetzt werden kann. Dafür werden wir sämtliche Wechselwirkungen zwischen den Rechtsgebieten betrachten müssen. Entsprechende Reformen werden daher nicht auf die Schnelle umzusetzen sein.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, dass wir die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern und Eltern nach Trennung sehr ernst nehmen und versuchen, zu angemessenen Lösungen für die familienrechtliche Praxis zu kommen. Gesetzliche Leitbilder werden der vielfältigen Lebenswirklichkeit dabei aus unserer Sicht nicht gerecht.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Jens Lehmann

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