Frage an Kerstin Andreae bezüglich Wirtschaft

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Kerstin Andreae
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Urs N. •

Frage an Kerstin Andreae von Urs N. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Andreae!

Dieser Tage hat im ARD-Morgenmagazin der Wirtschafts- und Banken-Experte Kaserer von der TU München behauptet, ein Rettungsschirm für Banken sei unsinnig und richte sich gegen die natürlichen Regulationsmechanismen des freien Marktes, der unbrauchbare Wirtschaftskonzepte von alleine eliminiere. In diesem Zusammenhang führte er auch die Pleite von "Lehman Brothers" in den USA an: in deren Verlauf seien über 30 weitere amerikanische Banken, die in ähnliche Machenschaften verstrickt waren, in Insolvenz gegangen, ohne dass die US-Regierung einen Finger für sie krumm gemacht habe. Und ohne dass diese Insolvenzen bis heute irgendeine Auswirkung auf die amerikanische Wirtschaft, Konjunktur und den Dollarkurs gehabt hätten. Und überhaupt habe die amerikanische Staatverschuldung bislang keine Auswirkung auf den Dollarkurs gehabt.

Warum denkt man in Deutschland und Europa so anders?

Und wie passt der noch immer gültige Passus aus den anfänglichen Euro-Beitrittsverträgen - "Kein Mitgliedsland der Euro-Zone ist verpflichtet, für die Schulden eines anderen einzutreten." - zur aktuellen "Rettungsschirm-/ESM-Fiskalpakt-Politik"?

Ist es nicht an der Zeit, dass Deutschlan zurückfindet zu einem gesunden, dem Selbsterhalt und dem Wohl der Bürger und Steuerzahler dienenden Politik?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Naumann,

vielen Dank für Ihre Fragen. Leider habe ich das ARD-Morgenmagazin, auf das Sie sich beziehen, nicht gesehen. Ich stimme mit Ihnen aber überein, dass es zukünftig nicht mehr vorkommen darf, dass die Steuerzahlenden Banken retten müssen, die unverantwortlich hohe Risiken eingegangen sind. Meine Schlussfolgerung aus der Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten ist deshalb eine konsequente Bankenregulierung, die Finanzkrisen großen Ausmaßes künftig verhindert. Eine Schuldenbremse für Banken, wie sie gerade in Brüssel zur Übernahme diskutiert wird, ist ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Regulierung. Diese wird aber von der Bundesregierung bislang torpediert.

Längst überfällig ist deshalb eine europäische Bankenunion, wie sie die EU-Kommission jetzt vorantreibt. Grenzüberschreitend tätige Banken müssen europäisch beaufsichtigt werden, nur so kann der Staat wieder auf Augenhöhe mit den großen Banken kommen. Außerdem kann durch eine Bankenunion in Europa die Voraussetzung geschaffen werden, dass Banken im Fall einer Schieflage abgewickelt oder restrukturiert werden können, ohne auf das Geld der Steuerzahler zurückzugreifen. In den USA beispielsweise sind Einlagensicherung und Abwicklungsbehörde in der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) am gleichen Platz organisiert. Die FDIC hat den Auftrag, mit einer Bank so umzugehen, dass die Kosten für die Einlagensicherung am niedrigsten sind. Entsprechend wurden auch schon mehrere hundert Banken abgewickelt, wie Sie ja auch erwähnen. Wir treten dafür ein, dass auch bei der europäischen Bankenunion Bürgerinteressen statt Bankeninteressen im Vordergrund stehen. Dies betrifft insbesondere die Ausgestaltung der Einlagensicherung. Riskantere Geschäftsmodelle müssen zu höheren Beiträgen der Banken für die Sicherungssysteme führen, damit die Einlagen der Sparenden sicher sind.

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 12. September 2012 hat die Verfassungsmäßigkeit von Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalpakt bestätigt, pocht aber auf die Einhaltung der demokratischen Rechte des Deutschen Bundestages. Es stellt klar, dass die Haftungsgrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro beim ESM ohne die Zustimmung des Bundestages nicht erhöht werden darf. Das war auch immer grüne Position. Außerdem ist eine zweimalige Zustimmung des Plenums notwendig, bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt. Der Bundestag hat also selbstverständlich weiterhin das Recht, über jede Hilfe souverän zu entscheiden und diese gegebenenfalls auch abzulehnen. Die Abstimmungen binden den deutschen Vertreter im ESM-Gouverneursrat, in seinem Abstimmungsverhalten. Dies gilt sowohl für einzelne Programme, als auch für eine mögliche Aufstockung des ESM.

Im Gegensatz zur Koalition bekennen wir Grüne uns eindeutig dazu, dass ein Ausweg aus der Krise ohne gemeinsame Gewährleistungen nicht möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dies nun auch bestätigt. Die Koalition hat mit ihrem zögerlichen Verhalten bisher nur erreicht, dass der größte Teil des Krisenengagements momentan durch die EZB ausgeführt werden musste.

Viele freundliche Grüße
Kerstin Andreae