Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Max S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bätzing,
ich wohne im Grenzland zu NL und stelle immer wieder fest, dass die deutsche Drogenpolitik täglich scheitert. Drogen sind hier überall verfügbar und trotzdem nimmt sie nicht jeder.
Ich frage mich, warum sich Menschen, die Drogen nehmen, strafbar machen oder zumindest Probleme bekommen? Meiner Ansicht nach kann doch jeder mit seinem Körper tun und lassen, was er möchte solange er nicht minderjährig ist. Ob jemand Drogen nimmt oder nicht, kann doch nicht Gegenstand einer Abstimmung von Abgeordneten oder dem Volk sein. Hier hört für mich die Demokratie klar auf und das Selbstbestimmungsrecht der eigenen Person beginnt. Ich möchte auf der einen Seite niemanden dazu auffordern, Drogen zu nehmen, halte sie sogar unter Umständen für gefährlich, sehe aber auf der anderen Seite, dass sie in unserer Kultur eine wichtige Rolle spielen. Hinzu kommt noch die Doppelmoral, die Alkoholkonsum erlaubt, obwohl die Auswirkungen verheerender sein können als etwa beim Cannabiskonsum.
Warum bevormunden Sie mit Ihrer Politik Bürger, statt Ihnen eine eigene, verantwortliche Entscheidung zuzugestehen? Kann man die Dinge nicht einfach etwas liberaler laufen lassen? Ich glaube, die Bürger wissen am besten, was gut für sie ist.
Es grüßt,
M. Stahl
Sehr geehrter Herr Stahl,
ich teile Ihre Auffassung nicht. Meiner Meinung nach ist es Aufgabe des Staates, die Bevölkerung u.a. vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren zu schützen. Hier geht mir die von Ihnen gewünschte Liberalisierung deutlich zu weit.
Deutschland ist auch durch die internationalen Suchtstoffübereinkommen an bestimmte rechtliche Regelungen im Umgang mit Betäubungsmitteln gebunden. So stößt zum Beispiel der liberale Ansatz der Niederlande EU-weit und auch innerhalb der internationalen Gemeinschaft mehr und mehr auf Kritik. So hat der Rat der Europäischen Union am 25. Oktober 2004 - nach langjährigem Widerstand der Niederlande - einen Rahmenbeschluss zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels angenommen (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8). Danach ist in den einschlägigen Gesetzen der Mitgliedstaaten u.a. für den Handel mit geringen Mengen von weniger gefährlichen ("weichen") Drogen eine Mindesthöchststrafe von 1 bis 3 Jahren vorzusehen.
Die Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis bedeutet keineswegs, dass in Deutschland alle Cannabiskonsumenten bestraft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Eigenverbrauch in geringer Menge) kann von der Strafverfolgung bzw. von der Bestrafung abgesehen werden (§§ 29 Abs. 5, 31a BtMG).
Meiner Meinung nach praktiziert Deutschland eine sehr fortschrittliche Drogen- und Suchtpolitik: In Deutschland besteht ein umfangreiches und gut vernetztes Behandlungs- und Beratungsangebot für Suchtabhängigkeit, das ständig verbessert wird. Es existieren eine Vielzahl von Aufklärungs- und Informationsangebote über eine Vielzahl drogen- und suchtbedingter Risiken auf Bundes- und Länderebene sowie in den Kommunen. Wie bereits erwähnt können beim Besitz einer geringen Menge von Betäubungsmitteln die zuständigen Strafverfolgungsbehörden von einer Strafverfolgung absehen. Die Forschung im Drogen- und Suchtbereich wird seit vielen Jahren gefördert. Und die Schadensreduzierung als ein effektiver Weg zur Reduzierung drogen- und suchtbedingter Gesundheitsschäden findet auch dank der Bemühungen Deutschlands Eingang in die internationale Drogen- und Suchtpolitik.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing