Denken Sie, dass auch das ärztliche und pflegerische Personal mit verpflichtenden Pausen- und Maximalarbeitszeiten vor Übermüdung und den daraus resultierenden Fehleranfälligkeiten geschützt werden sollten?

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Linda Heitmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas S. •

Denken Sie, dass auch das ärztliche und pflegerische Personal mit verpflichtenden Pausen- und Maximalarbeitszeiten vor Übermüdung und den daraus resultierenden Fehleranfälligkeiten geschützt werden sollten?

Sehr geehrte Frau Heitmann,

ich verfolge die gesellschaftliche Debatte um die Bezahlung von Klinikpersonal, insbesondere im pflegerischen Bereich während des Höhepunktes der Corona-pandemie und danach. (Stichwort: Wir brauchen bessere Bezahlung und kein Klatschen).
In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, wieso z.B. bei LKW-Fahrern aus guten Grund Pausen- und Ruhezeiten vorgeschrieben sind und polizeilich kontrolliert werden, im Gesundheitsbereich jedoch nicht. Immer wieder ist die Rede von 24-Stundendiensten, die wegen Personalmangels dann auch teilweise ohne oder mir sehr kurzen Pausen stattfinden. Bekannte aus dem AK Altona bestätigen diese anstrengende Praxis.
Nicht selten geht es dabei um Menschenleben.
Denken Sie, dass auch das ärztliche und pflegerische Personal mit verpflichtenden Pausen- und Maximalarbeitszeiten vor Übermüdung und den daraus resultierenden Fehleranfälligkeiten geschützt werden sollten?

Vielen Danke im Voraus

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Im § 5 des Arbeitszeitgesetzes sind die Ruhezeiten auch für Krankenhausmitarbeitende bereits gesetzlich geregelt. Demnach gilt:
„(1) Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.
(2) Die Dauer der Ruhezeit des Absatzes 1 kann in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung, in Verkehrsbetrieben, beim Rundfunk sowie in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung um bis zu eine Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird.
(3) Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden."

Wie Sie es richtig beobachtet haben, schildern jedoch nichtsdestotrotz vor allem Pflegefachpersonen, dass es vor allem die starke Beanspruchung ist, die sie körperlich, psychisch und emotional immer häufiger an die Belastungsgrenze führt und dass Ruhezeiten, die früher völlig ausreichend waren, heute nicht mehr genügen. In den vergangenen Jahrzehnten hat im Krankenhaus insbesondere auf Seiten des Pflegepersonals eine enorme Arbeitsverdichtung stattgefunden: Bei gleich bleibender oder sogar abnehmender Personalausstattung werden mehr Patientinnen- und Patientenfälle bearbeitet. Jetzt, wo sich Kliniken stärker um mehr Pflegefachpersonen bemühen, ist der Markt leergefegt, sodass Stellen kaum noch nachbesetzt werden können.

Die Ampelkoalition hat sich jedoch darauf geeinigt, die Beanspruchung der Pflegefachpersonen im Krankenhaus zu verringern, indem die Arbeitsbelastung auf mehr Pflegekräfte verteilt wird. Kurzfristig soll eine überarbeitete Version der Pflegepersonal-Regelung (PPR 2.0) diesen Zweck erfüllen. Mittelfristig wird ein wissenschaftlich belegtes Personalbemessungsinstrument entwickelt und umgesetzt. Mit geringerer Beanspruchung werden die gesetzlich geregelten Ruhezeiten hoffentlich wieder genügen.

Diese 24-Stunden-Dienste mit Bereitschaftsanteil kommen hauptsächlich und insgesamt eher selten bei Ärzt*innen vor. Eine bessere Personalausstattung würde u.a. auch dazu führen, dass Mitarbeitende in Bereitschaftsdiensten weniger beansprucht würden, da regulär mehr Personal zur Verfügung stehen würde, welches sich die Arbeit teilen kann. Darüber hinaus haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen noch einmal kritisch überprüft werden soll. Konkret geht es hierbei um die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf nichtärztliche Gesundheitsberufe.

Ich habe somit die Hoffnung, dass wir bei diesem Thema diese Legislatur durchaus zu einigen Verbesserungen kommen werden. In diesem Sinne wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Linda Heitmann

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