Frage an Konstantin von Notz bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Bjane M. •

Frage an Konstantin von Notz von Bjane M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag,

ich würde mich gerne politisch umorientieren, möchte aber auch wenn viele in der Partei gegen Militarismus sind wissen wie die Grünen zu einer Europäischen Armee stehen würden ?

Und ich bin 17 Jahre alt, ist es immer noch möglich der Jugendpartei in meiner Umgebung beizutreten und ich bald volljährig werde ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Bjane,

hab herzlichen Dank für Deine Frage und Dein Interesse an den Positionen der Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag. Wie Du vielleicht weißt, liegen meine eigenen Schwerpunktthemen ein Stück weit auf anderen politischen Feldern. Gerne habe ich mit den zuständigen Fachabgeordneten meiner Fraktion Rücksprache gehalten, um deine Frage bestmöglich beantworten zu können. Daher antworte ich Dir auch erst heute. Das bitte ich zu entschuldigen.

Millionen Menschen fliehen vor Krieg, Unterdrückung oder der Vernichtung ihrer Lebensgrundlage aufgrund von Klimawandel und Umweltschäden. Die Herausforderungen sind zahlreich: humanitäre Krisen, Klimakatastrophe, internationaler Terrorismus und aggressive Außenpolitik autoritärer Staaten. Als grüne Bundestagsfraktion stehen wir für Frieden, Abrüstung, kooperative Sicherheit und eine Kultur der militärischen Zurückhaltung sowie eine Stärkung der Parlamentsrechte. Unsere Politik zielt darauf ab, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir Grüne im Bundestag fordern die zivile Krisenprävention ins Zentrum deutscher Außenpolitik zu stellen, sich engagiert für Abrüstung einzusetzen und keine Waffen in Krisenregionen zu liefern. Die Bundeswehr kann einen Beitrag zur internationalen Friedenssicherung leisten. Sie muss dabei in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit agieren – vorrangig unter Federführung der Vereinten Nationen.

Die Bundeswehr ist aktuell im Rahmen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit an einer Reihe von Auslandseinsätzen beteiligt. Wir stehen für eine Kultur der militärischen Zurückhaltung. Es darf nur das äußerste Mittel (Ultima Ratio) sein. Als ein Teil des sicherheitspolitischen Instrumentariums kann das Militär in engen Grenzen einen Beitrag dazu leisten, Fenster für Verhandlungen und eine politische Lösung einer Krise zu schaffen. Konflikte selbst können durch das Militär jedoch nur kurzzeitig eingefroren, nicht aber gelöst werden. Wir fordern unter anderem einen Kriterienkatalog für Auslandseinsätze, der zur Bewertung politischer, militärischer, völkerrechtlicher, europapolitischer, ziviler und polizeilicher Fragen dient. Vor einem Einsatz muss eine sorgfältige Prüfung der Ziele, Instrumente, Chancen und Risiken vorgenommen werden. So dürfen keine Soldatinnen und Soldaten in einen bewaffneten Konflikt leichtfertig entsendet werden. Zudem brauchen wir eine unabhängige Bilanzierung und Auswertung der bisherigen Auslandseinsätze.

Der gemeinsame Einsatz der Bundeswehr im Verbund mit Partnerländern zur Gewalteindämmung, Gewaltverhütung und Friedenskonsolidierung im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) ist der realistische Einsatzfall. Die Bundeswehr kann auf diese Weise einen Beitrag zur Stabilisierung und Gewalteindämmung leisten. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, muss die Bundeswehr aber angemessen ausgestattet sein. Eine weitere rasante Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist allerdings weder für eine adäquate Ausstattung der Bundeswehr nötig, noch führt es langfristig zu mehr Sicherheit in Europa. Wer Friedenseinsätze zum Erfolg führen will, muss das Militärische einer politischen und zivilen Gesamtstrategie unterordnen. Unter anderem fordern wir, dass die Bundeswehr muss VN-fähiger und europatauglicher werden. Durch eine vertiefte Kooperation mit anderen Streitkräften wollen wir Effizienzpotentiale nutzen und Doppelstrukturen abbauen. Sicherheitspolitik muss primär zivil und präventiv statt militärisch gedacht werden.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Soll sie in Auslandseinsätze geschickt werden, muss der Deutsche Bundestag vorher zustimmen (Parlamentsvorbehalt). Insbesondere die CDU/CSU versucht immer wieder, dieses hohe Gut zu untergraben. Ihr Koalitionspartner SPD trägt diese Versuche mit. Mit uns Grünen gibt es nur eine Stärkung und keine Schwächung der Rolle des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Dazu gehört auch, dass der Deutsche Bundestag besser als bisher über laufende Einsätze, insbesondere auch des Kommandos Spezialkräfte, unterrichtet wird.

Hier fordern wir unter anderem, dem Deutschen Bundestag jährlich einen bilanzierenden Gesamtbericht über den jeweiligen Einsatz bewaffneter Streitkräfte und die politische Gesamtentwicklung im Einsatzgebiet vorzulegen. Außerdem muss der Bundestag besser als bislang über den Einsatz von Spezialkräften unterrichtet werden. Perspektivisch wollen wir dem Europäischen Parlament mehr Mitsprache bei Militäreinsätzen der EU geben, ohne dabei nationale Parlamentsvorbehalte abzuschwächen. Eine „Europa-Armee“ wie sie immer wieder auch von Seiten führende Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission ins Spiel gebracht wird, ist aus heutiger Perspektive in weiter Ferne. Wir sollten uns meines Erachtens zunächst auf die zahlreichen, oben skizzierten Herausforderungen konzentrieren statt diese aus dem Blick zu verlieren.

Zu Deiner zweiten Frage: Du kannst der Grünen Jugend und anderen Jugendorganisationen noch lange beitreten und Dich dort engagieren, bei der Grünen Jugend bis Du 27 bist! Weitere Informationen findest Du hier: https://gruene-jugend.de/mitglied-werden/

Mit besten Grüßen nach Bad Salzuflen!
Konstantin v. Notz

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