Sehr geehrter Herr Hauptmann,

danke für Ihre Antworten. Ich möchte vor allem zum Islam nachhaken. Falls ich die Plattform hier richtig verstehe, dann kann ich das leider nicht direkt auf Ihre Antwort tun. Deswegen stelle ich jetzt eine neue Frage.

Die Losung "Al-Islam din wa-daula" (der Islam ist Religion und Politik) entstammt dem 20. Jahrhundert. Die medinensische Phase erleichtert es natürlich Vertretern des politischen Islams, ihre Einstellung zu begründen. Politik und Religion waren spätestens mit der Machtergreifung der Umayyaden 661 getrennt, ab dann herrschten diverse Dynastien über die islamisch geprägte Welt.

Woher stammt denn die Zahl, dass der Koran "lediglich 14% der gesamten islamischen Lehre" darstelle? Was im Koran steht, wird - wie Sie richtig anmerken - teils mit Hadithen und der Sira klar. Muslime blicken aber auch in die altarabische Poesie oder auf andere Koranstellen.
Klar ist: der Koran ist kein Mathematikbuch, das man einfach so lesen kann.

Was genau ist denn an "Dualität" verharmlosend? Prof. Dr. Thomas Bauer nennt es "Die Kultur der Ambiguität", verschiedene Aussagen/Interpretationen/Meinungen haben in der islamisch geprägten Welt bis in die Neuzeit nebeneinander existiert - galten sogar als Bereicherung. Erst das europäische Denken, welches über den Kolonialismus in Einzug fand, änderte dies. Pluralität wird heute nicht mehr durchgehend geschätzt.

"Muslime sehen also all die Verse, auch die widersprüchlichen, als
allgemeingültig an oder sie sind keine Muslime."
Das stimmt nicht. Es gibt die Lehre der Abrogation, es gibt die Offenbarungsanlässe etc. Nicht alle Verse sind also allgemeingültig.

"Das Engagement besonders von Seyran Ateş finde ich mutig, doch sind
diese für mich keine Muslime im herkömmlichen Sinne mehr."
Wen betrachten Sie dann als Muslime? Dürfen andere sich dennoch als Muslime sehen?

Ich freue mich jedenfalls auf Ihre Antwort. Für mehr reicht der Platz leider nicht.

Freundliche Grüße,
A. V.

MfG,
Andreas Vo