Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Thüringen?

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Lena Saniye Güngör
DIE LINKE
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Frage von Norbert S. •

Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Thüringen?

Es gibt bisher von Seiten der Linken keine Begriffsdefinition von Ausbeutung und auch keine Aufstellung wie viel Ausbeutung es gibt.
Wie will die Linke zur einer ausbeutungsfreien Gesellschaft bzw. politischen Mehrheiten dafür kommen, wenn sie den Menschen nicht erklären kann, was sie davon haben bzw. was es konkret für Thüringen bedeutet?
Wie viel Geld geht den Menschen verloren, welche Arbeits- und Lebenszeit müssen die Menschen dafür aufwenden? Wie hoch ist der Resourcenverbrauch dafür?
Wieso kommt in Wahlprogrammen von Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen die Begriffe Ausbeutung und Umverteilung nicht vor, obwohl dies ja in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeden Landkreis und in jeden Bundesland tagtäglich stattfindet?

Wie ist ihre Einschätzung dazu?
Für mich sind z.B. „leistungslose Einkommen“ Ausbeutung, weil der erzielte Gewinn/Reichtumszuwachs ohne persönliches Risiko bzw. eigene Arbeit entsteht.
Monopolgewinne/Ausbeutung z.B. d. Immobilien- und Bodenspekulation u.v.a

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Antwort von
DIE LINKE

Vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne etwas grundsätzlicher beantworten möchte.

Eine ausbeutungsfreie Gesellschaft ist - wie Sie richtigerweise schreiben - politisches Ziel der Partei DIE LINKE und Ausdruck unserer politischen Gesellschaftsvorstellung, die sich mit den Begriffen Gerechtigkeit und Solidarität in unserer Tagespolitik als Leitwert und -motiv wiederfindet. Natürlich wissen und erfahren wir dabei immer wieder, dass im sozialen und wirtschaftlichen Kontext des Kapitalismus, so wie wir ihn derzeit vorfinden, dass wir uns auch in Thüringen in systembedingten Ausbeutungsverhältnissen bewegen. Auch hier müssen die Menschen nach wie vor ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, um für das Bestreiten des eigenen Lebensunterhaltes entlohnt zu werden und dieses zu ermöglichen. Das bedeutet, dass auch weiterhin der Wert eines jeden Arbeitenden mit dem Lohn ausgedrückt wird. Aber auch, weil es oftmals zu einem Missverhältnis kommt, dessen Bemessungsgrenze oft willkürlich und nicht gerecht sind. So finden wir Lohnunterschiede vor, ohne dass sich in ihnen der eigentliche Wert der Arbeit – und schon gar nicht der Wert des Arbeitenden selbst - begründen oder ableiten ließe. Darüber erleben wir eine eine Struktur, in der Menschen über den Besitz von Kapital, Arbeitsmitteln, Immobilien und einem privaten Zugang zu natürlichen Ressourcen ohne eigene Erwerbsarbeit Einkommen akkumulieren. Ausbeutung liegt immer dann vor, wenn Ressourcen aller (Natur) oder einzelner (Arbeitskraft) in Abhängigkeitssystem genutzt werden, um privat Gewinne zu erzielen. Dabei ist die gesellschaftliche Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit von Produziertem oder der angebotenen Dienstleistungen nicht notwendige Voraussetzung, sondern die Erwirtschaftbarkeit peguniärer Gewinne. Gesellschaftlich notwendige aber nicht gewinnversprechende Aufgaben werden andererseits der gesamten Gesellschaft auferlegt, an deren Kosten keine tatsächlich gerechte Beteiligung, bspw. durch eine Steuerpolitik, erfolgt.

Im Kapitalismus werden so fast alle menschlichen Beziehungen und unser Verhältnis zur Natur Warenbeziehungen. Natürliche Ressourcen werden der Allgemeinheit entzogen, von dörflichen Brunnen bis zu den Metropolen wird Wasser privatisiert, Nahrungsmittel werden zu Spekulationsobjekten an den Börsen und die Früchte des Bodens füllen die Geldbörsen weniger.

Der Kapitalismus hat zweifelsfrei in den Jahrzehnten seiner Existenz Reichtum hervorgebracht und in vielen Ländern den Wohlstand großer Teile der Bevölkerung erhöht. Zugleich bleiben Milliarden Menschen von diesem Reichtum ausgeschlossen. Die soziale Ungleichheit ist größer geworden, die Kluft zwischen Armut und Reichtum klafft immer weiter auseinander. Das gilt national genauso wie international. Die Krisen der kapitalistischen Marktwirtschaft haben Massenerwerbslosigkeit, Einkommensverluste und Sozialstaatsabbau zur Folge. Zwar hat der Kapitalismus die technologischen Voraussetzungen geschaffen, um Armut für immer zu überwinden. Doch er zementiert eine Weltordnung, in der alle fünf Sekunden ein Kind verhungert und mehr als eine Milliarde Menschen zu wenig zu essen und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Wir sind überzeugt, dieses Missverhältniss muss überwunden werden. Wir wissen aber auch, dass dies einen langfristigen und sich stetig vollziehenden Transformationsprozess erfordert, der sich mit jeder etwas mehr Gerechtigkeit schaffenden tagespolitischen Entscheidung in legislativer und exekutiver Verantwortung vollzieht. In diesem Sinne setzen wir uns jeden Tag ein für bspw. eine sozial gerechte Steuerpolitik ein, die denen mehr Verantwortung überträgt, die mehr leisten können und diejenigen entlastet, die Unterstützung nötig haben, für Tarif- und armutsfeste Löhne, für bessere Arbeitsbedingungen, für die Reprivatisierung von Aufagben der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, wie Gesundheit, Wohnen, Wasser- und Abwasser, Energie, Mobilität usw., und für einen sozialen Ausgleich durch Transferzahlungen und gesellschaftliche Angebote, wie Bildung, Kultur, Infrastruktur, die allen unterschiedslos die selben Entwicklungsperspektiven eröffnet. Und nicht zuletzt ist es eine Frage der Gerechtigkeit, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu erhalten und diese eben nicht zum ökonomischen Eigennutz in der Gegenwart auszubeuten und damit Lebensgurndlagen dauerhaft zu zerstören oder nachhaltig negativ zu beeinflussen.

Von mehr Gerechtigkeit und - in der gesellschaftspolitischen Perspektive - einer ausbeutungsfreien Gesellschaft werden letztlich alle profitieren.

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