Frage an Rolf Mützenich bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Rolf Mützenich
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Frage von Dietmar J. •

Frage an Rolf Mützenich von Dietmar J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag Herr Dr. Mützenich
können Sie mir mitteilen, wie sich ein unabhäniger Staat Kosovo finanzieren wird ?
Ich gehe davon aus, das dies aus eigenen Kräften kaum möglich sein wird und Serbien seine bisherige Unterstützung einstellen wird.

Mit herzlichem Dank im voraus
Dietmar Jendreyzik

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Sehr geehrter Herr Jendreyzik,

vielen Dank für Ihre Frage, die sich im Übrigen wohl die meisten Entscheidungsträger in der EU auch stellen. Der "Staat" Kosovo an sich ist alleine derzeit nicht überlebensfähig und wird auf absehbare Zeit am wirtschaftlichen Tropf des Auslandes hängen. Rund 45 Prozent der Bevölkerung gelten als arm, weil ihnen weniger als 43 Euro im Monat für Essen und Trinken zur Verfügung stehen, hat die Weltbank errechnet. Nach offiziellen Angaben sind 42 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ohne Job. In einigen Landesteilen sind es sogar 80 Prozent. Zudem hat das Kosovo die jüngste Bevölkerung in Europa. Jeder zweite Albaner dort ist jünger als 20 Jahre. Auch die organisierte Kriminalität gedeiht trotz internationaler Aufsicht prächtig. Das Kosovo gilt als die europäische Drehscheibe für Organisierte Kriminalität - Menschenschmuggel, Rauschgift- und Waffenhandel sowie Prostitution. Dies ist nicht nur Ergebnis der jüngsten Entwicklungen sondern hat strukturelle Ursachen.

Mit anderen Worten: Ein „unabhängiges“ Kosovo wird sich auf absehbare Zeit nicht alleine finanzieren können. Die Hoffnung der Kosovaren richtet sich nun darauf, dass mit der Unabhängigkeit zumindest die unsichere Rechtslage beendet werden kann und neue Investoren ins Land kommen. Die serbische Unterstützung wird sich in erster Linie – wie bisher auch – auf die Unterstützung der noch verbliebenen Kosovo-Serben konzentrieren, von den in den letzten Jahren viele unter den Augen von UN-Polizei und Nato-geführten Truppen vertrieben wurden. Es steht zudem zu befürchten, dass sich die Lage im Norden Mitrovicas und in den serbischen Enklaven weiter zuspitzen wird. Eine Abspaltung und weitere Flüchtlingsströme sind deshalb nicht auszuschließen. Die Anerkennung der Unabhängigkeit bereitet mir deshalb – auch aus völkerrechtlichen Gründen – große Bauchschmerzen, auch wenn sie unter strengen Auflagen erfolgen wird.

Fest steht, dass die EU mit der Anerkennung Kosovos in die begrenzte Souveränität in den nächsten Jahren eine wahre Herkulesaufgabe zu bewältigen haben wird. Zunächst einmal gilt es jedoch alles dafür zu tun, dass die Lage friedlich bleibt. Zudem muss verhindert werden, dass Serbien sich weiter isoliert und von Europa im Stich gelassen fühlt. Serbien und dem gesamten westlichen Balkan muss zudem eine glaubwürdige Perspektive für einen EU-Beitritt aufgezeigt werden.

In der Hoffnung Ihre Frage damit beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich

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