Wie beurteilen Sie das Vorhaben der EU ein europäisches Vermögensregister einzuführen ?

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Juliane Nagel
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Frage von Eves S. •

Wie beurteilen Sie das Vorhaben der EU ein europäisches Vermögensregister einzuführen ?

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Sehr geehrte Frau S.,

die aktuell publizierten Überlegungen der EU-Kommission scheinen mir
noch so unkonkret, dass es unseriös wäre, diese bereits jetzt zu bewerten.

Grundsätzlich existieren in Deutschland zahlreiche Register, wie
Grundbücher oder Handelsregister, die Besitz- und Eigentumsverhältnisse
von bestimmten Vermögen dokumentieren, die wichtige Funktionen haben.

Bei anderen Vermögen und Einkommen haben wir eine Situation, in der sich
Geringverdiener, Kleingewerbetreibende und  jede/r Hartz-IV-Betroffene
vor den Ämtern nackt machen müssen, während sich Großunternehmen und
Superreiche zur Steuerhinterziehung hinter Briefkastenfirmen und
Tarnstiftungen verstecken.

Die systematische Verschleierung von Eigentumsverhältnissen kann dazu
dienen, Korruption zu decken oder die Rechte z.B. von Mieter:innen zu
beschneiden, wenn sich der Vermieter hinter Schattenfirmen verbirgt.
Politikerinnen und Politiker nutzen Intransparenz über
Vermögensverhältnisse, um illegale Parteispenden oder Bestechung zu tarnen.

Grundsätzlich gibt es in Europa Probleme mit den genannten Phänomenen.
In Malta und der Slowakei haben Journalist:innen wie Daphne Caruana
Galizia und  Jan Kuciak für ihre Recherchen zu Korruption und
Steuerhinterziehung mit dem Leben bezahlt. Die Spenden- und
Bestechungsskandale bei FPÖ und AfD, die Maskendeals von Politikern der
CDU/CSU-Fraktion sind auch Oberflächenphänomene tieferliegender
Transparenzprobleme.

Insofern macht mich misstrauisch, dass es vor allem Politiker dieser
Parteien sind, die bereits bei der Ausschreibung einer Studie so massiv
Stimmung machen.

Und zu guter Letzt wäre eine Erfassung von Vermögensverhältnissen die
Voraussetzung, um soziale Ungleichheit in Europa und in Deutschland
genauer ermessen zu können. Hier sind wir seit der Aussetzung der
Vermögenssteuer auf ungenaue Schätzungen angewiesen. Auch das könnte ein
Grund für das Angstbeißen von Konservativen und Neoliberalen sein. Denn
Transparenz bei Großvermögen würde die Folgen der Politik der letzten
dreißig Jahre greifbar machen.

Richtig ist aber auch: An alle Register stellen sich immer
Datenschutzfragen. Welche Informationen werden erfasst, wo liegen
Grenzen der Erfassung, werden Angaben zentral oder verteilt registriert,
wer hat auf welche Informationen Zugriff und wie wird dies
protokolliert? Lassen sich bestimmte Daten anonymisieren oder
pseudonymisieren, etc. etc. Es darf nicht darum gehen den gläsernen
Bürger zu schaffen.

Mit freundlichen Grüssen, Juliane Nagel

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