Frage an Rainer Spiering

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Rainer Spiering
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Frage von Dr. Alexander P. •

Frage an Rainer Spiering von Dr. Alexander P.

Sehr geehrter Herr Spiering,

heute wurde erfreulicherweise ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung beschlossen. Ein Änderungsantrag der Opposition, der die von uns kritisierte Formulierung "im Auftrag oder auf Weisung" streichen wollte, wurde abgelehnt. Meine Frage an Sie ist nun, ob das Gesetz in dieser Form, d.h. mit diesem Passus, nicht im Grunde wirkungslos ist. Soweit mir bekannt, verwiesen jedenfalls bei einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags Sachverständige auf dieses Problem: Einem korrupten Politiker sei in der Praxis kaum nachzuweisen, dass er im Auftrag oder auf Weisung gehandelt habe.

Mit herzlichem Dank im Voraus,
Ihr Alexander Piecha

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Dr. Piecha,
vielen Dank für Ihre Frage zur Neuregelung der Abgeordnetenbestechung.
Gleich zu Beginn der Großen Koalition haben wir geschafft, was seit langem überfällig ist: die strafrechtliche Überarbeitung der Abgeordnetenbestechung. Dabei ist es uns gelungen, strafwürdiges korruptes Verhalten von und gegenüber Mandatsträgern zu erfassen und zugleich den Besonderheiten des politischen Prozesses Rechnung zu tragen. Die Regelung stellt einen großen Fortschritt dar, da nach noch geltendem Recht nur der Stimmkauf und –verkauf bei Wahlen und Abstimmungen gemäß § 108e des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar ist.
Der Gesetzesentwurf (BT-Drs. 18/476) setzt eine konkrete Unrechtsvereinbarung voraus. Der Vorteil muss als Gegenleistung dafür gewährt werden, dass der Mandatsträger im Auftrag oder auf Weisung des Vorteilsgebers handelt. Diese Formulierung führt jedoch nicht, wie von Ihnen befürchtet, zur Wirkungslosigkeit des Gesetzes. Erforderlich ist, dass der Mandatsträger sich durch den Vorteil zu seiner Handlung bestimmen lässt und seine innere Überzeugung den Interessen des Vorteilsgebers unterordnet. Ein derartiges Verhalten stünde in Widerspruch zu Art. 38 Abs.1 S.2 GG, nach dem Abgeordnete an Aufträge und Weisungen gerade nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind (freies Mandat).
Mit dem Tatbestandsmerkmal „als Gegenleistung“ wird eine qualifizierte Unrechts-vereinbarung verlangt. Damit wird an die gleichlautende Formulierung in den Artikeln 2 und 3 des Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates angeknüpft. Der ungerechtfertigte Vorteil muss gerade deshalb zugewendet werden, damit sich das Mitglied in einer bestimmten Weisung verhält also „im Auftrag oder Weisung“ handelt. Damit verlangt der Tatbestand eine Kausalbeziehung zwischen dem ungerechtfertigten Vorteil und der Handlung des Mitglieds.
Für die Strafbarkeit soll es jedoch nicht ausreichen, dass Vorteile nur allgemein für die Mandatsausübung zugewendet werden bzw. das Mitglied wegen der von ihm gemäß seiner inneren Überzeugung vertretenen Position einen Vorteil erhält. Die Unter-stützung des Mitglieds ist also nicht strafbar, wenn sie für Handlungen erfolgt, die durch innere Überzeugung motiviert und nicht durch die Vorteilsgewährung beeinflusst sind. Die Grenze der Strafbarkeit wird erst überschritten wenn das Mitglied „sich kaufen lässt“, d.h. wenn es sich den Interessenten des Vorteilsgebers unterwirft und seine Handlungen durch die Vorteilgewährung bestimmt sind, dass Mandat also damit „kommerzialisiert“ wird.
Die Tatbestandsmerkmale „ Auftrag“ und „Weisung“ sind weit zu verstehen; erfasst wird jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse des Auftrag- oder Weisungsgebers zu unterwerfen. Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen rechtsgeschäftlichen Auftrag oder eine förmlich Weisung handelt. Die Merkmale sind viel mehr, ebenso wie die Tatbestandsmerkmale „Kaufen“ und „Verkaufen“ in § 108e Abs. 1 StGB im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen.

Wir sind zuversichtlich, dass der geschaffene Straftatbestand einen ausreichenden und effektiven Schutz zur Sicherung des freien Mandats schafft.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Spiering, MdB