Warum Unterschiede in der Behandlung syrischer und ukrainischer Kriegsflüchtlinge?

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Markus Töns
SPD
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Frage von Heike R. •

Warum Unterschiede in der Behandlung syrischer und ukrainischer Kriegsflüchtlinge?

Sehr geehrter Herr Töns,
ich habe 3 Fragen.
1. "2015 darf sich nicht wiederholen", so übereinstimmend die Aussagen der deutschen Politiker. Warum wiederholt es sich dennoch wieder, diesmal mit sehr vielen ukrainischen Kriegsflüchtlingen, vorher mit syrischen Kriegsflüchtlingen ?
2. Die Ukraine ist weder EU noch NATO Mitglied, sie ist als das korrupteste Land in Europa, derzeit
auch kein ernsthafter Kandidat für schnelle EU Aufnahme.
quelle: https://www.laenderdaten.info/Europa/Ukraine/korruption.php
Warum wurden/werden syrische Kriegsflüchtlinge schlechter und ungleicher behandelt, als ukrainische Kriegsflüchtlinge?
quelle:https://www.rnd.de/politik/fluechtlinge-aus-der-ukraine-und-syrien-warum-unterscheiden-wir-migrationsforscher-erklaert-CJMETI5QCNGNDIQC2MFT7BTZFE.html
3. Warum hat sich seit 2015 kaum etwas in Europa getan, bzgl. gerechter Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU Länder?

Mit freundlichem Gruß
H. R.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau R.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Der furchtbare Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine und das damit verbundene schreckliche Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer macht uns sehr betroffen und stellt zugleich Deutschland und die EU vor gewaltige Herausforderungen. Seit Beginn der russischen Offensive am 24. Februar sind viele Menschen aus der Ukraine geflohen. Die meisten von ihnen sind in den direkten ukrainischen Anrainerstaaten und hier insbesondere in Polen untergekommen. Doch auch in Deutschland kommen immer mehr Menschen an. Schon jetzt sind es mehr als in einem vergleichbaren Zeitraum in 2015. Doch möchte ich Ihnen widersprechen, dass sich die Fehler aus 2015 wiederholen.

So war es anfangs genau richtig, dass das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) zunächst auf ein freiwilliges Pledging-System bei der Verteilung von Vertriebenen zurückgegriffen hat. Dabei haben die Länder freiwillig freie Unterbringungskapazitäten gemeldet und dann die entsprechenden Geflüchteten zugewiesen bekommen. Als die Zahl der Ankommenden pro Tag dann immer größer und die gemeldeten Kapazitäten immer geringer wurden, hat das BMI weitere Schritte ergriffen, um eine Überlastung von einzelnen Ländern zu verhindern. Seit 16. März 2022 werden die durch den Bund koordinierbaren Züge und Busse mit ankommenden Vertriebenen nicht mehr nach Freiwilligkeit, sondern nach der Leistungsfähigkeit der Länder auf Grundlage des Königsteiner Schlüssels verteilt. Bisher erfolgt die Verteilung dabei – wie auch bei Asylsuchenden allgemein – durch ein computergestütztes System, EASY (Erstverteilung Asylbegehrende), nach einer festgelegten Aufnahmequote auf die Bundesländer. So soll eine angemessene und gerechte Verteilung auf die Bundesländer sichergestellt werden. Zudem hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein neues Registrier- und Verteilsystem für Flüchtlinge aus der Ukraine entwickelt, dessen Einsatz nun mit den Ländern vereinbart wurde: Die „Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz - FREE“ soll jetzt zügig überall eingeführt und optimiert werden. In den Ankunftszentren, Aufnahmeeinrichtungen und Ausländerbehörden können bundesweit von allen Ankommenden Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und weitere personenbezogene Daten erfasst werden. FREE ermöglicht damit bereits vor der Registrierung im Ausländerzentralregister eine individualisierte und nachvollziehbare Verteilung auf die Länder und Kommunen. Die Verteilentscheidungen sollen später nachvollzogen und Doppelanmeldungen und -verteilungen verhindert werden. Dies soll auch zur Vermeidung von Menschenhandel und Zwangsprostitution beitragen. Der Bund übernimmt dabei die Koordinierung.

Für uns ist klar: Die Kommunen dürfen nicht im Regen stehen gelassen werden. Am Ende dürfen sie durch die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten mit keinem einzigen Cent mehr belastet werden. Klar ist aber auch: Es muss eine gerechte Lastenteilung zwischen Bund und Ländern geben. Ein monatelanges Geschacher um die Verteilung der Kosten, eine Wiederholung des unwürdigen Spiels aus 2015/2016, darf es nicht geben.

Wir haben aus unseren Fehlern der vergangenen Jahre gelernt und versuchen die Unterbringung sowie Versorgung der ukrainischen Geflüchteten so würdig wie möglich zu gestalten. Was den syrischen Geflüchteten geschehen ist, können wir dabei leider nicht rückgängig machen. Was wir vermeiden müssen, ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Geflüchteten. Auch die syrischen Geflüchteten 2015/2016 flohen vor Bomben und Krieg. Auch sie bekamen zunächst nur Leistungen nach dem AsylbLG. Allerdings erhalten Asylsuchende nach ihrer Anerkennung auch Leistungen nach dem SGB II und SGB XII – und die Verfahren dauern im Durchschnitt nur wenige Monate. Die Menschen, die jetzt aus der Ukraine fliehen, müssen nicht mehr in ein Asylverfahren, sondern erhalten direkt eine Anerkennung. Bund und Länder haben sich gestern daher darauf geeinigt, dass hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine künftig wie anerkannte hilfsbedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt werden und somit sogleich Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII erhalten. Des Weiteren wird verstärkt auf Sprach- und Integrationskurse gesetzt. Am Ende liegt es aber auch bei jedem Einzelnen in der Gesellschaft, ein integratives Umfeld zu gestalten.

Wir haben den EU-Beitrittswunsch der Ukraine vernommen und werden ihn unterstützen. Es wird jedoch kein Eilverfahren geben. Wie jeder andere Kandidat, muss die Ukraine zunächst alle Beitrittskriterien erfüllen.

Ich gebe Ihnen recht, dass es längst an der Zeit ist, das die EU ihre Einwanderungs- und Migrationspläne überarbeitet. Doch auch hier gab und gibt es große gemeinsame Bemühungen zur bestmöglichen Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge. Die geltende Rechtslage ist ganz eindeutig: Ukrainische Staatsangehörige, die einen biometrischen Pass besitzen, können ohne Visum in die EU einreisen und sich im Schengen-Raum bis zu 90 Tage (im Zeitraum von 180 Tagen) frei bewegen. Zudem können ukrainische Staatsangehörige nach Ablauf der 90 Tage einmalig eine Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde für einen weiteren Aufenthalt von 90 Tagen einholen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang sehr, dass der EU-Rat am 4. März 2022 einen einstimmigen Beschluss zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes für Ukrainerinnen und Ukrainer sowie Drittstaatsangehörige in der Ukraine gefasst hat. Dies ist eine historische Entscheidung. Deutschland hat die zu Grunde liegende Richtlinie über § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) umgesetzt.

Sie erreichen mich gerne auch immer direkt unter meiner Mailadresse markus.toens@bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen

Markus Töns

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