Frage an Matthias W. Birkwald bezüglich Recht

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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Ivo R. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Ivo R. bezüglich Recht

Sehr geehrter Matthias W.Birkwald,

wie man aus der Presse entnehmen kann
(siehe z.B.: www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-deutschland-liefert-schusswesten-an-assad-gegner-a-901956.html )
hat die Bundesregierung vor, Schutzwesten / beschusshemende Westen an die Aufständischen in Syrien zu liefern (bzw. liefert diese bereits) Hierzu stelle ich Ihnen folgende Fragen:

1. Gemäß deutschem Recht handelt es sich bei diesen Westen um sogenannte Schutzwaffen ( passive Waffen. Im näheren Sinn liefert die Bundesregierung somit doch Waffen, was derzeit gegen ein bestehendes Embargo verstoßen würde. Ebenso spricht sich die Bundesregierung öffentlich gegen die Lieferung von Waffen "aller Art" aus. Wie sind diese Lieferungen in diesem Kontext zu sehen? Ist hier keinerlei Mandat oder eine Abstimmung im Bundestag von Nöten?

2. Wie wird sichergestellt, dass diese Schutzwaffen (Westen) nur in die Hände von freiheitlich-demokratischen Kräften in Syrien gelangen und auch dort verbleiben? Wer ist der offizielle Empfänger dieses Geschenks? Die syrische Opposition, die FSA oder eine sonstige Vereinigung / juristische Person o.ä.?
3. Es wird nicht erwähnt ob diese Lieferung auch entsprechend vergolten / bezahlt wird. Handelt es sich hierbei um ein "Geschenk" des Bundes?
4. Macht sich unsere jetzige Bundesregierung mit der Unterstützung der FSA "Aktivisten" mitschuldig an deren Verbrechen ?

Ich freue mich auf Ihre Antworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Ivo Ringe

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrterr Ringe,

entschuldigen Sie zunächst die späte Antwort. Im Juni hatten wir drei Sitzungswochen im Deutschen Bundestag und da nehmen die aktuellen Tagesanforderungen quasi die gesamte Zeit in Anspruch.
Ich bedanke mich sehr für Ihre Fragen und will sie Ihnen gerne beantworten. Einige Ihrer Fragen haben wir auch in verschiedenen Sitzungen an die Bundesregierung herangetragen.
DIE LINKE ist der Ansicht, dass keine Waffen in irgendein Land dieser Welt geschickt werden sollten, in ein Kriegsgebiet natürlich erst recht nicht. Es ist falsch, dass Russland Assad mit Waffen beliefert. Und genau so falsch ist es, wenn Saudi Arabien, die Türkei oder die USA die Rebellen mit Waffen beliefern. Man kann einen Brand nicht löschen, indem man noch ordentlich Öl hineingießt. Es wird noch mehr Leid, noch mehr Opfer und noch mehr Flüchtlinge geben. Wenn die syrischen Aufständischen jetzt auch ganz offiziell - und völkerrechtswidrig - mit modernsten Waffen aus Europa und den USA ausgerüstet werden, wird das eine weitere Eskalation herbeiführen.

Ein Mandat des Bundestages ist gemäß Parlamentsbeteiligungsgesetzt nur für Auslandseinsätze der Bundeswehr erforderlich. Rüstungsexporte benötigen eine Genehmigung, auch sogenannte sonstige Rüstungsgüter, wie etwa Schutzwesten. Sie finden sich in der Ausfuhrliste für genehmigungspflichtige Güter. Uns ist aber nicht bekannt, ob diese Schutzwesten für Libyen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), dem Bundessicherheitsrat (BSR) oder im zuständigen Ministerium genehmigt werden müssen. Ein ziemlich intransparentes Verfahren. Die LINKE fordert, die Genehmigungsverfahren bei Waffenexporten transparent zu machen.
Bisher werden die Öffentlichkeit und das Parlament nur sehr lückenhaft und mit langen Verzögerungen über Rüstungsexporte informiert. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung kommt in der Regel erst im Dezember des Folgejahres heraus. Eine schnelle, regelmäßige und umfassende Information über Rüstungsgeschäfte ist aber unabdingbare Voraussetzung für eine politische Debatte, die angesichts des potenziell tödlichen Charakters dieser Exporte dringend erforderlich ist.
So sehr wir uns aber für eine umfassendere und schnellere Informationen über Rüstungsexporte einsetzen: Transparenz allein wird nicht zu einer signifikanten Einschränkung der Exporte führen. Insofern ist die Debatte um eine erhöhte Transparenz bei den Rüstungsexporten nicht alternativ zu klar definierten Verboten zu sehen, sondern nur als Ergänzung.

Wir halten auch die Position der Bundesregierung für abenteuerlich, dass sie glaubt zu wissen, wer die Guten in diesem Krieg in Syrien sind, an wen also diese Schutzwesten geliefert werden sollen. Die Kontrolle über den Endverbleib liegt noch nicht einmal bei Kriegswaffen wirklich in den Händen der Bundesregierung. Wie will sie in einem Bürgerkriegsland wie Syrien diese Kontrolle behalten?

Der Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat in seinen jüngsten Ausführungen zum Thema Syrien klar gemacht, dass diese Westen als Geschenk an die syrischen Rebellen gehen werden. Sie werden also dort nicht bezahlt.
Wir halten Lieferungen von Rüstungsgütern jeder Art an die Freie Syrische Armee nicht nur für den falschen Weg, sondern für kontraproduktiv. Der Beschluss der EU-Außenminister, das Waffenembargo gegen Syrien nicht zu verlängern, ist ein weiteres Befeuern des Konflikts, auch wenn zeitgleich beschwichtigt wird, dass gegenwärtig keine Lieferungen geplant seien. Die Aufrüstungsspirale wird weiter angeheizt. Das zeigen alle historischen Erfahrungen mit vergleichbaren Konfliktkonstellationen.

Auch die offiziellen Kritiker der Aufhebung des EU-Waffenembargos - mit Ausnahme Luxemburgs, Österreichs und einiger anderer, selbst nicht an Waffenexporten interessierter Länder - sind nicht glaubwürdig. Das gilt für die russische Regierung, die das Assad-Regime weiterhin aufrüstet. Das gilt aber auch für die deutsche Bundesregierung. Zum einen hat Deutschland als Mitglied im Club der sogenannten Freunde Syriens bereits Ende 2011 den Plänen zugestimmt, dass Saudi-Arabien und Katar Waffenlieferungen an die FSA finanzieren und die USA FSA-Kämpfer in Jordanien ausbilden und bewaffnen. Zudem beliefert die Regierung Merkel/Westerwelle Saudi-Arabien und andere Nahoststaaten hemmungslos und in großem Umfang mit Waffen für den Einsatz gegen Oppositionskräfte.
Lieber Herr Ringe, wir freuen uns sehr über ihre kritischen Fragen und ihr Interesse an den Vorgängen in Syrien. Eine aufmerksame kritische Öffentlichkeit ist eine unabdingbare Notwendigkeit.
Für weitere Informationen zum Thema Syrien sende ich Ihnen hier folgende Links unserer Fraktionshomepage, die nur eine kleine Auswahl der Statements sind:
http://www.linksfraktion.de/interview-der-woche/waffenlieferung-befeuern-krieg-syrien/
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/139/1713933.pdf
http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/eu-entscheidet-sich-waffengewalt-statt-waffenstillstand/

Mit freundlichen Grüßen
Matthias W. Birkwald, MdB

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