Frage an Sabine Lösing bezüglich Gesundheit

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Sabine Lösing
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Frage von Markus S. •

Frage an Sabine Lösing von Markus S. bezüglich Gesundheit

Hallo, Genossin Sabine,
du kommst wie ich aus Niedersachsen und der Gesundheitspolitische Bereich ist dein Ding.
Ich habe zum einen die konkrete Frage, ob es in Niedersachsen einen Autismusbeauftragten gibt wie in einigen weiteren Bundesländern bereits seit 2008.
Zum zweiten, was willst du für den Bereich der Behinderten und so gehändicapten Menschen in Europa erreichen? Was sind deine Vorstellungen für den Schutz und die Verbesserung für die Behinderten?

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Antwort von
DIE LINKE

Hallo Genosse Markus,

Zur 1. Frage:

Ich habe keine Kenntnis von einem Autismusbeauftragten in Niedersachsen. Um mehr zu erfahren verweise ich Dich an den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen des Niedersächsischen Landtages Karl Finke .Wenn Du Kontakt mit ihm aufnehmen willst, gibt es auf der Seite des Landtages www.landtag-niedersachsen .de ein Kontaktformular.
Wenn Du lieber anrufen möchtest ,die Nummer der Zentrale ist 0511-3030-0

Zur 2. Frage

Diese Frage kann ich nicht in einigen Sätzen beantworten. Die Verbesserung der Lage von Menschen mit Behinderungen ist ein Querschnittsthema , dass viele andere Bereiche schneidet und längst nicht nur den Bereich Gesundheit.

Im Bereich Gesundheit geht es letztlich in der Hauptsache darum diesen vor den Zugriffen des Binnenmarktes zu schützen und Gesundheitsversorgung als eine öffentliche Aufgabe für alle Menschen zu erhalten und auszubauen.

Weiterhin möchte ich mich auf EU- Ebene für die Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention einsetzen . Das ist ein sehr langer Prozess für den über 300 Gesetze auf allen Politikebenen geändert werden müssen.

Mehr dazu unten.

Ich sehe in der Marktöffnung für grenzüberschreitende Dienstleitungen etwa bei Assistenzen ein großes Problem des Preisdumpings und der Gefahr eines Qualitätsverlustes.

Ich weiß offen gestanden noch nicht ob man diese Entwicklung noch aufhalten kann und was dafür zu tun wäre.

Im Folgenden schicke ich Dir Positionen der Partei DIE LINKE zum Themenfeld Menschen mit Behinderungen, denen ich mich anschließe und eine Antwort auf mehrere Fragen, in der wir auch intensiv auf das Thema UN Konvention eingegangen sind.

Bitte entschuldige, dass ich auf diese schon geschrieben Texte zurückgreife, aber ich kann das ja nicht alles neu erfinden.

Mit solidarischen Grüßen

Sabine Lösing

DIE LINKE zu Menschen mit Behinderungen

In der Bundesrepublik leben rund 8,6 Millionen Menschen mit anerkannten physischen, geistigen und/oder psychischen Behinderungen. Barrieren sowie ein gesellschaftliches Klima, das nicht behinderte Menschen als Norm setzt und alle aussondert, die dieser „Normalität“ nicht entsprechen, behindern ihre Teilhabe an der Gesellschaft. Das beginnt bei der Ausbildung der meisten Kinder und Jugendlichen mit Behinderung in Sondereinrichtungen, die ihnen kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. Menschen mit Behinderungen sind überproportional oft erwerbslos, von Sozialhilfe abhängig und in Heimen untergebracht. Auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ihnen erschwert, öffentliche Verkehrsmittel und Einrichtungen wie Kinos oder Behörden sind für sie nur eingeschränkt nutzbar.

Ein Parardigmenwechsel ist notwendig - weg von paternalistischer Fürsorge und Bevormundung hin zur Selbstbestimmung und Selbstvertretung. Behindertenpolitik muss endlich als ressortübergreifende, menschenrechtliche Aufgabe wahrgenommen werden. Das internationale Völkerrecht gibt die Richtung längst vor - mit der im Dezember 2006 verabschiedeten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und zahlreichen Deklarationen, welche die Einbindung von Behinderungsfragen in alle Politik- und Gesellschaftsbereiche fordern.

DIE LINKE setzt sich dafür ein, Selbstbestimmung als dominierendes Prinzip in der Behindertenpolitik zu verankern, und unterstützt den Selbstvertretungsanspruch von Menschen mit Behinderungen. Chancengerechtigkeit soll hergestellt und Barrieren – auch in den Köpfen vieler nicht behinderter Menschen – müssen abgebaut werden. Das Prinzip der barrierefreien Zugänglichkeit fördert den solidarischen Zusammenhalt.

DIE LINKE fordert:

a.. ein umfassendes und wirkungsvolleres Antidiskriminierungsgesetz;
b.. ein Nachteilsausgleichsgesetz, welches ermöglicht, behinderungsbedingte Nachteile (z. B. spezielle Hilfsmittel, notwendige Assistenz für ein selbstbestimmtes Leben oder behindertengerechter Wohnungsumbau) ohne Einkommens-, Vermögens- bzw. Bedürftigkeitsprüfung auszugleichen und somit Chancengerechtigkeit schafft;
c.. dauerhafte Arbeitsplätze, Beschäftigungs- und Ausbildungssicherung für Menschen mit Behinderungen;
d.. das Recht auf persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen für ein selbstbestimmtes Leben in Arbeit, Studium, Haushaltsführung und Freizeit;
e.. die Stärkung der Stellung schwer geistig und mehrfach behinderter sowie psychisch und chronisch kranker Menschen;
f.. praktische, an der Familie orientierte offene Hilfen mit gesetzlich geregelter und finanzieller Absicherung, die auch Alleinerziehende unterstützen (Beratung, Frühförderung etc.);
g.. gemeinsame Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung in allen Entwicklungsphasen;
h.. Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen durch Umsetzung des „Design für Alle“ (Planungen unter dem Aspekt Barrierefreiheit in allen Bereichen – Bau, Verkehr, Kommunikation, Verbraucherpolitik etc.) sowie Beseitigung bestehender Barriere

Politik für Menschen mit Behinderung

1. Beabsichtigt Ihre Partei, zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention ein Maßnahmepaket zu beschließen? Wenn ja: Nennen Sie uns bitte die fünf wichtigsten Eckpunkte. Wenn nein: Warum nicht?

Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention müssen mindestens 300 Gesetze und Verordnungen in Bund, Ländern und Kommunen geändert werden. Wir fordern, mit der Umsetzung, die ein längerer Prozess sein wird, sofort zu beginnen. Die fünf wichtigsten Eckpunkte dabei sind folgende:

1. Ein Teilhabesicherungsgesetz. Damit entwickelt DIE LINKE ihren Antrag auf ein Nachteilsausgleichsgesetz aus dieser Wahlperiode weiter. Es geht um ein einkommens- und vermögensunabhängiges Leistungsgesetz des Bundes, in dem Teile des SGB V, VI, IX, XI und XII zusammengefasst werden sollen.

2. Ein inklusives Schulsystem, in dem Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen. Die vor allem in Deutschland praktizierte Aussonderung in Sonderschulen erhöht die Barrieren zwischen den Menschen und grenzt von Behinderung Betroffene auch zukünftig im Arbeitsleben aus.

3. Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen (Verkehr, Bildung / Arbeit, Kommunikation, Internet etc.). Die gesamte Infrastruktur muss auch für Menschen mit Behinderungen nutzbar sein, um ihnen volle Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Darüber hinaus muss die politische Mitbestimmung für Betroffene gewährleistet werden.

4. Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Recht auf Arbeitsassistenz muss unbürokratisch erfüllt werden. Außerdem sollen die Möglichkeiten der barrierefreien Umgestaltung von Arbeitsstätten und verschiedenen Formen geschützter Einzelarbeitsplätze bzw. Abteilungen in regulären Betrieben ausprobiert bzw. besser genutzt werden. Wenn es notwendig ist, sollen Lohnkostenzuschüsse (ggf. auch dauerhaft) gewährt werden, damit Menschen mit Behinderungen ebenso tarifgerechte Löhne erhalten, von denen man leben kann.

5. Selbstbestimmte Wohnformen mitten in der Gemeinde müssen flächendeckend entwickelt werden.

2. Beabsichtigt Ihre Partei, die Forderung aus der Behindertenbewegung aufzugreifen, ein einkommens- und vermögensunabhängiges Teilhabesicherungsgesetz zu verabschieden?

Leider kann die Partei kein Gesetz verabschieden. Aber wir wirken – wie im Punkt 1 gesagt - auch in der kommenden Wahlperiode hartnäckig darauf hin, dass im Bundestag ein einkommens- und vermögensunabhängiges Teilhabesicherungsgesetz verabschiedet wird, um die bestehenden Nachteile von Menschen mit Behinderungen bedarfsgerecht auszugleichen (s. auch Bundestagsdrucksache 16/3698).

3. Wie steht Ihre Partei zum Selbstvertretungsanspruch von Menschen mit Beeinträchtigungen? Wie viele Menschen mit Behinderungen kandidieren für Ihre Partei für das Europa-Parlament, für den Bundestag und für die in diesem Jahr zu wählenden Landtage? Wer hat den jeweils aussichtsreichsten Wahlkreis bzw. Listenplatz? Welchen?

Das Motto der Behindertenbewegung „Nichts über uns ohne uns“ unterstützen wir voll und ganz. Der Gesellschaft gehen wichtige Informationen und Entwicklungsprozesse verloren, wenn sie das Wissen und die Erfahrungen von Menschen mit Beeinträchtigungen nicht einbeziehen. Mit Dr. Ilja Seifert – dem Vorsitzenden des ABiD e.V. - im Bundestag sowie in den Landtagen mit Irene Müller in Mecklenburg-Vorpommern, Ingeborg Kolodzeike in Brandenburg, Dr. Detlef Eckert in Sachsen-Anhalt, Horst Wehner in Sachsen und Maik Nothnagel in Thüringen hat DIE LINKE mehr hervorragende Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenbewegung in ihren Fraktionen, als die anderen Parteien zusammen. Für das Europaparlament hat DIE LINKE leider keinen Vertreter oder Vertreterin der Behindertenbewegung nominiert und bisher auch noch niemanden für den Bundestag.

Ob Ilja Seifert nach dem 27. September wieder in den Bundestag einziehen wird, wird demokratisch auf der Landesvertreterkonferenz der LINKEN in Sachsen vom 12. – 14. Juni 2009 entschieden werden. Gleiches gilt auch für den Landtagsabgeordneten Horst Wehner. In Thüringen und Brandenburg wird jeweils ein Vertreter aus der Behindertenbewegung nach der Wahl in der Linksfraktion sein, wenn wir ein sehr gutes Wahlergebnis erreichen.

4. Wie steht Ihre Partei zu der Forderung, das Amt der/des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung inhaltlich und formal aufzuwerten? Werden Sie das Amt zukünftig im Bundeskanzleramt ansiedeln, um den Querschnittscharakter von Behindertenpolitik zu verdeutlichen? Wird die/der Behindertenbeauftragte zukünftig mehr eigenen Gestaltungsspielraum - z. B. ein eigenes Budget zur Projektförderung - erhalten?

Wir sind dafür, das Amt der/des Bundesbehindertenbeauftragten beim Bundeskanzleramt anzusiedeln. Die/der Behindertenbeauftragte sollte deutlich mehr verbindliche Mitspracherechte besitzen, auch ein eigenes Budget zur Projektförderung ist sinnvoll. Behindertenbeauftragte und Beiräte mit analogen Rechten brauchen wir auch in den Ländern und Kommunen.

5. Wird Ihre Partei den Behindertenpauschbetrag im Steuerrecht anheben? Wenn ja: um wie viel? Wenn nein: warum nicht?

Der Behindertenpauschbetrag wurde seit 1975 nicht angehoben. Die spürbare Erhöhung des Betrages ist deswegen überfällig. Ebenso bedarf die Regelung zum Behindertenpauschbetrag einer grundsätzlichen Überarbeitung, damit ein sachgerechter Ausgleich zusätzlicher Kosten für alle Betroffenen stattfinden kann. Maßstab für die Überarbeitung sollte dabei der nach dem SGB IX festgestellte Assistenz- und Hilfsmittelbedarf sein.

6. Welche Ihrer programmatischen Dokumente und Wahlmaterialien sind in leichter Sprache bzw. in einer für blinde bzw. gehörlose Menschen verständlichen Form erhältlich?

Die Homepage des behindertenpolitischen Sprechers der Linksfraktion im Bundestag, Dr. Ilja Seifert, ist größtenteils barrierefrei (inklusive Gebärdenvideos), ansonsten hat DIE LINKE hier noch Nachholbedarf. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir auch hieran intensiv arbeiten.