Frage an Konstantin von Notz bezüglich Finanzen

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Konstantin von Notz
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Frage von Peter-Paul G. •

Frage an Konstantin von Notz von Peter-Paul G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz!

Im Euroraum wird von den Banken in jedem Jahr etwa 400 Milliarden Euro frisches Giralgeld geschaffen.
Manche Fachleute (Vgl. Joseph Huber und James Robertson: Geldschöpfung in öffentlicher Hand, Kiel 2008) sind der Meinung, dass die Geldschöpfung ein genuines Privileg der öffentlichen Hand sein sollte und auch der Gewinn daraus (für Deutschland jährlich etwa 80 Milliarden Euro) nicht in private Hände gehört, sondern dem Staat zufließen sollte.
Sie fordern daher das alleinige Recht auf Geldschöpfung für die Europäische Zentralbank.

Wie stehen Sie zu dieser Forderung, wie Ihre Fraktion und wie steht Ihre Partei dazu?

Mit freundlichem Gruß!

P.Grundke

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Grundke,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie erklären, dass die Geldschöpfung genuines Privileg der öffentlichen Hand sein sollte und auch die hieraus erzielten Gewinne dem Staat zufließen sollten.

Sie haben Recht, die Giralgeldschöpfung erfolgt durch die Geschäftsbanken, indem diese an Nichtbanken und den Staat Kredite vergeben. In Deutschland regelt die Solvabilitätsverordnung, wie viel Eigenkapital eine Bank für vergebene Kredite vorhalten muss. Eine Bank kann daher nicht unbegrenzt neues Geld schöpfen, sondern muss dafür je nach Risiko Eigenkapital vorhalten. Im Zuge der Finanzkrise wurden diese Anforderungen erhöht und werden zukünftig unter dem Stichwort „Basel III“ Einzug in die europäische und deutsche Gesetzgebung finden.

Im Gegensatz zum Giralgeld ist Zentralbankgeld, wie es die Zentralbank schöpft, nicht durch Eigenkapital begrenzt. Theoretisch kann die Zentralbank davon unendlich viel schöpfen. Im Eurosystem ist die direkte Vergabe von Staatskrediten durch die Zentralbank verboten. Wäre dies erlaubt und würde dies entsprechend genutzt, wäre die Zentralbank in einem Interessenkonflikt und würde im Zweifel den Staat immer stärker finanzieren und so mehr Geld in die Wirtschaft bringen. Steigt jedoch die Geldmenge in einer Volkswirtschaft bei gleichbleibender Gütermenge, führt dies zu unweigerlich zu Inflation.

Deutschland hat historisch mit diesem System schon extrem schlechte Erfahrungen gemacht. Unter anderem während des ersten und zweiten Weltkriegs wurden die schnell ansteigende Staatsverschuldung durch die Zentralbank finanziert. Auch aufgrund dieser Erfahrungen hat sich seit 1948 das aktuelle System mit Zentralbankgeldschöpfung durch die Zentralbank, und Giralgeldschöpfung durch Geschäftsbanken etabliert. Deutschland hatte aufgrund des Fokus der Deutschen Bundesbank auf die Preisstabilität in diesem Zeitraum im Durchschnitt die weltweit niedrigste Inflationsrate. Eine Rückkehr zur Staatsfinanzierung durch die Zentralbank lehnen wir daher ab.

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin Notz

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