Frage an Marlene Mortler bezüglich Finanzen

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Marlene Mortler
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Frage von Steffen G. •

Frage an Marlene Mortler von Steffen G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Mortler, ,

seit geraumer Zeit wird im Bekanntenkreis die Frage diskutiert, was uns die Kriegseinsätze in Afghanistan, Kosovo und in anderen Ländern kostet.
Uns Bürgern wird zwar immer von der Notwendigkeit dieser und anderer Einsätze erzählt, aber es regt sich der Widerstand zu den Beschlüssen des Bundestages und der -regierung. Daher möchte ich von Ihnen wissen, was kosten uns die Einsätze unserer Bundeswehrsoldaten, der Polizei und ähnlicher Verbänden im Ausland. Dabei möchte ich detailliert wissen, wie die Kosten bisher waren und künftig sind. Das wiederum aufgeschlüsselt entsprechend den einzelnen Einsätzen.
Desweiteren wurde ich beruflich häufig mit den Begriff "Kontigentrussen" konfrontiert. Wann wurde diese Maßnahme beschlossen und warum (auf jeden Fall in der Ära Schröder/ Fischer)? Wieviel dieser Bürger wurden in Deutschland eingegliedert und welche Altersstruktur steht dahinter. Welche kosten traten auf?

Ich hoffe meine Fragen verständlich formuliert zu haben und bedanke mich im voraus für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Georgi

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Georgi,

Ihre Anfrage zu den Auslandseinsätzen der Deutschen Bundeswehr, der Bundespolizei, des Technischen Hilfswerkes, der Polizei der Länder u.a. kann in der von Ihnen erbetenen Detaillgenauigkeit in einer vertretbaren Zeit nicht beantwortet werden. Mehrere Bundesministerien (u.a. Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium des Innern, Auswärtiges Amt, Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit) müssten hierzu angefragt werden. Zudem müssten die zuständigen Ministerien in den 16 Ländern angefragt werden. Dies möchte ich meinem Büro nicht aufbürden. Bitte haben Sie hierfür Verständnis.

Meine zuständigen Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages haben aber meine Rückendeckung, dass Sie nur Ausgaben genehmigen, die sachlich und fachlich korrekt und notwendig sind und die Sicherheit der im Ausland tätigen Deutschen gewährleisten. Genaue Daten könnte ich Ihnen zudem auch nicht liefern, da sie teilweise der Geheimhaltung unterliegen.

Ihre Frage nach den zukünftigen Kosten, kann Ihnen niemand beantworten. Alle Schätzungen würden nur auf kurzen Momentaufnahmen beruhen. Im nächsten Augenblick könnte es aufgrund einer veränderten Gefährdungssituation schon wieder anders aussehen.

Mit dem Begriff "Kontingentrussen" kann ich nichts anfangen. Vielleicht meinen Sie die Spätaussiedler bzw. die jüdischen Kontingentflüchtlinge.

Die Annahme, dass die Aussiedler und Spätaussiedler erst seit einigen Jahren nach Deutschland kommen, ist falsch. Die Aussiedler kommen praktisch seit Ende des Zweiten Weltkriegs, eine offizielle Statistik gibt es seit 1950. Erst mit der Öffnung des Ostblocks Ende der 1980er Jahre stieg jedoch die Einreise der Deutschen sprunghaft an, so kamen zwischen 1988 und 1995 pro Jahr zwischen 200.000 und 400.000 Personen in die Bundesrepublik Deutschland, in 2004 waren es nur noch 59.000 mit weiter fallender Tendenz für die nächsten Jahre. Ingesamt kamen seit 1950 über 4,4 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland, davon alleine fast 2,3 Millionen aus der UdSSR und den Nachfolgestaaten.

Spätaussiedler nennt man dabei Personen, die die Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen haben. Von Aussiedlern spricht man bei Personen, die die Aussiedlungsgebiete vor dem 01. Januar 1993 verlassen haben.

Nach Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland erhalten die Spätaussiedler und ihre Angehörigen eine einmalige Überbrückungshilfe des Bundes in Höhe von 11 Euro pro Person (§ 9 Abs. 2 Nr.1 BVFG). Diese Überbrückungshilfe wird oft auch Betreuungs- oder Begrüßungsgeld genannt und dient z.B. dem Erwerb von Dingen des täglichen Bedarfs oder ersten Telefonaten mit Verwandten. Außerdem erhalten die Personen in Friedland unentgeltlich Unterkunft und Verpflegung bis zur Festlegung des Bundeslandes, in dem sie aufgenommen und eingegliedert werden sollen. Als pauschalen Ausgleich für die Kosten der Aussiedlung aus den Herkunftsgebieten erhalten die Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion 102 Euro, aus Rumänien 51 Euro und aus Polen 25 Euro (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 BVFG). Die Erstattung dieser Rückführungskosten muss innerhalb von 6 Monaten nach dem Eintreffen in Deutschland beantragt werden.

Spätaussiedler (nicht aber deren Familienangehörige) aus der ehemaligen UdSSR erhalten zum Ausgleich für den erlittenen Gewahrsam (wenn sie also wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit politische Haft oder Verbannung erlitten haben) auf Antrag eine pauschale Eingliederungshilfe. Die vor dem 01. Januar 1946 geborenen Spätaussiedler erhalten 3.067,75 Euro, die vor dem 01. April 1956 geborenen Spätaussiedler 2.045,17 Euro (§ 9 Abs. 3 BVFG).

Neben dem grundsätzlichen Anspruch auf Sozialleistungen, der ihnen wie allen Deutschen zusteht, erhalten die Aussiedler und Spätaussiedler keine weiteren finanziellen Unterstützungen. So erhalten sie nach der Verteilung auf die Bundesländer auch keinen kostenlosen Wohnraum und auch keine verbilligten Kredite, z.B. für einen Hausbau. Dass sich die Aussiedler und Spätaussiedler solche großen Anschaffungen dennoch leisten können, hat ganz oft damit zu tun, dass zum einen beide Elternteile arbeiten und die Familien auch sonst erhebliche Einschränkungen in der Lebensführung auf sich nehmen, um solche Dinge zu finanzieren.

Auch in der Krankenversicherung gibt es grundsätzlich keine Besonderheiten. Sofern die Aussiedler und Spätaussiedler berufstätig sind, sind sie ganz normal in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, ansonsten erfolgt die Versicherung, sofern die Voraussetzungen vorliegen, über die Arbeitsagenturen oder Sozialämter, wie bei allen anderen Bürgern auch.
Einzige Ausnahme ist, dass Spätaussiedler, die nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehören, Leistungen wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, wenn sie innerhalb von zwei Monaten nach Verlassen der Herkunftsgebiete im Bundesgebiet ständigen Aufenthalt genommen haben und der Grund für die Leistung, also die Krankheit, innerhalb von drei Monaten seit der ständigen Aufenthaltsnahme eintritt oder bei der Aufenthaltsnahme bestand.

Die Aufnahme der Aussiedler und Spätaussiedler in die Bundesrepublik hat einen weit zurück reichenden historischen Hintergrund. Aussiedler und Spätaussiedler sind Angehörige deutscher Minderheiten, die sich seit dem Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert auf den Territorien nahezu aller Staaten Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas angesiedelt haben. Sie wurden als dringend benötigte Arbeitskräfte und Kolonisatoren in diese Länder gerufen. Die Zahl der Deutschen, die vor 1939 außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches lebten, beträgt ca. 8,6 Millionen. Weitere 9 Millionen Menschen lebten in den damaligen deutschen Ostprovinzen Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern und Ostpreußen, also in Gebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg Polen zugesprochen wurden.

Weil die Deutschen in Russland für die Politik des Nationalsozialismus mitverantwortlich gemacht wurden, beschloss die russische Regierung im Jahre 1941 die Beschlagnahme von Vieh, Häusern und Einrichtungen der Deutschen. Das Erscheinen deutscher Presse wurde verboten, die deutschen Verwaltungsbezirke aufgelöst und russisch bzw. ukrainisch als Unterrichtssprache in der Schule eingeführt. Etwa 100.000 arbeitsfähige Männer wurden aus den Verbannungsorten zur Verrichtung schwerster physischer Arbeit in die so genannte Arbeitsarmee (Trudarmee) berufen. Die Frauen wurden in mobilen Arbeitskolonien im Straßen- und Bergbau eingesetzt. Nach dem Ende des Krieges wurden die Deutschen massenweise nach Sibirien, Kasachstan oder in den Ural verschleppt. Politische Ächtung, kulturelle und religiöse Repressionen sowie körperliche Übergriffe und Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Damit wurde das Deutschtum in Russland zerschlagen, die Pflege der Sprache und Kultur verboten und die Deutschen in alle Winde zerstreut. Von dieser Zeit an wurden die Deutschen wegen ihrer Herkunft verfolgt. Vertreibungen und Repressionen gab es auch in den anderen Ostblockländern wie z.B. Polen, der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien.

Daraus ergibt sich gegenüber den Aussiedlern und Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen eine historische und verfassungsrechtlich verankerte Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme, denn die Deutschen in Russland und in den übrigen Ländern sind während des Zweiten Weltkriegs unschuldig zum Spielball der kriegerischen Auseinandersetzungen geworden. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung ergibt sich aus Art. 116 Grundgesetz, der besagt, dass Aussiedler und Spätaussiedler und deren Familienangehörige Deutsche sind. Sie haben ein Recht auf Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG), wenn sie dessen gesetzliche Voraussetzungen erfüllen. Dadurch unterscheiden Sie sich ganz grundsätzlich von anderen Migranten, die aus den unterschiedlichsten Gründen nach Deutschland kommen.

Die Aussiedlerpolitik der CDU/CSU achtet Art. 116 GG und nimmt die deutsche Volkszugehörigkeit ernst. Das Recht auf Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland muss für Spätaussiedler und ihre Familien Bestand haben. Aussiedler und Spätaussiedler mit ihrem Können und Fleiß, ihren kulturellen Traditionen und ihrer günstigen demographischen Zusammensetzung (im Jahre 2004 waren nur knapp 10% der eingereisten Personen 60 Jahre und älter, dafür waren aber rund 42 % Kinder und Jugendliche bis 24 Jahre) sind ein Gewinn für unser Land. Die CDU hat sich in ihrem Beschluss des Bundesausschusses ?Zuwanderung steuern und begrenzen. Integration fördern? am 07. Juni 2001 klar auf die Seite der Aussiedler und Spätaussiedler gestellt. Dort heißt es: "Die Zuwanderung von Spätaussiedlern wollen wir im Rahmen fester jährlicher Kontingente weiterhin ermöglichen. Dies ist die Konsequenz der historischen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur Kriegsfolgenbewältigung. Im Ergebnis ist es nicht gerechtfertigt, die Aufnahme von Spätaussiedlern an schärfere Bedingungen im Vergleich zur Aufnahme sonstiger Migranten zu binden. Hierauf zielende politische Konzepte sind abzulehnen."

Aussiedler und Spätaussiedler sind also keine Ausländer (die Betitelung z.B. der Russlanddeutschen in der Bevölkerung als "Russen" ist somit völlig falsch) und sie kommen auch nicht als Asylsuchende in die Bundesrepublik Deutschland. Sie kommen als Deutsche!

Mit freundlichen Grüßen
Marlene Mortler, MdB