Bisher wurden fast alle Anträge auf Impfschäden bei den Versorgungsämtern abgelehnt. Obwohl die Kausalitäten und dazugehörige Diagnosen fachärztlich gestellt und beglaubigt wurden. Wie kann das sein?

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Martina Stamm-Fibich
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Frage von Annabell F. •

Bisher wurden fast alle Anträge auf Impfschäden bei den Versorgungsämtern abgelehnt. Obwohl die Kausalitäten und dazugehörige Diagnosen fachärztlich gestellt und beglaubigt wurden. Wie kann das sein?

ich wünsche mir von Ihnen eine ehrliche Antwort. Als Leitung einer PostVac SHG bin diese Antwort den Gruppenmitgliedern schuldig und sind es gegenüber einer ganzen Gesellschaft. Wir wurden krank gemacht und bekommen jetzt keinerlei Hilfe, obwohl die Fakten bereits auf dem Tisch liegen. Die Bundesregierung hat Hilfe versprochen!

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Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie die hohe Ablehnungsquote von Anträgen auf Impfschäden bei den Versorgungsämtern frustriert.

Der Grund für die hohe Ablehnungsquote ist, dass der kausale Zusammenhang zweifelsfrei nachgewiesen werden muss. Das heißt, es muss ein direkter Zusammenhang zwischen der Impfung und der Folgeerkrankung nachgewiesen werden. Und dieser Nachweis ist schwierig zu erbringen, da alle anderen Faktoren, die eine Folgeerkrankung ebenfalls bewirken könnten, ausgeschlossen werden müssen. In manchen Fällen ist dieser Nachweis schlicht unmöglich. Und es genügt nicht, eine beglaubigte ärztliche Diagnose einzureichen. Der kausale Zusammenhang muss gutachterlich festgestellt werden. Das ist aufwendig und für Patientinnen und Patienten schwierig.

Deshalb planen wir eine Reform des Patientenrechtegesetzes. Und als zentralen Bestandteil der Reform eine Beweislasterleichterung. Wir wollen, dass es künftig ausreichend ist, wenn der verantwortliche Richter davon überzeugt ist, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der Folgeerkrankung besteht. Allerdings betrifft diese Regelung nicht direkt die Prozesse der Versorgungsämter. Darauf kann der Bund keinen Einfluss nehmen. Die geplante Reform bezieht sich nur auf einen Rechtsstreit zwischen Amt und dem oder der Betroffenen.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stamm-Fibich

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Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich muss mich korrigieren. Ich habe mich geirrt. Denn ich ging von den Regelungen der regulären Arzthaftung aus. Doch laut § 61 Infektionsschutzgesetz (IfSG), unter das die Regelung zu Impfschäden hier fällt, reicht bereits die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs aus, um die Kausalität nachzuweisen.

Auf die Verfahren der Versorgungsämter kann der Bund politisch keinen Einfluss nehmen. Ich kann Ihnen in dieser Angelegenheit nur raten, den Rechtsweg zu gehen und Ihr Recht gerichtlich einzufordern.

Auf politischer Ebene wurden die Anstrengungen, Betroffene von Long COVID, Post COVID und Post-Vac besser zu versorgen, in den letzten Monaten bedeutend intensiviert. Eine flächendeckend gute Versorgung haben wir noch nicht. Doch wir sind aktuell dabei, die Weichen richtig zu stellen.

Das BMG hat unlängst die Long COVID-Initiative ins Leben gerufen. In diesem Zuge wurde auch eine Internetseite erstellt: https://www.bmg-long-covid.de/. Sie bietet zahlreiche Informationen zu Long COVID und Antworten auf die häufigsten Fragen zu Nebenwirkung von COVID-19-Impfstoffen und zum Impfschadensrecht. Zusätzlich wurde beim Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums eine eigene Servicenummer für Betroffene eingerichtet.

Für eine bedarfsgerechte Versorgung der von Long COVID, Post COVID und Post-Vac betroffenen Patientinnen und Patienten bilden Hausärztinnen und Hausärzte gemeinsam mit niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten Netzwerke, die eine interdisziplinäre, ambulante Versorgung sicherstellen. Für schwere oder komplexe Fälle stehen interdisziplinäre Spezialambulanzen insbesondere an Hochschulkliniken zur Verfügung. Neben der Versorgung übernehmen sie auch die Aufgabe der Erforschung der Erkrankung. Die Entscheidung darüber, ob eine Klinik eine Spezialambulanz einrichtet oder nicht, liegt allein bei der Klinik. Die Politik kann aber keinen Einfluss darauf nehmen, ob Hochschulkliniken Spezialambulanzen einrichten.

Allerdings haben die Koalitionspartner SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long/Post COVID und ME/CFS einzurichten. Es ist davon auszugehen, dass durch die Schaffung eines solchen Netzwerkes von Kompetenzzentren auch Menschen mit länger andauernden Long-COVID-ähnlichen Beschwerden, die im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung stehen, profitieren werden.

Damit die Versorgung verbessert werden kann, müssen wir mehr forschen. Denn bislang sind die Ursachen für die Entstehung des Erkrankungsbildes von Long/Post COVID und das Post-Vac-Syndrom und die zugrundeliegenden Mechanismen nicht vollständig bekannt. Deshalb stellt das BMG ab 2024 im Rahmen eines mehrjährigen Förderschwerpunktes 21 Millionen Euro bereit. Darüber hinaus wird beim Innovationsfonds des G-BA ein Förderprogramm mit einem Volumen von 20 Millionen Euro gestartet. Im Fokus der Förderung stehen Modellprojekte, in denen innovative Versorgungsformen zur Behandlung von Long COVID-Betroffenen entwickelt und erprobt werden. Von dem Long COVID-Schwerpunkt werden auch Patientinnen mit ME/CFS profitieren sowie Menschen mit länger andauernden Long COVID-ähnlichen Beschwerden, die in Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stamm-Fibich, MdB

 

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