Frage an Martina Renner bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Martina Renner
Martina Renner
DIE LINKE
90 %
19 / 21 Fragen beantwortet
Frage von Lutz L. •

Frage an Martina Renner von Lutz L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Renner,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 07.04. http://www.abgeordnetenwatch.de/martina_renner-778-78597--f464674.html#q464674 Sie stellten fest, dass sich der BGH in seiner Entscheidung zum Minderheitenrecht im Untersuchungsausschuss auf das BVerfG (2 BvE 4/14) berief. Da es dort aber um Rechte der Fraktionen und nicht der UA-Mitglieder als Abgeordnete ging, irritierte mich der Bezug. Im weiteren von Ihnen genannten Beschluss 2 BvE 2/15 (Selektoren) wurde ich ab Rn 82 fündig. Dort beruft sich das BVerfG auf "sogenannte Fraktion im Ausschuss(; vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>; 113, 113 <121>)". Bei dem Bezug handelt es sich um einen Beschluss zu Minderheitenrechten im Untersuchungsausschuss. Der entscheidende Passus dort ist wohl unter Rn107 zu finden: "Die bei der Einsetzung des Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. bereits Partsch, Gutachten zum 45. Deutschen Juristentag 1964, Bd. I, Teil 3, S. 199)."
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv105197.html#Rn107

Überzeugt Sie diese Auslegung juristisch und politisch? Sie stammt offensichtlich aus der Zeit um 1964. Als vom Volk Gewählte sind Sie doch nach GG als unabhängige Abgeordnete stimmberechtigt und nicht die Fraktion oder Sie nur als Mitglied der Fraktion? Dass man den Fraktionen von nicht qualifizierten Minderheiten des BT einfachrechtlich bei der Besetzung eines UA Zugeständnisse machte, führt doch nicht zu einer Übertragung des Abgeordneten-Stimmrechts auf eine Fraktion. So ist aber die richterrechtlich entwickelte "Fortwirkung der Einsetzungsberechtigung einer Fraktion in den Untersuchungsausschuss" zu verstehen. Halten Sie diese Volte der Richter für verfassungsgemäß? Werden nicht damit die grundgesetzlich garantierten Stimmrechte des einzelnen Abgeordneten letztlich auf Parteien übertragen, ohne dass der Abgeordnete sich dem entziehen kann?

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Lippke

Portrait von Martina Renner
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Lippke,

vielen Dank für Ihre Nachfrage. Tatsächlich ist die Geltendmachung von bestimmten Rechten der Opposition, insbesondere Minderheitenrechte von der Anzahl der Abgeordneten abhängig. Grundsätzlich müssten es 25% sein. Zu Beginn der aktuellen Wahlperiode hatten sich die Fraktionen durch Schaffung des § 126 a der Geschäftsordnung darauf geeinigt, dass diese Stufe angesichts der Zusammensetzung und der schieren Größe der Koalition auf 120 Abgeordnete abgesenkt wird. Damit ist aber die von der Verfassung vorgegebene Grenze von 25% unterschritten. Dies hat das BVerfG schon in seiner Entscheidung vom 3. Mai 2016 als nicht ausreichend angesehen. Dort heißt es in den Leitsätzen u.a.:

„1. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im 18. Deutschen Bundestag können die die Regierung tragenden Fraktionen CDU/CSU und SPD derzeit insgesamt 503 der 630 Sitze auf sich vereinen, während auf die nicht die Bundesregierung tragenden Fraktionen - die Antragstellerin sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - lediglich 127 der 630 Sitze entfallen.

2. Damit unterschreitet die Gesamtheit der Abgeordneten der Oppositionsfraktionen die Quoren, die das Grundgesetz für die Ausübung von parlamentarischen Minderheitenrechten vorsieht. Dies betrifft im Einzelnen (…)
• das Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG), (…)“

Dies Bewertung setzt sich in den späteren Entscheidungen dann leider konsequent fort, in dem allein darauf abgestellt wird, dass die Anzahl Abgeordneten der Opposition in ihrer Gesamtheit nicht 25% des Bundestages repräsentieren und deshalb keinerlei Minderheitenrechte beanspruchen könnten. Es geht dabei nicht um die Übertragung der Stimmrechte auf die Fraktion.

Es bleibt zu hoffen, dass sich dies mit der bevorstehenden Wahl ändert und die Opposition nicht als Bittstellerin für die Ausübung parlamentarischer Rechte auftreten muss.
Ich hoffe, dass ich Ihre diesmal erschöpfend beantworten konnte. Andernfalls zögern Sie nicht mich erneut anzuschreiben.

Ihre Martina Renner

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Martina Renner
Martina Renner
DIE LINKE