Frage an Kerstin Andreae bezüglich Wirtschaft

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Kerstin Andreae
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Frage an Kerstin Andreae von Jörn S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Andreae,

Sie werden heute in Spiegel online zum Thema Rückgang der Existenzgründungen in Deutschland mit der Aussage zitiert, dass der Rückgang der Neugründungen unter anderem auf bürokratische Hindernisse zurückzuführen sei und dass die Bundesregierung zwar viel rede, jedoch wenig Taten folgen ließe.

Als freier Berater u.a. auch für Existenzgründungen und gelisteter Berater bei der KfW und fast sämtlichen Bürgschaftsbanken und Investitionsbanken frage ich Sie, ob die tatsächlichen Gründe nicht die fehlende Wettbewerbssituation im Bankensektor und die Bankenanforderungen hinsichtlich Eigenkapital und Besicherung ausschlaggebend für den Rückgang der Existenzgründungen in Deutschland sind.

Aus täglichen Erfahrungen kann ich berichten, dass auch Sparkassen und Volksbanken zwischenzeitlich Neugründungen nur noch bei einem Eigenkapitaleinsatz von mindestens 25% begleiten und eine nahezu 100% Besicherung für den verbleibenden Fremdmittelbedarf erwarten. Dieses ist für viele Gründer schlichtweg unerreichbar.

Sind die tatsächlichen Gründe für den Rückgang bei Existenzgründungen nicht eher darin zu sehen, dass wir in Deutschland und in Europa zwischenzeitlich eine Kreditklemme haben und eine funktionierende Eigenkapitalfinanzierung immer noch nicht funktioniert?

Ich kenne selbstverständlich die KfW-Programme für Existenzgründer/innen und auch die Besicherungsprogramme der Bürgschaftsbanken. Dennoch hilft es bei der Finanzierung eines Gründers (unabhängig vom Konzept und der Branche) kaum, wenn die durchleitenden Banken diese Kreditanfrage mangels ausreichendem Eigenkapital und Sicherheiten gar nicht an diese Institutionen weiterleiten.

Was wir bräuchten wäre eine Direktfinanzierung durch die KfW ohne durchleitende Banken, die sich bei Existenzgründungen - auch wegen der geringen Marge - einfach verweigern.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Saß

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Saß,

die Gründungshemmnisse in Deutschland sind sehr vielschichtig. Neben bürokratischen Hürden spielen vor allem das finanzielle Risiko und eine fehlende Finanzierungsgrundlage eine große Rolle. Das zeigt uns auch der aktuelle Gründungsmonitor der KfW Bankengruppe. Es gibt eine Reihe von guten Förderprogrammen. Diese sind jedoch nicht ausreichend bekannt und die Beantragung gestaltet sich oft sehr umständlich. Sie haben da ja ihre eigenen Erfahrungen mit gemacht. Aus diesem Grund halte ich eine zentrale Anlaufstelle in den Regionen, einen sogenannten One-Stop-Shop, für wichtig und hilfreich. Andere Länder haben da bereits positive Erfahrungen mit gemacht. Eine Direktfinanzierung über die KfW-Bank halte ich für schwierig. Dann müsste ja auch dort die Kreditprüfung zentral erfolgen, was mit erheblichem Aufwand und Unsicherheiten verbunden wäre. Die Hausbank vor Ort kennt ihre Kunden besser und auch dort liegt ja in der Regel die Kontoführung. An mangelnden Sicherheiten kann es eigentlich nicht liegen, da die KfW den Großteil der Haftungsrisiken übernimmt. Schon eher die Antragsstellung selbst oder eine zu geringe Marge für die Hausbank.

Eine Finanzierungslücke entsteht vor allem in der ersten Wachstumsphase junger Unternehmen, d.h. in den ersten zwei, drei Jahren nach der Gründung. Hier greifen viele Förderprogramme nicht und die Banken halten sich mit Finanzierungen noch mehr zurück. Öffentliche Venture-Capital-Fonds wie z.B. der Hightech-Gründerfonds sind bestimmt eine wichtige Finanzierungsquelle für innovative Unternehmen. Sie können aber einen dynamischen privaten VC-Markt mit Investoren, die auch als Business Angels wichtige Impulse liefern, nicht ersetzen. Seit über zwei Jahren wartet die Start-Up-Szene auf ein Venture-Capital-Gesetz, das hierfür den rechtlichen Rahmen bietet und Gründungen erleichtern kann.

Eines der besten Förderinstrumente für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus wurde faktisch lahm gelegt – der Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit. Dessen Vergabe wurde vor vier Jahren in eine Ermessensleistung umgewandelt. Die Auswirkungen sind gravierend: Die Neuvergabe des Zuschusses sank von 127 000 Fällen in 2011 auf nur noch 30 000 im Jahr 2014. Hier sollten wir dringend nachbessern.
Ein Unternehmen zu gründen ist nie ohne Risiko und erfordert Mut. Die Politik sollte zumindest die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize schaffen. Ich wünsche mir eine Gründungslandschaft, die es uns erlaubt, Kreativität auszuleben und Unternehmertum auszuprobieren.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Andreae MdB