Sind Sie für eine Impfpflicht?

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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Herbert S. •

Sind Sie für eine Impfpflicht?

Der Parteivorstand der LINKEN fordert in dem Beschluss „Corona gemeinsam besiegen – solidarische Notbremse jetzt!“ (https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand/detail/corona-gemeinsam-besiegen-solidarische-notbremse-jetzt/) eine allgemeine Impfpflicht für Volljährige.
Teilen Sie diese Forderung des Parteivorstandes? Falls ja, wie soll nach Ihrer Meinung so eine Impfpflicht durchgesetzt werden? Soll es Geldstrafen geben (die hauptsächlich die arme Bevölkerung treffen, auch wenn die Strafen nach Einkommen gestaffelt sind)? Soll es im Falle einer Weigerung, sich impfen zu lassen, Gefängnisstrafen geben? Soll es im Falle einer Weigerung, die Geldstrafe zu zahlen, zu Gefängnisstrafen kommen? Sollen die Polizei oder das Militär die Unwilligen zum Impfen bringen? Soll es Berufsverbote geben, falls eine Impfung verweigert wird?
Falls Sie die Forderung des Parteivorstandes nicht teilen, begründen Sie bitte Ihre Ablehnung.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage nach einer Impfpflicht.

Die Frage einer Impfpflicht wird in allen Parteien kontrovers diskutiert – eine konkrete Abstimmung über die Einführung einer allgemeinen Impflicht hat es am 10.12.2021 im Bundestag nicht gegeben.

Das von der neuen Bundesregierung aus SPD, GRÜNEN und FDP vorgelegte „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention“, forderte eine Impfpflicht für Beschäftige bestimmter Berufsgruppen (bspw. Pflegekräfte, Erzieher). Die Ampelkoalitionsfraktionen nennen das eine „einrichtungsbezogene Impfpflicht“. Auch dieser habe ich im Deutschen Bundestag nicht zugestimmt.

Ich bezweifle, um auf Ihre konkrete Frage zurückzukommen, dass uns eine allgemeine Impfpflicht weiter brächte. Ich werde, sollte es zu einer Abstimmung darüber kommen, diese ablehnen, unter anderem, weil es erhebliche rechtliche Bedenken daran gibt. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit vieles falsch gemacht:

So hat sie es versäumt, niedrigschwellige Angebote - insbesondere für Menschen in abgehängten Stadtteilen - und auch in ländlichen Regionen sowie unter denjenigen, die weniger gut Deutsch sprechen, in viel größerem Umfang auszubauen. Sie hat es ferner versäumt, alte Menschen und Risikogruppen besser zu schützen. Beim Boostern beispielsweise herrscht ein heilloses Durcheinander, weil nicht diejenigen zuerst geboostert werden, die eine Auffrischung am dringendsten brauchen (nämlich die Alten und Vorerkrankten). Die von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Bundesregierung hat ebenfalls nichts dafür getan, dass die Patente der Covid-Impfungen freigegeben werden. Derzeit verdienen sich Pharmakonzerne Dank unserer Steuergelder eine goldene Nase, während Menschen in ärmeren Ländern, die Schutz benötigen, diesen nicht erhalten. Die Nichtfreigabe der entsprechenden Impfpatente hat womöglich auch die Verbreitung von Virusvarianten in ärmeren Ländern begünstigt <https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/127247/SARS-CoV-2-Afrika-koennte-zur-Brutstaette-neuer-Varianten-werden <https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/127247/SARS-CoV-2-Afrika-koennte-zur-Brutstaette-neuer-Varianten-werden&gt; > . Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, nannte die Weigerung der Bundesregierung Impfpatente freizugeben, deshalb auch einen „der schwerwiegendsten Fehler“ <https://www.diw.de/de/diw_01.c.818298.de/publikationen/wochenberichte/2021_20_3/patentfreigabe__die_fehleinschaetzung_der_bundesregierung__kommentar.html <https://www.diw.de/de/diw_01.c.818298.de/publikationen/wochenberichte/2021_20_3/patentfreigabe__die_fehleinschaetzung_der_bundesregierung__kommentar.html&gt; >  der Merkel-Regierung.# Die Ampel wird diesen Fehler wohl fortsetzen.

Schließlich - und für mich ist dies eines der wichtigsten Argumente gegen eine Impfpflicht -  hat es die Merkel-Regierung bisher offenbar nicht gewollt, dass unser Gesundheitssystem gestärkt aus dieser Krise hervorgeht, im Gegenteil: Anstatt die Arbeitsbedingungen in den Kliniken für das Pflegepersonal endlich zu verbessern, haben seit Beginn der Coronapandemie etliche Pflegekräfte wegen des Stresses ihren Job gekündigt. Wir LINKEN haben vorgeschlagen, mit verbesserten Arbeitsbedingungen und Anreizen Pflegekräfte dafür zu gewinnen, in ihren Job zurückzukehren. Anstatt das auf den schnellen Profit ausgelegte Gesundheitssystem (zum Beispiel durch die Fallpauschalen) an den tatsächlichen Bedarf anzupassen, haben Krankenhäuser durch fragwürdige Zuschüsse von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Geld dafür erhalten, um (Intensiv-)Betten abzubauen. Das ganz genaue Gegenteil wäre richtig gewesen. In einem Land mit 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern darf es nicht nur 21.000 Intensivbetten mit dem entsprechenden Fachpersonal geben. Das müssten wesentlich mehr sein.

Auch die neue Ampel-Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird – so steht zu befürchten - an den Grundproblemen im Gesundheitswesen wenig ändern. So war in der Vergangenheit auch der neue Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) daran beteiligt, Kliniken auf Profit zu trimmen.

„Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten. Dann hätten wir anderen Kliniken genug Personal, geringere Kosten, bessere Qualität, und nicht so viel Überflüssiges.“ (Prof. Dr. Karl Lauterbach MdB auf Twitter am 04. Juni 2019).

Vorangegangen war eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die feststellte, dass eine starke Verringerung der Klinikanzahl von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser angeblich die Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten verbessern und bestehende Engpässe bei Pflegerinnen, Pflegern und Ärztinnen und Ärzten mildern werden würde

Sehr geehrter Herr Senft, ich versichere Ihnen, dass ich mich auch in Zukunft für ein solidarisches Gesundheitssystem einsetzen werde, in dem es um die Menschen und nicht um den Profit geht. Ich werde gerne konstruktive, sinnvolle Vorschläge zur Lösung der Coronapandemie mit einbringen und - wo nötig - das Regierungshandeln kritisieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Matthias W. Birkwald MdB
 

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