Frage an Lars Castellucci bezüglich Kultur

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Lars Castellucci
SPD
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Frage von Marwin N. •

Frage an Lars Castellucci von Marwin N. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Castellucci,
Auch wenn ich den Wert "Christlicher Werte" nicht nachvollziehen kann, ich mich sogar eher frage was genau positives an christlichen Werten zu finden ist, kann und muss ich diese natürlich tolerieren.
Was mich allerdings stört ist, dass im aktuellem Kabinett gerade einmal drei Politiker nicht ihren Schwur auf Gott geleistet und sich damit zum säkularem Staat bekannt haben.
Im letzten Kabinett berichteten katholische Medien gar stolz das dort keine konfessionsfreien Politiker vertreten waren.
Anders gesagt ich als Atheist der zusammen mit den Konfessionslosen 36,6 % der Bevölkerung stelle, fühle mich von der Politik weder gehört, noch gesehen, noch berücksichtigt.
Etliche Entscheidungen wurden und werden auf Basis der rechtskonservativen Meinung der christlichen Kirchen oft sogar gegen eklatante Umfragemehrheiten entschieden wie zum Beispiel bei der Sterbehilfe.
Frau Merkel hat die Homoehe bis zum Schluss hinausgezögert mit einer klar christlichen Begründung.
Einige Bundestagspolitiker richten Grüße an Veranstaltungen wie dem mehr als fragwürdigem religiös motiviertem 1000 Kreuze Marsch oder sind auf Veranstaltungen wie dem Katholikentag.
Das entspricht weder einem säkularem Staat noch werden dadurch 36% der Bevölkerung repräsentiert.
Meine Frage an sie als Religionsbeauftragter der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag ist, wie sie und ihre Partei gedenken den Bedürfnissen von Atheisten und Konfessionslosen gerecht zu werden, mit welchen säkularen/kirchenfernen Organisationen sie schon Kontakt haben/hatten und wie sie in Zukunft gedenken den vornehmlich Schweigenden 36% der Bevölkerung politisch wirklich gerecht zu werden.
Darüber hinaus interessiert mich wann man gedenkt die verfassungsmäßig vorgegebene Ablösung der Staatskirchenleistungen anzugehen und wann man gegen das diskriminierende Arbeitsrecht der Kirchen vorgehen möchte.

Mit freundlichen Grüßen,

Marwin Nemitz

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Sehr geehrter Herr Nemitz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ich kann Ihre Beunruhigung verstehen. Wir leben in einem bunten, vielfältigen Land und die gesellschaftliche Pluralisierung nimmt immer weiter zu. Das bringt neue Herausforderungen mit sich, denen wir, finde ich, sehr gut gewachsen sind. Das Verhältnis von Staat, Kirchen, Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland ist ein Gutes. Das verfassungsmäßige Miteinander hat sich bewährt. Vielfalt wird sich gleichzeitig auch zunehmend abbilden – ob in Schulen, im Bestattungswesen oder auch in Rundfunkräten. Gelebte Vielfalt hat das Potenzial zu großer Freiheit für alle. Sie muss aber immer neu ausbalanciert werden, wo die Freiheitsrechte anderer berührt sind. Das ist ein Prozess. Diesen hin zu einem guten Zusammenleben aller zu begleiten, ist Aufgabe von Politik. Daher stehe ich auch in Kontakt mit der Humanistischen Vereinigung und dem Humanistischen Verband.

Im Blick müssen dabei immer die Menschen sein. Ihre Rechte sollen geschützt und ausgeweitet werden, nicht die von Institutionen. Das kirchliche Arbeitsrecht halte ich in diesem Zusammenhang für fragwürdig: Gute Arbeitsbedingungen, dazu zählt etwa auch das Streikrecht, stehen allen Menschen zu. Dies darf nicht ausgerechnet unter dem Deckmantel der Religion beschnitten werden. Die Kirchen argumentieren immer damit, nur so glaubhaft das Evangelium zu verkünden zu können. Für mich ist glaubhafte Verkündigung allein der liebevolle Dienst am Menschen. Viele kirchliche Entscheidungen, die in letzter Zeit durch die Medien gingen, haben tatsächlich wenig mit der konkreten Lebenswirklichkeit von Menschen zu tun. Insofern werden sich die Kirchen unbedingt bewegen müssen.

Bei den Staatsleistungen handelt es sich um staatliche Entschädigungszahlungen nach Enteignungen durch den Staat. Sie stehen den Kirchen durch Verträge zu. Natürlich können sie abgelöst werden, das ist auch ein Verfassungsauftrag. Dazu arbeiten wir an einer austarierten Lösung mit allen Beteiligten, wobei die finanziellen Lasten die Bundesländer allein zu tragen haben. Die Kirchen stehen der Ablösung offen gegenüber.

Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Lars Castellucci

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