Frage an Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Marie-Agnes Strack-Zimmermann
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Frage von Kristina P. •

Frage an Marie-Agnes Strack-Zimmermann von Kristina P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Strack-Zimmermann,

Gegenstand meiner Fragen an Sie, als Bundestagsabgeordnete, sind Femizide.

Im Jahr 2017 gab es in der BRD laut PKS insgesamt 564 versuchte, davon 351 vollendete Tötungsdelikte gegen Mädchen/Frauen. Von den 351 vollendeten Tötungsdelikten an Frauen sind 147 durch sogenannte „Partnerschaftsgewalt“ erfasst (für 2018, bzw. 2019 liegen diese Auswertungen noch nicht vor).

Femizide sind sowohl politisch, kulturell, religiös als auch geschlechtsbedingt motiviert und stellen in ihrer Häufigkeit zwischenzeitlich einen systemisch bedingten Angriff auf große Teile der Bevölkerung, die Mädchen und Frauen, dar.

Im Grundgesetz der BRD ist in Art.2 (2) das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als Grundrecht verankert.

Die Bundesregierung Deutschland hat zudem die, seit 1. Februar 2018 in Kraft getretenen, Istanbul-Konventionen ratifiziert.

Die BRD hat darüber hinaus die UN Menschenrechts-Charta und damit das unter Artikel 3 verankerte Grundrecht auf Leben ratifiziert.

Dennoch fanden und finden im Rechts- und Sozialstaat Deutschland, einer der reichsten Industrienationen weltweit, an jedem 2. bis 3. Tag Femizide statt:

Wie ist es zu erklären, dass die zuständigen Ministerien (BMFSFJ & BMJV) die steigende Anzahl an Femiziden in der BRD ohne nennenswertes Engagement billigend hinnehmen?

Wie erklärt sich, bei einem Gesamtetat des BMFSFJ von 10,45 Milliarden, das Almosen-Budget von 6,1 Millionen (<0,06%) für Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen?

Wie ist zu rechtfertigen, dass Frauen damit der gesetzlich verankerte Schutz vor sexualisierten Verbrechen und der Zugang zu Recht, den die Ministerinnen laut nationaler und internationaler Gesetze gewährleisten müssen, verwehrt wird?

MfG
Kristina Wolff

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Professor Wolff,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ich freue mich, dass Sie dieses wirklich wichtige Thema ansprechen. Ich
bin nämlich ganz bei Ihnen: Es ist schlichtweg erschütternd, dass jeden
zweiten bis dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem (ehemaligen)
Partner umgebracht wird. Gerade in einem Land wie Deutschland ist das
eine wahrhaft unvorstellbare Größenordnung. Ich vermeide indes den
Gebrauch des Begriffs „Femizid“, da er impliziert, dass Frauen allein
aufgrund ihres Frauseins ermordet werden.
Sie haben aber natürlich vollkommen recht - das Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit ist tatsächlich in sämtlichen Rechtsordnungen
gleich vorn angestellt. Auch die ersten drei Artikel der Charta der
Grundrechte der EU enthalten die Menschenwürde, das Recht auf Leben und
das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Alle zwei bis
drei Tage kommt es in Deutschland somit zu schwersten Verstößen gegen
unsere national, europa- und völkerrechtlich gesicherten Grundrechte. Es
ist nicht nachvollziehbar, wieso da von der Regierung nicht mehr
gegen unternommen wird! Frau Dr. Giffey hat Ende vergangenen Jahres
berichtet, einen Runden Tisch einberufen zu haben, an dem Bund, Länder
und Kommunen mit Fachleuten aus der Praxis zusammenarbeiten sollten, um
verbindliche Lösung auszuarbeiten. Es würde mich freuen, von dieser
Seite demnächst mal etwas zu hören!

Im Übrigen: Nach welchen Kriterien sich das BMFSFJ sein Gesamtetat
einteilt, weiß ich nicht. Wichtig ist allerdings, dass für die
Bekämpfung von Gewalt an Frauen im nächsten Jahr bereits 35 Millionen
Euro eingeplant sind - Ausgaben, die sich bei zum Jahr 2022 auf rund 100
Millionen erhöhen sollen
(https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/haushalt-2019-im-bundestag/130888).
Das sind erfreuliche Nachrichten!

Festzuhalten bleibt, dass es in Deutschland noch einen ganz erheblichen
Handlungsbedarf gibt. Ich finde es begrüßenswert, dass es bereits
konkrete Maßnahmen wie das rund um die Uhr erreichbare Hilfetelefon gibt
und ein erhöhter Fokus auf den Ausbau von Frauenhäusern gelegt werden
soll, damit keine Frau in einer Situation akuter Bedürftigkeit von
diesen Anlaufstellen wieder weiter- oder weggeschickt werden muss.
Allerdings muss auch darauf eingegangen werden, dass die Opfer häufig in
einem starken emotionalen und teils auch finanziellen
Abhängigkeitsverhältnis zu den Tätern stehen, sodass sie sich oft erst
spät und teilweise gar keine Hilfe suchen. Es müssen Lösungen erarbeitet
werden, die es erlauben, dass auch diese Frauen die Unterstützung
erhalten können, die sie so dringend benötigen.

Jeder Fall häuslicher Gewalt ist einer zu viel. Es gilt unbedingt, bei
diesem Thema dranzubleiben!

Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Ihre Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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