US-Generalstabschef Mark Milley sagt, der Krieg sei militärisch weder für Russland noch die Ukraine zu gewinnen, eine Verlängerung der Kämpfe führe zu mehr Leid und Kollateralschäden. Stimmen Sie zu?

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Frage von Sabine M. •

US-Generalstabschef Mark Milley sagt, der Krieg sei militärisch weder für Russland noch die Ukraine zu gewinnen, eine Verlängerung der Kämpfe führe zu mehr Leid und Kollateralschäden. Stimmen Sie zu?

Sehr geehrter Herr Roth,

US-Generalstabschef Mark Milley sagt, der Krieg sei militärisch weder für Russland noch für die Ukraine zu gewinnen. Er schätzt die Verluste auf beiden Seiten mit je 100.000 getöteten und verwundeten Soldaten ähnlich hoch. Eine Verlängerung der Kämpfe führe also nur zu immer mehr Leid und politischen wie wirtschaftlichen Kollateralschäden - mit weltweiten Auswirkungen. Er warnt, wenn wir den Einstieg zu Verhandlungen verpassen, vor einer Dynamik wie im 1. Weltkrieg mit Millionen Toten. Stimmen Sie seiner Analyse zu? Warum setzen Sie trotz dieser Gefahren auf eine rein militärische Lösung?

Mit freundlichen Grüßen
Sabine M.

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Sehr geehrte Frau M.,

für Ihre Frage zum Ukraine-Krieg danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.

Mir erschließt sich nicht, wie Sie zu der irrigen Auffassung kommen, ich würde beim Krieg in der Ukraine auf eine "rein militärische Lösung" setzen. Richtig ist: Deutschland und seine internationalen Partner unterstützen die Ukraine finanziell, humanitär, diplomatisch und auch militärisch, damit sie ihre territoriale Integrität und ihre Souveränität erfolgreich verteidigen kann. Waffenlieferungen sind also ein wichtiger Bestandteil unserer Unterstützung für die Ukraine, aber sie sind eingebettet in einen umfassenden Ansatz.

Auch wenn wir die Ukraine militärisch bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung unterstützen, laufen die diplomatischen Bemühungen im Hintergrund weiter: In Teilbereichen konnten in Gesprächen mit Russland auch Vereinbarungen erzielt werden, etwa bei dem unter UN-Vermittlung zustande gekommenen Abkommen über Getreidelieferungen oder der Inspektion im Atomkraftwerk Saporischschja durch ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde. Das sind kleine Lichtblicke, die aber von einem Durchbruch zu einer friedlichen Lösung weit entfernt sind. Der Wunsch nach Verständigung mit Russland und Frieden in der Ukraine ist nur allzu verständlich, aber derzeit schlicht nicht realistisch. Putin zeigt keinerlei Interesse an einer friedlichen Lösung, er will die Ukraine weiterhin als unabhängigen Staat von der Landkarte löschen.

Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, bleiben die Gesprächskanäle nach Moskau offen. Deshalb ist es auch richtig, dass Bundeskanzler Scholz - in enger Abstimmung mit der Ukraine und unseren internationalen Partnern - regelmäßig mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert, um ihn mit den Fakten und unseren klaren Erwartungen an einen gerechten Frieden zu konfrontieren. Auch die gemeinsame Abschlusserklärung des G20-Gipfels, die den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ablehnt, ist ein ganz konkretes Ergebnis von Diplomatie, von unzähligen Gesprächen und Reisen des Bundeskanzlers u.a. nach China oder zu neuen Partnern im Globalen Süden.

Richtig ist: Auch dieser Krieg wird nicht auf dem Schlachtfeld, sondern am Verhandlungstisch enden. Darüber, wann der richtige Zeitpunkt für ernsthafte Verhandlungen gekommen ist, entscheidet alleine die Ukraine. Aber auch wir haben ein Interesse daran, dass die Ukraine aus einer Position der Stärke an den Verhandlungstisch tritt. Ein "Frieden" auf Basis des Status quo würde dagegen schon bald zu einem neuen Krieg führen. Wenn die Ukraine auf 15 Prozent ihres Territoriums verzichten müsste, hätte Russland gewonnen. Der Aggressor Putin würde seine imperialistische Politik fortsetzen, gegenüber Moldau oder Georgien. Statt Frieden hätten wir neue Konflikte in Osteuropa – mit der Gefahr eines dramatischen militärischen Flächenbrands.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth

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