Frage an Johannes Kahrs bezüglich Gesundheit

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Johannes Kahrs
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Frage von Gabi T. •

Frage an Johannes Kahrs von Gabi T. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Kahrs,

zu Ihrer Antwort v. 01.03. möchte ich wie folgt Stellung nehmen.

1. Ich erhielt keine Antwort auf meine Frage wo wir chronisch Kranken Verbesserungen haben.
2. Wie stehen Sie dazu, das Menschen sterben müssen, weil Ihnen nachweislich helfende Therapien vorenthalten werden?
3. Schon heute, ohne die neue Reform werden Patient/innen insbesondere teuere Medikamente vorenthalten bzw. wurden sogar aus dem Leistungskatalog gestrichen.
4. Was ist daran gut, wenn mein Arzt von einem zweiten Überprüft wird, ob das Medikament für mich auch angebracht ist. In der Regel wird der 2. Arzt den Patienten gar nicht kennen.
5. Ihre Anmerkung, das nun jeder in Deutschland eine Krankenversicherung haben muss wäre einmalig in unserer Geschichte. In früheren Zeiten konnte jeder zum Arzt - war er/sie nicht versichert sprang das Sozialamt ein. Es war also niemand von einer ärztlichen Behandlung ausgeschlossen.

Herr Kahrs, leider kann mich Ihre Antwort nicht beruhigen. All diese "positiven" Dinge der Gesundheitsreform erzählt jeder Politiker. Stellt man als Bürger konkrete Fragen, weichen sie aus.
Diese Reform wurde gegen die Proteste von Ärzten, Patientenverbänden, Krankenkassen und nicht zuletzt gegen Ihre Wähler durchgedrückt. Wo bleibt dabei unsere Demokratie?
Wurden Sie nicht vom Volk gewählt, um unsere Interessen zu vertreten?

Mit freundlichen Grüßen einer enttäuschten Wählerin
Gabi Thiess

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Thiess,

vielen Dank für Ihr Antwortschreiben. Ich hoffe, dass ich Ihnen nun präzisere und für Sie zufrieden stellende Antworten geben werde.

1. Verbesserung für chronisch Kranke Auch in meinem ersten Antwortschreiben bin ich auf Vorteile für chronisch Kranke eingegangen. Für Sie stelle ich diese gerne nochmals vor: Die Gesundheitsreform bürdet den Versicherten keine weiteren Lasten auf. Wir können es als Erfolg ansehen, dass bisherige Vorteile, insbesondere für chronisch Kranke, erhalten bleiben. Auch zukünftig gilt für chronisch Kranke grundsätzlich die maximale Belastungsgrenze für Zuzahlungen von einem Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Alle anderen Patientinnen und Patienten zahlen zwei Prozent. Voraussetzung einer abgesenkten Belastungsgrenze ist ab dem 1. Januar 2008 allerdings die vorherige regelmäßige Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen und eigenes Zutun zur Genesung während der Therapie.

2. Leistungsumfang I
Das Schicksal von Frau Längsfeld ist natürlich schrecklich. Allerdings kenne ich die genauen Umstände nicht und kann dazu deswegen nicht im Detail Stellung nehmen. Doch gestatten Sie mir eine kleine Bemerkung zu dem Grundproblem: Es ist teilweise strittig, welche Medikamente nachweislich heilend sind. Um das zu bestimmen, gibt es den Gemeinsamen Bundesausschuss. Hierzu möchte ich Ihnen kurz einen Fall aufzeigen, wo es sich als richtig herausgestellt hat, dass vermeintlich heilende Medikamente nicht von der GKV gezahlt wurden: Ein Arzt meinte, schwerkranke Patientinnen und Patienten mit irgendwelchen „Wundermedikamenten“, die er extra aus dem Ausland besorgt hat, heilen zu können. Diese Medikamente wurden nicht von der GKV bezahlt, da sie nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss als förderlich für den Heilungsprozess angesehen worden sind. Diese Patientinnen und Patienten haben dann schließlich selbst die Kosten übernommen. Ein schwerwiegender Fehler: Die Patientinnen und Patienten starben an diesen Mitteln.
Sie sehen also, dass diese Problematik nicht einfach ist und hier keine Pauschalantworten gegeben werden können. Allerdings können Sie versichert sein, dass alle kranken Menschen in Deutschland das medizinisch Notwendige auch zukünftig erhalten.

3. Leistungsumfang II
Das entscheidende Kriterium ist nicht, ob ein Medikament “teuer“ oder “billig“ ist. Wichtig für die Patientinnen und Patienten ist doch, dass die Medikamente wirksam sind und beim Heilungsprozess helfen. Wir müssen mit den Geldern der Versicherten verantwortungsbewusst umgehen. Das heißt, dass wir die Medikamente einer genauen Kosten / Nutzenprüfung unterziehen müssen. Durch eine solche Regelung bekommt die Pharmaindustrie mehr Anreize, Arzneimittel zu entwickeln, die den Patienten besser helfen.
Dies versuchen wir durch eine unabhängige Prüfung, bei der das Verhältnis des Preises eines neuen Arzneimittels zur Leistung für den Patienten steht. Dadurch wird die Qualität des Arzneimittels hinsichtlich seines Gebrauchswertes für den Arzt und für den Patienten besser erkennbar. Neue Arzneimittel können in Zukunft daraufhin untersucht werden, welchen Nutzen sie den Patienten bringen und welche Kosten dabei entstehen. Dazu werden die neuen Arzneimittel mit vorhandenen Arzneimitteln verglichen. Bei dem Vergleich werden der Nutzen und die Kosten des neuen Arzneimittels dem Nutzen und den Kosten der bisherigen Therapie gegenübergestellt. So wird es möglich, genau die neuen Arzneimittel zu erkennen, die den Patienten mehr nutzen, ihre Leiden besser lindern und ihre Lebensqualität deutlicher verbessern. Und für diese Arzneimittel sollen die Hersteller auch höhere Preise verlangen dürfen.

4. Vorteile der Zweitüberprüfung
Bei diesem Punkt liegt ein Missverständnis vor. Es wird nicht einfach so ein Arzt durch einen anderen überprüft. Die Zweitmeinung muss für ganz spezielle neue Arzneimittel eingeholt werden. Das können zum Beispiel sehr stark und zielgenau wirksame, biotechnologisch hergestellte Medikamente sein, wie sie bei Rheumapatienten oder Krebspatienten eingesetzt werden. Mit dem Zweitmeinungsverfahren sollen die Qualität und die Sicherheit der Anwendung dieser Arzneimittel verbessert werden. Da diese Arzneimittel sehr teuer sind, ist es besonders wichtig, dass sie nur den Patienten verordnet werden, die davon nachweislich profitieren. Die Arzneimittel, die unter diese Regelung fallen, werden von politisch unabhängigen Experten des Gemeinsamen Bundesausschusses bestimmt.

5. Allgemeine Versicherungspflicht
Ich kann nur erneut auf den Erfolg hinweisen, dass es jetzt eine allgemeine Pflicht zur Versicherung gibt. Dies ist ein Meilenstein in der deutschen Sozialgeschichte und eine konsequente Anpassung der Bismarckschen sozialen Krankenversicherung an heutige Verhältnisse. Die moderne, umfassende Versorgung im Krankheitsfall können auch Gutverdiener nicht bezahlen. Die Folgen eines Schlaganfalls oder chronischer Erkrankungen, wie beispielsweise die Notwendigkeit einer Dialysebehandlung, sprengen heute selbst das größte private Budget. Auch ist die Vorstellung nicht mehr zeitgemäß, dass Selbständige die Kosten einer notwendigen Behandlung notfalls auch selbst zahlen könnten. Die zunehmende Zahl der Kleinselbständigen und heute üblichen biographischen Diskontinuitäten und Sprünge sprechen für sich. Die Pflicht zur Versicherung mit bezahlbaren Beiträgen sorgt dafür, dass in Zukunft jeder einen eigenen Schutz hat. Zudem leistet jede und jeder einen Beitrag für sich und muss nicht erst im Notfall und bei Bedürftigkeit durch das soziale Netz der Sozialhilfe wieder aufgefangen werden.

Das Sozialamt hat früher bei Bedürftigkeit natürlich die Kosten eines Versicherungsschutzes durch die GKV übernommen. Daran ändert sich auch prinzipiell in Zukunft nichts. Der Vorteil der neuen Regelungen besteht darin, dass die, die auf die Solidargemeinschaft angewiesen sind, nicht mehr über das Sozialamt versichert sind, sondern eine eigene Absicherung haben. Bei Bedürftigkeit werden die Kosten einer gesundheitlichen Grundversorgung auch wieder von der Gemeinschaft getragen.

Sehr geehrte Frau Thiess, natürlich bin ich vom Volk gewählt, um eine gute Politik für die Menschen zu praktizieren. Einem Ihrer Argumente möchte ich entschieden entgegen treten: Sie behaupten, dass aufgrund des großen Widerstands verschiedener Interessensgruppen die Gesundheitsreform ein schlechtes Reformpaket sei. Ich möchte Ihnen zu Bedenken geben, dass jede Interessensgruppierung lediglich die Vorteile Ihrer eigenen Klientel in einem solchen Reformwerk wieder finden möchte. Wir Politiker hingegen müssen darauf achten, dass wir eine Politik machen, die sich nach dem Gemeinwohl der deutschen Bevölkerung richtet. Somit sind wir auch gegenüber den zukünftigen Generationen verpflichtet, eine solide Politik des finanziell Machbaren, aber auch des Notwendigen, zu betreiben.

Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs