Frage an Konstantin von Notz bezüglich Umwelt

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian R. •

Frage an Konstantin von Notz von Christian R. bezüglich Umwelt

Guten Tag Herr Notz,

an Sie stelle ich folgende Fragen:
Wird es mit Ihnen bzw. Ihrer Unterstützung Windkraft im Wald geben und werden Sie und Ihre Partei der Windkraftlobby da nachgeben?
Wie wollen Sie die Konflikte lösen, die sich bei der von Ihrer Partei geplanten Ausweitung der erneuerbaren Energien (Fledermaus- und Rotmilantod durch Windräder, Agrarmonotisierung durch Biogas, Flächenproblematik bei Umstellung von Mais auf Blumenmischungen, die in Versuchen teilweise zu erheblichen Ernteausfällen geführt haben etc.)? Glauben Sie, dass Naturschützer nicht von den Grünen enttäuscht sein werden, wenn das Ausmaß der Folgen der Energiewende für die Natur in Form von Verspargelung der Landschaft und Zerstörung von Lebensraum in aller Deutlichkeit hervortreten wird?Geben Sie hier Ihre Frage ein.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rossi,

haben Sie herzlichen Dank für Ihr Fragen und Ihr Interesse an meinen Positionen als grüner Bundestagsabgeordneter und Spitzenkandidat der Grünen in Schleswig-Holstein für die kommende Bundestagswahl. Sehr gerne erläutere ich Ihnen die Positionen der Grünen bezüglich Ihrer Fragen.

Zunächst einmal ist es mir wichtig, vorweg festzuhalten, dass weder meine Partei noch ich irgend einer Lobby „nachgeben“, sondern bei unserer Positionsfindung stets transparent und am Gemeinwohl orientiert vorgehen.

Als wir 1980 das erste Mal zur Bundestagswahl angetreten sind, haben wir gegen alle anderen Parteien den Ausstieg aus der Atomenergie und eine Wende in der Energiepolitik hin zu Sonne, Wind, Wasser und mehr Energieeffizienz gefordert. Damals wurden diese Ideen als „Spinnertum“ abgetan. Heute, eine Generation und zwei Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima später, ist der Atomausstieg zu großen Teilen Realität und der Einstieg in die Energiewende gelungen: Von den 26 Atomkraftwerken, die Anfang 1990 in Ost- und Westdeutschland in Betrieb waren, laufen nur noch neun. Der Bundestag hat im Juni 2011 mit breiter Mehrheit den endgültigen Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Dem gegenüber steht die unter Rot-Grün eingeleitete Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien: Sie wuchsen von 5 % im Jahr 1998 auf heute 25 % und sind damit der zweitwichtigste Stromerzeuger geworden. Das ist ein zentraler Erfolg grüner Politik. Gleichueitig bleibt bei der Energiewende noch viel zu tun.

Wir wollen, dass die Energiewende vom Testfall zum Erfolgsmodell wird. Aber die Vollendung der Energiewende geschieht nicht von allein: CDU/CSU und FDP stellen täglich unter Beweis, dass sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien nur widerwillig betreiben. Mit überbordenden Industrieprivilegien konterkarieren sie den ökologischen Wandel der Wirtschaft und belasten die Verbraucherinnen und Verbraucher mit unfairen Strompreisen. Schwarz-Gelb würde den Atomausstieg offenkundig am liebsten wieder rückgängig machen.

Doch in der Gesellschaft gibt es einen breiten Konsens, der diesem Interesse zuwiderläuft. Die meisten Menschen wollen, dass auch die letzten neun Atomkraftwerke bald abgeschaltet werden und auch der Ausstieg aus der Kohleverstromung erfolgt. Wir haben das Zeitalter der Erneuerbaren Energien eingeläutet und jetzt muss die Energiewende mit Leidenschaft, Begeisterung und Kreativität vorangetrieben werden - auch global. Es geht darum, bezahlbare Energie für alle bereitzustellen, ohne dass dafür - wie bisher - unsere Kinder Atommüll, eine Klimakatastrophe und ökologische Schulden aufgebürdet bekommen. Dafür stehen nur wir Grünen.

Deutschland muss seiner Verantwortung als Vorbild für einen klimagerechten weltweiten Umstieg auf Erneuerbare gerecht werden und verlässlicher Partner sein für die Bekämpfung von Energiearmut. Deshalb müssen wir Lösungen für den Energiehunger der Metropolen mitentwickeln und zugleich dezentrale Ansätze für den ländlichen Raum vorantreiben. Die deutsche Energiewende steht im globalen Scheinwerferlicht. Wenn sie erfolgreich ist, werden sich andere wichtige Staaten unserem Beispiel anschließen und eine neue globale klimapolitische Dynamik entstehen lassen.

Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern wollen wir die Energiewende zum Erfolg führen. Wir wollen den Erfolg der Energiewende, weil so die Energie aus den Händen der Konzerne in die Hände der BürgerInnen wandert. So können sich endlich alle einmischen und mitmachen bei der Versorgung unserer Gesellschaft mit Energie. Wir wollen den Erfolg der Energiewende, weil nur sie soziale Teilhabe in der Energieversorgung dauerhaft absichert. Während die Preise für Kohle, Öl und Gas kontinuierlich steigen, schickt die Sonne keine Rechnung. Um die Energiewende besser koordinieren zu können, machen wir uns für eine Kompetenzerweiterung des Bundesumweltministeriums zu einem Umwelt- und Energieministerium stark. Erneuerbare Energien, Atomausstieg, Netzausbau und Strommarktreform gehören zusammen gedacht.

Gerade bei der Windenergie kommt es insbesondere auf eine gute und sorgfältige Landesplanung an, um negative Auswirkungen auf Fauna und Flora zu vermeiden. Windkraft widerspricht, anders als es in ihrer Frage mitschwingt, keineswegs grundsätzlich den Anforderungen des Naturschutzes. Dennoch muss selbstverständlich, wie dies heute auch bereits der Fall ist, bei jedem konkreten Fall vor Ort untersucht werden, ob eine Gefährdung für bestimmte Arten durch Windkraftanlagen zu erwarten ist. Solche Gebiete sollen tabu sein. Speziell beim Bau der Offshore-Anlagen setzen wir uns dafür ein, dass dieser keine Gefahren für lärmempfindliche Meerestiere nach sich zieht. Auch entsprechende Pläne für die verstärkte Nutzung von Windenergie im Wald beleuchten wir vor diesem Hintergrund.

Wir Grüne lehnen die Windenergienutzung im Wald zwar nicht grundsätzlich ab. Sie muss aber, wie jede andere Nutzung auch, natur- und umweltverträglich erfolgen. Im Planungsprozess sollen zudem die Bürgerinnen und Bürger sowie die Umweltverbände frühzeitig beteiligt werden. Um die Biodiversität zu schützen, müssen die rechtlichen Anforderungen des Natur- und Artenschutzes in jedem Fall erfüllt werden. Werden diese Rahmenbedingungen eingehalten, wird es einen Wildwuchs und großflächigen Ausbau der Windenergie im Wald aller Voraussicht nach nicht geben. Denn günstige Voraussetzungen für die Errichtung von Windkraftanlagen im Wald sind bei weitem nicht überall gegeben. Selbst bei einem hohen Zubau von Windkraftanlagen im Wald würde nur ca. ein Promille der deutschen Waldfläche betroffen sein.

Die Windenergie an Land ist die zurzeit günstigste und leistungsstärkste Quelle erneuerbarer Energien und leistet den Löwenanteil bei der Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. Heute werden rund 7,5 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus Wind gewonnen. Der Flächenbedarf ist dabei relativ gering und wird durch die höhere Leistungskraft der einzelnen Anlagen trotz Windkraftausbaus insgesamt nur wenig anwachsen. Windkraftanlagen stehen heute auf weit unter einem Prozent der Landesfläche.

Natürlich ist bei dieser Diskussion auch zu berücksichtigen, dass /alle /Formen der Stromerzeugung - insbesondere die aus fossilen und nuklearen Quellen - ein gewisses Maß an Umweltbeeinträchtigung mit sich bringen. Nur zur Erinnerung: Der Braunkohletagebau verschlingt ganze Dörfer, Kulturlandschaften und Natur - Quadratkilometer für Quadratkilometer. Für Stauseen verschwinden ganze Flusstäler. Die Verheerungen, die Uranbergbau und Atomkatastrophen hinterlassen, sind unabsehbar. Die Folgen des Steinkohlebergbaus werden in Form von großflächigen Absackungen erst nach und nach sichtbar.

Demgegenüber und im Vergleich zum Flächenverbrauch in Deutschland für Siedlungsflächen, Verkehr, Gewerbe etc. von über 35.000 ha pro Jahr, den Grüne und Umweltverbände - bisher leider weitgehend erfolglos - seit Jahren bekämpfen, erscheint der reine Flächenverbrauch der Windenergie im Wald vertretbar. Das gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Waldfläche in Deutschland in den letzten 60 Jahren kontinuierlich um über eine Million Hektar angewachsen ist.

Experten geben die pro Windenergieanlage notwendige dauerhafte Rodungsfläche mit 0,35 ha an. Gegebenenfalls sind für Zuwegungen und Leitungen weitere Flächen notwendig. Dabei sind Ersatzaufforstungen als flächenhafter Ausgleich naturschutzrechtlich vorgeschrieben. Hinzu kommen 0,35 Hektar als Arbeits- und Montagefläche, auf der am Ende der Baumaßnahme eine Wiederaufforstung notwendig ist.

Wir halten vor diesem Hintergrund einen Ausbau der Windkraft auch in Waldgebieten für klima- und energiepolitisch geboten, wenn er die Belange des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Menschen vor Ort berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen nach Hannover!

Konstantin Notz

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