Frage an Markus Kurth bezüglich Bildung und Erziehung

Portrait von Markus Kurth
Markus Kurth
Bündnis 90/Die Grünen
21 %
/ 19 Fragen beantwortet
Frage von Frank V. •

Frage an Markus Kurth von Frank V. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Kurth,

wie stehen Sie zum Thema Studiengebühren? Ist dies angesichts eines Akademikermangels in Deutschland nicht kontraproduktiv? Was halten Sie davon, dass der Staat massiv Geld in den Aufbau von "Elite-Unis" steckt?

mfg

Portrait von Markus Kurth
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Volkmann,

lassen Sie mich die gerade getroffene Entscheidung der schwarz-gelben NRW-Landesregierung, Studiengebühren nun auch von Bafög-EmpfängerInnen zu verlangen, zum Anlass nehmen, um auf Ihre Frage zu antworten.

Aus meiner Sicht sind Beschlüsse, wie der oben genannte, nicht nur als beispiellose Politik der sozialen Ungerechtigkeit zu bewerten, sondern stellen überdies eine bildungspolitische Dummheit sondergleichen dar.

Denn - Sie haben den Akademikermangel erwähnt - im europäischen Vergleich ist die Zahl von Studierenden in Deutschland ohnehin gering. Vor allem Kinder aus Arbeiterfamilien meiden aus finanziellen Gründen das Hochschulstudium. Und der Anteil von Studierenden aus sozial schwachen Familien ist nach den Zahlen der Studentenwerke deutlich rückläufig. Die Einführung von Gebühren für das Erststudium würde diese Tendenz verstärken und ihre Zahl noch weiter reduzieren.

Bereits jetzt hat die Angst vor einer späteren Verschuldung zur Folge, dass die Zahl der Bafög-Geförderten insgesamt abnimmt. In Dortmund etwa ist seit 1980 ein Rückgang um gut 30 Prozent zu verzeichnen.

Die Regelung, dass den Hochschulen die Einführung und Höhe der Gebühren freigestellt wird, schafft mittelfristig zwei Klassen von Hochschulen. Während sich ein Kind aus reicher Familie dann ein Studium an einer guten Hochschule leisten kann, ist ein Studium für Kinder aus einkommensschwachen Familien entweder nicht mehr zu finanzieren oder sie müssen sich künftig an schlecht ausgestatteten Billig-Unis durchschlagen.

Dementsprechend lehne ich sowohl die Einführung von Studiengebühren für das Erststudium als auch eine staatliche Förderung, die sich auf die Schaffung von "Elite-Unis" konzentriert, prinzipiell ab.

Der von CDU und FDP eingeschlagene "Weg der Selektion von Anfang an" ist nach meinem Dafürhalten sowohl sozial- als auch bildungspolitisch völlig indiskutabel.

Grüne Bildungspolitik setzt auf die Autonomie der Hochschulen. Sie sollen sich als Orte der Weiterbildung profilieren. Als staatliche Aufgaben verbleiben die Absicherung von Qualitätsstandards und die Gewährleistung transparenter Evaluationsverfahren. Die Ergebnisse der Bewertungen müssen für jeden zugänglich sein. Darüber hinaus muss die Beratung verstärkt werden. Gerade bildungsfernen Schichten fällt es schwer, die richtige Wahl des Studienortes und -gangs zu treffen.

Wir treten für eine plurale Bildungslandschaft ein. Private Bildungseinrichtungen sind eine sinnvolle Ergänzung zu staatlichen Einrichtungen. Sie befördern den Wettbewerb um die besten Bildungs- uns Lehrkonzepte und tragen damit zur Qualitätssteigerung bei. Private Bildungseinrichtungen müssen aber auch privat finanziert werden.

Einrichtungen zur besonderen Förderung von Hochbegabung begrüßen wir. Hier ist eine staatliche Förderung sinnvoll. Allerdings muss dort gewährleistet werden, dass niemand aufgrund seines Geschlechts, seiner Herkunft oder seiner sozialen Lage ausgegrenzt wird. Elite-Förderung ist dann zu begrüßen, wenn sie von einem funktionalen Elite-Begriff ausgeht, der nicht vom Status des Elternhauses abgeleitet wird, sondern vom persönlichen Vermögen jedes einzelnen. Nicht zuletzt deshalb müssen die ausbildungsbezogenen Leistungen endlich direkt an die Empfänger, also die Studierenden ausbezahlt werden. Wir wollen den Einstieg in die elternunabhängige Finanzierung des Studiums.

Herr Volkmann, ich danke für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Kurth

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Markus Kurth
Markus Kurth
Bündnis 90/Die Grünen