Handwerk attraktiver machen?

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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Lucas K. •

Handwerk attraktiver machen?

Sehr geehrter Herr Birkwald,
was kann die Politik tun, damit das Handwerk attraktiver macht?
Um die Energiewende zu schaffen, Modernisierung umzusetzen und Infrastruktur zu erneuern, benötigen wir viele Fachkräfte. Der normale Bürger kann sich zu den normalen Konditionen auch keine Handwerker leisten. Sollte diese Berufsgruppen besserstellen? Wenn nur Berufe mit Studium finanziell attraktiv sind (im Vergleich) darf sich die Politik nicht wundern, wenn junge Auszubildende fehlen.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr K.,

haben Sie besten Dank für Ihre Frage zum Handwerk. Die Politik könnte eine Menge tun, um das Handwerk attraktiver zu machen. Wie Sie schon richtigerweise beschrieben haben, gibt es einen enormen Bedarf an Fachkräften im Handwerk. Ohne eine Deckung dieses Bedarfes wird eine sozial-ökologische Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft schlicht nicht möglich sein. Darum setzte ich mich für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen im Handwerk ein.

Die wichtigste Stellschraube ist allerdings die Berufsausbildung. Damit sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, bräuchte es eine echte Mindestausbildungsvergütung. Aktuell liegt die Mindestausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr bei nur 620 Euro pro Monat. Ein Gehalt von nur 620 Euro im Monat für einen Vollzeitjob ist unattraktiv und unwürdig. Es ermöglicht kein eigenständiges Leben. Daher sollte als erster Schritt die Mindestausbildungsvergütung deutlich angehoben werden. Es sollte mindestens der gesetzliche Mindestlohn von aktuell zwölf Euro pro Stunde gezahlt werden; das wären bei einer Vollzeittätigkeit dann mindestens gut 2000 Euro brutto pro Monat. Ein weiteres Problem ist sicherlich, dass zu wenige Betriebe im Handwerk ausbilden. Daher schlägt meine Partei DIE LINKE die Einführung einer Ausbildungsumlage vor. Durch Einführung einer solchen Umlage wird das Ungleichgewicht zwischen Ausbildungsbetrieben und anderen Betrieben beseitigt. Betriebe, die keine Ausbildungen anbieten, müssen demnach eine Umlage an die Betriebe zahlen, die bereit sind, junge Menschen auszubilden. Ein dritter Punkt, der die Attraktivität der Ausbildungen im Handwerk steigerte, wäre ein kultureller Wandel weg von der Mentalität „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Auszubildende sollten in ihren Wünschen und Interessen auch in ihrem Betrieb ernstgenommen werden und es sollten für sie auch attraktive Tätigkeiten bereitgestellt werden.

Neben der Verbesserung der Ausbildungsbedingungen benötigt es auch eine Verbesserung der Weiterbildungsmöglichkeiten im Handwerk. Berufsbegleitende Studiengänge sollten attraktiver werden und einfacher zugänglich sein. Zudem muss ein Handwerksmeister endlich kostenlos für die Absolventen werden. Während jedes Masterstudium an einer öffentlichen Universität selbstverständlich und richtigerweise kostenlos für die Studenten und Studentinnen ist, zahlt man für die Ausbildung zum Elektrikermeister rund 9000 Euro (ohne Fahrtkosten, Unterkunftskosten oder Prüfungskosten!, siehe: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/der-weg-zum-meister-was-sie-wissen-muessen-146665/#:~:text=Was%20kostet%20der%20Meistertitel%3F,Meister%20kosten%20rund%209.000%20Euro.)

Auch die alltäglichen Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern. Im Handwerk sind nur rund 30 Prozent der Betriebe tarifgebunden, während es in der Gesamtwirtschaft um die 50 Prozent sind. Das führt zu niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen. So ist es kein Wunder, dass 35 Prozent derjenigen, die im Handwerk eine Ausbildung absolvieren, nach bestandener Ausbildungsprüfung in die Industrie abwandern, weil dort Löhne und Arbeitsbedingungen besser sind (https://www.igmetall.de/im-betrieb/studie-offenbart-grosse-lohnluecke).

Ein weiterer Punkt ist, dass im Handwerk besonders viele Geflüchtete und Migranten arbeiten. Dennoch geht der Staat aktuell hin und schiebt junge Menschen, die in Ausbildung sind, ab. Das ist absolut unverständlich. Auch hier braucht es andere Regelungen, wie beispielsweise ein Abschiebeverbot für Menschen in Ausbildung.

Neben diesen ganzen Maßnahmen, um das Arbeiten im Handwerk attraktiv zu gestalten, benötigt es auch weitere Maßnahmen, um das Führen eines Handwerkbetriebs attraktiv zu machen. Denn bei Handwerksbetrieben handelt es sich in der Regel um kleine und mittelständische Unternehmen und nicht um Großkonzerne oder Aktiengesellschaften, bei denen nur Profite im Vordergrund stehen. So schlägt meine Partei die Einführung eines Mietendeckels für Handwerksbetreibe vor, um die gestiegenen Gewerbemieten auszugleichen. Zudem kann ich mir auch eine Förderung der Handwerksbetriebe im Bereich der sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft vorstellen, also der Handwerksbetriebe, die bei diesem Umbau mitmachen. Sie sollten entsprechend gefördert werden. Diese Maßnahmen würden auch die von Ihnen angesprochenen Preise senken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Handwerk für junge Menschen deutlich attraktiver werden muss. Das gelingt uns nur, indem wir eine deutlich höhere Ausbildungsvergütung einführen, den Meister endlich kostenlos für die Absolventen und Absolventinnen machen und für eine höhere Tarifbindung und damit für gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Leider gibt es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit für diese Punkte. Sie können sich aber darauf verlassen, dass die Linksfraktion im Bundestag auch weiterhin dafür kämpfen wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Matthias W. Birkwald MdB

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