Frage an Markus Kurth bezüglich Energie

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Markus Kurth
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Joachim R. •

Frage an Markus Kurth von Joachim R. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Kurth,

Neben erneuerbaren Energien, die sicherlich eine bedeutende Entwicklung vor sich haben, interessiert mich vor allem ein Punkt im Bereich Energiepolitik:

- Wie stehen Sie zur seit 1997 vorangetriebenen Deregulierung des Energiemarktes?

Meines erachtens ist diese Deregulierung fehlgeschlagen, was am Beispiel des bundesdeutschen Strommarktes deutlich wird: vier Versorgungsunternehmen teilen sich 80% des Marktes; ferner konnten die beiden größten Unternehmen im letzten Jahr zusammen knapp 8 Mrd. € Gewinn einfahren. Konkurrenz durch andere Anbieter konnte bislang wirksam unterdrückt werden. Die daraus resultierenden, unverantwortlich hohen Energiepreise (hier insbesondere: Strom) schröpfen nicht nur den Endverbraucher, sondern strangulieren langsam aber sicher auch die Wirtschaft.
- Werden Sie auf eine weitere Deregulierung des Energiemarkte und auf eine Stärkung der Kompetenzen der Regulierungsbehörden drängen?
- Wenn ja, wie würden Sie ein solches Konzept umsetzen?
- Werden Sie sich aktiv für die Verbraucherinteressen in diesem Sektor einsetzen?
- Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen schweben Ihnen vor?

Ich bedanke mich im voraus für Ihre ausführlichen Antworten auf meine Fragen.

Mit freundlichem Gruß,

Joachim Richter

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Richter,

Ihre Eingangsfrage zur Deregulierung des Strom- und Gasmarktes ist durchaus berechtigt, aber in der gestellten Form nicht mehr zeitgemäß. Denn wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen und die Liberalisierung aufhalten. Jetzt gilt es die Fehlentwicklungen zu korrigieren und das Beste für die Verbraucher zu bewirken. In der Tat wurden 1997 von der damaligen Regierung viele Fehler gemacht. Nimmt man die Entscheidung zu liberalisieren als Europäischen Rahmen hin, lag der größte Fehler wohl darin, dass die Bundesregierung unter Kohl die Ausgestaltung der Wettbewerbsregeln den mächtigsten Marktakteuren selbst überlassen hat. Die großen Konzerne und deren Verbände verhandelten zusammen mit der Industrie. Verbraucher (-verbände) und die neuen Wettbewerber wurden von den Diskussionen weitgehend ferngehalten. Deutschland verzichtete als einziges Land der EU auf eine staatliche Aufsichtsbehörde. Außerdem wurde die Trennung des Netzbetriebs von Energieproduktion und -vertrieb nicht angegangen. Daher hatten die großen Energieversorgungsunternehmen und die Stadtwerke immer einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber neuen Energieanbietern ohne eigene Netze. Sie konnten Ihre Gewinnmaximierung in den Monopolbereich des Netzbetriebes verlagern und durch Quersubventionierung ihre Wettbewerbsbereiche Energieproduktion, bzw. -vertrieb zu Kampfpreisen anbieten. Die allgemeine staatliche Kontrolle durch das Bundeskartellamt war unzulänglich.
Dem haben wir durch das gerade verabschiedete Energiewirtschaftsgesetz
die Liberalisierung entscheidend korrigiert. Wir haben:
* die Bundesnetzagentur mit der Aufsicht über die Energiemärkte beauftragt. Sie soll die Preisbildung für die Netze beaufsichtigen und Quersubventionierung verhindern.
* die Entflechtung der integrierten Unternehmen vorangetrieben. So müssen die EVU durch informatorische, organisatorische und rechtliche Entflechtung den Netzbetrieb von den anderen Bereichen trennen.
* den Wettbewerb auf dem Gasmarkt durch das Entry- Exit Modell erst ermöglicht. Anders als im Strombereich gab es hier bislang null wettbewerbliche Entwicklung. Die vollzogenen Schritte beinhalten enorme Veränderungen zu mehr Wettbewerb.
* die Anreizregulierung als bindendes Regulierungssystem angestoßen. Zukünftig werden die Netzbetreiber miteinander verglichen, nur der Effizienteste darf zusätzliche Gewinne machen, der uneffizienteste wird angehalten seine Kosten und seine Preise zu senken.
* die Liberalisierung des Mess- und Zählwesens durchgesetzt. In diesem Bereich haben Netzbetreiber ungerechtfertigt hohe Gewinne eingefahren. Hier sollen mehr Transparenz und mehr Wettbewerb zu sinkenden Preisen für den Verbraucher führen.

Gerne hätten wir noch weitere Veränderungen durchgesetzt. Vor allem unsere verbaucherfreundlichen Ansätze wie das Verbandsklagerecht oder eine klar verständliche Stromkennzeichnung werden von der CDU/CSU und der FDP im Bundesratsverfahren aktiv verhindert. Daher müssen wir die nächste Novelle des Energiewirtschaftsrechtes nutzen, um weitere Verbesserungen durchzusetzen. Dies ist natürlich auch von der weiteren Entwicklung, dem Zusammenspiel der einzelnen Akteure abhängig. Klar ist aber, dass wir die Verbraucherinteressen weiterhin im Fokus haben werden! Die Verbrauchervertreter müssen in den Fachdiskussionen eine zunehmend starke Rolle spielen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit den Ausführungen erste Einblicke in unsere Vorstellungen zur Energiewirtschaft geben. Sollten sie weiteren Informationsbedarf haben, sende ich Ihnen gerne unsere Ausführungen und Kommentierungen zum Gesetzgebungsprozess zu.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Kurth

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