Frage an Michael Stübgen von Kerstin S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Stübgen,
heute soll der Bundestag den „Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)“ ratifizieren. Ich appelliere an Sie, der Ratifizierung dieses Vertrages Ihre Zustimmung zu verweigern, denn die Probleme einer zu großen Staatsverschuldung werden damit nicht gelöst.
Mit dem ESM wird eine Art Mega-Bank geschaffen, die faktisch unbegrenzt Staatskrediten vergeben kann. Das ESM-Haftungskapital beträgt zunächst 700 Milliarden Euro, kann aber unbegrenzt erhöht werden. Auch die Schadensbeteiligungspflichten privater Gläubiger sind viel zu vage. In der ESM-Präambel ist lediglich von einer Beteiligung in „Ausnahmefällen“ die Rede.
Ich fürchte, zusammen mit den anderen deutschen Steuerzahlern auf diese Weise zum Großbürgen für unsolide wirtschaftende Euro-Staaten gemacht zu werden. Die deutschen Steuerzahler tragen am ESM das größte Risiko. Die Haftungsanteile schwacher Euro-Staaten (z. B. Griechenland mit 2,8 Prozent) existieren nur auf dem Papier.
Zudem entscheiden die Finanzminister im ESM-Gouverneursrat, welche Einlagen die jeweiligen Nationalstaaten zu leisten haben. Das Königsrecht der Parlamente in Haushaltsfragen wird damit faktisch ausgehebelt.
Der ESM ist die Fortsetzung der bisherigen Schuldenpolitik mit unbegrenzten Kreditmitteln. Solch eine Knebelung der Steuerzahler und Parlamentarier darf der Bundestag nicht zulassen.
Deshalb bitte ich Sie inständig, verweigern Sie der Ratifizierung dieses Vertrages Ihre Zustimmung.
Bitte handeln Sie zum Wohle des deutschen Volkes und seiner Steuerzahler und nicht im Interesse weltweiter Gläubiger. Eine kontrollierte Insolvenz überschuldeter Euro-Länder verbunden mit einer gezielten Rekapitalisierung der Banken, bei der die Steuerzahler temporär Bankenaktionär würden, ist der langfristig bessere Weg.
Ich bitte sie , mir mitzuteilen, wie Sie heute im Deutschen Bundestag abzustimmen gedenken.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Schenkel
Elsterwerda, 29.6.2012
Sehr geehrte Frau Schenkel,
ich bedanke mich recht herzlich für Ihre EMail und möchte Ihnen gerne antworten und Ihnen meine Beweggründe schildern, warum ich dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) - wie im übrigen auch überfraktionell der ganz überwiegende Teil des Deutschen Bundestages - trotz berechtigter Bedenken zugestimmt habe.
Um die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets zu bewahren, bedarf es diverser Maßnahmen, denn angesichts der starken Interdependenzen innerhalb des Euro-Währungsgebiets können ernsthafte Risiken für die Finanzstabilität der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets gefährden.
Ein Zahlungsausfall einzelner Mitgliedstaaten könnte einen nicht zu kalkulierenden Dominoeffekt und weitreichende Konsequenzen haben. Politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich würde ein Scheitern des Euro einen schwerwiegenden Rückschlag für Europa bedeuten. Der politische und wirtschaftliche Nutzen für die Bundesrepublik übersteigt die Kosten der EU-Mitgliedschaft bei weitem und ein Auseinanderbrechen der Währungsunion hätte für Deutschland als Exportnation gravierende Folgen.
Mit dem ESM und dem Fiskalpakt werden wesentliche Schritte hin zur Bewältigung der Schuldenkrise gemacht. Die Alternativen zu diesem Vorgehen wären eine unkalkulierbare und von uns nicht gewollte Vergemeinschaftung der Staatsschulden oder die unkontrollierte Insolvenz von Staaten mit unübersehbaren Folgen für die gesamte Eurozone und die Weltwirtschaft.
Mit der Ablösung der EFSF durch den ESM werden wir in der Lage sein, überschuldete Euro-Staaten in kontrollierbaren Schritten zu sanieren, ohne den Bestand der Eurozone zu gefährden. Im Gegenzug müssen jene notleidenden Länder die damit verbundenen Auflagen konsequent einhalten und umsetzen.
Es gilt, eine Balance von Eigenverantwortung und Solidarität zu wahren und für die CDU gilt der Grundsatz: „Keine Hilfe ohne Gegenleistung“. Deshalb müssen die hilfsbedürftigen Staaten umfassende Reformen durchführen, um wieder stabil und wettbewerbsfähig zu werden.
Um dauerhaft zu einer nachhaltigen Finanzpolitik zu kommen, setzen wir, die CDU, uns weiterhin für die Einführung einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in allen Euro-Staaten ein. Wir wollen Vorbild in Europa sein und möglichst zügig ohne Neuverschuldung auskommen, denn den nachfolgenden Generationen dürfen keine unnötigen Lasten aufgebürdet werden!
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 12.September 2012 den ESM grundsätzlich für verfassungskonform gehalten. Die geforderten Klarstellungen sind in der Zwischenzeit verhandelt und beschlossen worden.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Stübgen, MdB