Warum wird Post Vac von der Politik nicht anerkannt?

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Martina Stamm-Fibich
SPD
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Frage von Brigitte S. •

Warum wird Post Vac von der Politik nicht anerkannt?

Sehr geehrte Frau Stamm-Fibich,
selber bin ich an der Corona Impfung erkrankt. Neben mir leiden viele Teilnehmer unserer Selbsthilfegruppe an den verschiedensten Beschwerden. Warum werden wir von der Politik total im Stich gelassen. Es darf uns nicht geben. Wir tragen oftmals die enormen Kosten für Untersuchungen und Behandlungen selber. Bei manchen geht es an das Existenzminimum! Wir können unserer Arbeit im Berufsleben und im Alltag oft nicht nachkommen. Dieser Zustand dauert bereits über 2 Jahre! Die ganze Familie leidet darunter! Gerne würde ich den Verantwortlichen nur eine Woche sämtliche Symptome unserer Beschwerden gönnen, damit sie ihrer Verantwortung nachkommen würden!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Als nicht-Betroffene kann ich nur erahnen, wie sehr Sie leiden. Wie schrecklich die Situation für Sie und alle Betroffenen ist.

Und ich verstehe Ihren dringenden Wunsch, dass schnell eine gute Versorgung für Betroffene ermöglicht wird. Schon lange vor COVID-19 habe ich mich mit einer Ausprägung Ihrer Erkrankung befasst: ME/CFS. Als ich im Jahr 2013 erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, bat mich eine an ME/CFS erkrankte Bürgerin aus meinem Wahlkreis um Unterstützung. Ich habe in all den Jahren viele Gespräche geführt, vernetzt, aufgeklärt und versucht, die Krankheit einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Die Anstrengungen auf politischer Ebene werden seit COVID-19 bedeutend intensiver. Eine flächendeckend gute Versorgung haben wir aber noch nicht. Doch wir sind aktuell dabei, die Weichen richtig zu stellen.

Das BMG hat unlängst die Long Covid-Initiative ins Leben gerufen. In diesem Zuge wurde auch eine Internetseite erstellt: https://www.bmg-long-covid.de/. Sie bietet zahlreiche Informationen zu Long-COVID und Antworten auf die häufigsten Fragen zu Nebenwirkung von COVID-19-Impfstoffen und zum Impfschadensrecht. Zusätzlich wurde beim Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums eine eigene Servicenummer für Betroffene eingerichtet.

Für eine bedarfsgerechte Versorgung der von Post-Vac betroffenen Patientinnen und Patienten bilden Hausärztinnen und Hausärzte gemeinsam mit niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten Netzwerke, die eine interdisziplinäre, ambulante Versorgung sicherstellen. Für schwere oder komplexe Fälle stehen interdisziplinäre Spezialambulanzen, insbesondere an Hochschulkliniken, zur Verfügung. Neben der Versorgung übernehmen sie auch die Aufgabe der Erforschung der Erkrankung. Die Entscheidung darüber, ob eine Klinik eine Spezialambulanz einrichtet oder nicht, liegt allein bei der Klinik. Die Politik kann aber keinen Einfluss darauf nehmen, ob Hochschulkliniken Spezialambulanzen einrichten.

Allerdings haben die Koalitionspartner SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-/Post-COVID und ME/CFS einzurichten. Es ist davon auszugehen, dass durch die Schaffung eines solchen Netzwerkes von Kompetenzzentren auch Menschen mit länger andauernden Long-COVID-ähnlichen Beschwerden, die im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung stehen, profitieren werden.

Die Versorgungsansprüche bei Impfschäden sind im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt. Voraussetzung ist, dass die entsprechende COVID-19-Impfung von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde. Für Impfungen, die zwischen dem 27. Dezember 2020 und dem 7. April 2023 auf Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung vorgenommen wurden, besteht im Fall von Impfschäden ebenfalls ein Anspruch unabhängig davon, ob die Impfung öffentlich empfohlen wurde. Die Ansprüche richten sich gegen das im Einzelfall nach § 66 IfSG zu bestimmende Land.

Bei einem durch Arzneimittel verursachten Schaden haben geschädigte Personen das Recht, Schadensersatzansprüche nach § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) gegen den pharmazeutischen Unternehmer geltend zu machen. Nach § 84 Absatz 1 AMG besteht eine Schadensersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung nach § 84 AMG hat sich grundsätzlich bewährt. Die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung sieht zugunsten des potentiellen Geschädigten neben einem Auskunftsanspruch gegen den pharmazeutischen Unternehmer und die zuständige Bundesoberbehörde zudem eine Kausalitätsvermutung für den Eintritt des Schadens durch das Arzneimittel vor.

Damit die Versorgung verbessert werden kann, müssen wir mehr forschen. Denn bislang sind die Ursachen für die Entstehung des Erkrankungsbildes von Long-/Post-COVID und das Post-Vac-Syndrom und die zugrundeliegenden Mechanismen nicht vollständig bekannt. Deshalb stellt das BMG ab 2024 im Rahmen eines mehrjährigen Förderschwerpunktes 21 Millionen Euro bereit. Im Fokus der Förderung stehen Modellprojekte, in denen innovative Versorgungsformen zur Behandlung von Long-COVID-Betroffenen entwickelt und erprobt werden. Von dem Long-COVID-Schwerpunkt werden auch Patientinnen mit ME/CFS profitieren sowie Menschen mit länger andauernden Long-COVID-ähnlichen Beschwerden, die in Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stamm-Fibich

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