Warum ignorieren Sie den Beschluss Ihrer Partei, zur Verbesserung d. desolaten Lage d. Menschen auf d. Warteliste f.e. Organspende d. Einführung d. Widerspruchslösung zu unterstützen?

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gabriele F. •

Warum ignorieren Sie den Beschluss Ihrer Partei, zur Verbesserung d. desolaten Lage d. Menschen auf d. Warteliste f.e. Organspende d. Einführung d. Widerspruchslösung zu unterstützen?

Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,
Bzgl. d. desolaten Lage der Organspenden in Deutschland entsteht bei uns Wartepatient:innen d. Eindruck, dass Sie d. aus unserer Sicht gescheiterte Reform d. Transplantationsgesetzes verteidigen, z.B. im Interview im MoMa d. ARD am 15.11.2022, (https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/videos/ard-mittagsmagazin-video-6368.html, Beginn 25:19,Ende 35)
wo sie behaupten, dass es besser würde, wenn das Online-Register umgesetzt wäre. Eine Verbesserung durch Einführung d. Widerspruchslösung in Deutschland wird von Ihnen nicht gesehen, obwohl die Moderatorin explizit danach fragt. Zum Zeitpunkt des Interviews lag schon der Beschluss des Bundesparteitages der GRÜNEN v. Okt. 2022 vor (https://www.gruene.de/artikel/parteitag-gruene-friedens-und-sicherheitspolitik-in-der-zeitenwende), der besagt, zur Verbesserung der Situation die Widerspruchslösung zu implementieren. Dieser Beschluss wird offensichtlich von Ihnen ignoriert.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau F.,

 

ich teile das Anliegen des von Ihnen genannten Parteitagsbeschluss, die Organspenderate in Deutschland zu verbessern, damit die Wartezeit auf ein dringend notwendiges Spendeorgan für die Betroffenen verkürzt wird. Dabei ist die Frage, ob es eine Widerspruchsregelung gibt oder nicht, nicht der entscheidende Faktor. Organe sollten aus meiner Sicht nur dann verwendet werden, wenn die Spender*in damit einverstanden ist. Das Thema Widerspruchsregelung/Zustimmungsregelung bei der Organspende ist ein ethisches Thema, zu dem die politische Willensbildung im Bundestag nicht entlang von Parteipositionen stattfindet, sondern bei dem die Abgeordneten nach ihrem Gewissen stimmen. Damit sich der Bundestag mit der Frage der Einführung einer Widerspruchsregelung befasst, muss – wie in der letzten Wahlperiode geschehen – eine Gruppe von Abgeordneten parteiübergreifend die Initiative ergreifen, einen Gesetzentwurf entlang ihrer persönlichen ethischen Positionierung zu entwickeln und um Unterstützung für ihn zu werben.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hält den Rückgang der Spendezahlen im Jahr 2022 für pandemiebedingt: „Die Coronavirus-Pandemie und die daraus resultierenden Krankenstände beim Personal in den Kliniken belasteten Anfang 2022 das gesamte Gesundheitssystem – dies trug wesentlich zu dem starken Einbruch der Organspendezahlen um 30 Prozent im ersten Quartal 2022 bei. Die darauffolgenden Quartale brachten eine Stabilisierung auf dem Niveau der Vorjahre. Die organspendebezogenen Kontaktaufnahmen der Kliniken zur DSO haben sich im Vergleich zum Vorjahr sogar erhöht (von 3.132 auf 3.256).“ (DSO-Pressemitteilung vom 16. Januar 2023, https://www.dso.de/dso/presse/pressemitteilungen/Organspendezahlen%20im%20vergangenen%20Jahr%20gesunken/103)

Die Tatsache, dass die Erhöhung der organspendebezogenen Kontaktaufnahmen der Kliniken zur DSO nicht zu mehr realisierten Organspenden führten (so die DSO), ist bedenklich. Denn wenn in allen Entnahmekrankenhäusern die Zahlen der realisierten Organspenden der erfolgreichsten Krankenhäuser erreicht würden, müssten viel weniger Menschen auf eine Organspende warten. Wo es weiterhin strukturelle Schwächen gibt, müssen diese identifiziert und behoben werden, damit überall all diejenigen Organspender*innen werden, die das wollen. Die Bewältigung dieser Herausforderung liegt vorrangig in der Verantwortung der Länder und der Akteure des Organspende- und Transplantationswesens. Die Gesundheitspolitiker*innen der Bundestagsfraktion fordern die umfassende Umsetzung der vom Bundestag in der letzten Wahlperiode beschlossenen Maßnahmen zur Stärkung der Organspende, zu denen auch das Bundesgesundheitsministerium – bspw. in Bezug auf die Einrichtung des Online-Organspenderegisters – seinen Beitrag leisten muss.

Das Anliegen, eine breitere gesellschaftliche und individuelle Auseinandersetzung mit der Organspende zu fördern, wird breit geteilt. Diese Auseinandersetzung trägt dazu bei, dass mehr Menschen eine Entscheidung treffen, ob sie Organspender*innen werden wollen und diese Entscheidung auch dokumentieren.

Der Bundestag hat in der letzten Wahlperiode u. a. mit dem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende Maßnahmen beschlossen, die die individuelle Auseinandersetzung mit der Thematik fördern sowie die Abgabe von Willenserklärung vereinfachen. Hierzu gehören die Aushändigung von Informationsmaterialien in Hausarztpraxen sowie das Angebot ärztlicher Aufklärungsgespräche, für die Hausärzt*innen gesondert vergütet werden, die Bereitstellung von Informationen im Zuge des Erst-Hilfe-Kurses zum Fahrunterricht, und die Möglichkeit der Willensbekundung mittels eines Online-Registers und mittels der elektronischen Gesundheitskarte. Neben der Stärkung der Strukturen im Organspendewesen haben diese Maßnahmen großes Potenzial, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu steigern – Potenzial, das es voll auszuschöpfen gilt. Daher dringen wir auf die zügige und umfassende Umsetzung der Gesetze, die der Bundestag beschlossen hat.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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