Lieber Herr B.,

schön, dass Sie mich anschreiben! Ich freue mich immer über solche Mails wie  Ihre, weil ich finde, dass wir Politiker*innen unbedingt den Kontakt zu den Menschen draußen brauchen (und umgekehrt), und dass Politik nicht vom Schreibtisch aus gemacht werden darf. Danke also erst mal dafür!

So, jetzt zu Ihren Fragen.

Der Rechtsruck in Deutschland ist gerade mir als Historikerin unerträglich. Manchmal bin ich über Äußerungen von AfD-Politikern fassungslos - bei deren Reden im Landtag muss ich manchmal unwillkürlich die Augen zumachen, und dann kommt es mir vor, als säße ich im Reichstag in Berlin und wir hätten das Jahr 1931. Gleicher Ton, gleiche Themen, gleiche Wortwahl. Und was gerade aktuell die Causa Aiwanger betrifft - dass Bayern weiterhin von einem Mann mit solcher Vergangenheit (wenn´s denn auch wirklich Vergangenheit ist) mitregiert wird, ist eine Katastrophe.

Im Landtag haben wir in der grünen Fraktion einhellig beschlossen, keinem AfD-Antrag oder anderen politischen Initiativen der AfD zuzustimmen, und daran halten wir uns. Das ist auch nicht weiter schwer, denn deren Inhalte sind ohnehin für Demokraten nicht zustimmungsfähig. Ansonsten tue ich zusammen mit meinen Kolleg*innen alles, um die Partei in jeglicher Hinsicht einzudämmen - wir stellen Gegenanträge, haben heftige Zusammenstöße im Plenum, versuchen politisch alles, die AfD stets unter Beobachtung zu haben und evtl. verfassungsfeindliche Aktionen für ein mögliches Verbot zu nutzen. Es ist nicht einfach, hier gegenzuhalten - diese Leute agieren clever und sind schwer zu fassen. Bei meinen öffentlichen Auftritten beziehe ich auch immer gegen die AfD Position (erst jüngst wieder auf dem Schwabacher Marktplatz), und ich kann Ihnen versprechen, dass ich auch zukünftig alles einsetzen werde, um die Brandmauer gegen diese faschistische Partei, die unsere Demokratie zerstören will, zu halten und zu stärken.

Dass Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung wegfallen, gefällt mir ebenso wenig wie Ihnen. Es ist leider so, dass Finanzminister Lindner generelle Streichungen durchsetzen konnte, und da wurde einfach nach dem Gießkannenprinzip gehandelt. Darum ist auch die Bildung betroffen. Schöner wäre es gewesen, wir hätten manchen unnütze Subvention gekappt (Dienstwagenprivileg, Flugbenzin, etc.). Denn an der Bildung sparen heißt an unseren Kindern zu sparen. Und weniger Bildung stärkt, da haben Sie völlig Recht, in Zukunft den rechten Rand und überlässt die Menschen den billigen Parolen. Da jubelt die AfD. Hier müssten wir übrigens auch in Bayern viel mehr investieren!

Uns Grünen bläst momentan der Wind ins Gesicht. Dabei wird leider nicht wahrgenommen, dass diese Bundesregierung und in erster Linie das Ministerium Habeck es geschafft hat, uns gut durch die Energiekrise des Ukrainekriegs und des Ausfalls russischer Gaslieferungen zu bringen - ganz im Gegenteil zu den Horrorszenarios von frierenden Menschen und Wärmeräumen, das von anderen Parteien entwickelt wurde. Wir haben im vergangenen Jahr wegen Krieg und Energie rund hundert Gesetze verabschiedet, und zwar sehr schnell, weil es schnell gehen musste. Durchschnitt der Vorgängerregierung pro Jahr: 10. Sechzehn Jahre lang hat man uns Stillstand für Stabilität verkauft. Merkel hat kein strittiges Thema angepackt, alles liegenlassen und ausgesessen. Deshalb hinken wir in so gut wie allen Bereichen jetzt hinterher: Wirtschaft, Digitalisierung, Gesundheit, Bildung, Pflege, Energie, Mobilität... Das man uns inzwischen als den "kranken Mann Europas" bezeichnet, liegt genau daran und nicht an der aktuellen Regierung. Wir müssen jetzt in der Bundespolitik so viel anpacken - und genau das macht den Menschen Angst. Angst vor der Veränderung, vor einer unsicheren Zukunft. Man ist in Deutschland das Regieren nicht mehr gewohnt. Und das fällt jetzt auf die Ampelparteien, und hier hauptsächlich auf die Grünen, zurück.

Wir führen gerade keinen bayrischen, sondern einen Bundeswahlkampf. Vor allem die CSU verweigert sich bayerischen Themen und hat keinerlei Vision. Man baut auf ein Weiter so. Deshalb haben Sie wohl auch mit Ihrer Vermutung recht, dass die Grünen keinen "echten" Wahlerfolg haben dürften (also keine Regierungsbeteiligung). Trotzdem müssen wir kämpfen. Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, wir wollen und müssen so stark wie möglich in die nächste Legislaturperiode gehen. Denn ohne uns wird sich nicht wirklich etwas verändern. Dafür kämpfe ich, und dafür kämpfen auch meine Schwabacher Grünen. Und zu den Wahlplakaten: Jede Partei darf in Schwabach 100 Plakate hängen, mehr nicht. Auch ich habe irgendwie das Gefühl, dass die anderen Parteien z.T. mehr hängen haben (?!), aber vielleicht ist das auch nur eine verzerrte Wahrnehmung, und nachzählen wäre ganz schön aufwändig. Es waren von uns vier Teams unterwegs, die je 25 Plakate dabeihatten. Dabei kann es schon sein, dass mancherorts wenig hängt - vielleicht waren die guten Stellen auch schon weg, weil von anderen Parteien belegt (es ist immer ein großes Wettrennen um die besten Orte, das am frühestmöglichen erlaubten Tag um 18 Uhr startet). Und es gibt auch genaue Vorschriften (man muss z.B. gewissen Abstand von Kreuzungen halten, in bestimmter Höhe hängen, nicht an Verkehrsschildern usw.). Wenn in der Waikersreuther Straße nix hängt, hat das vielleicht so einen Grund... Und der Wildbirnenweg - nachdem wir ja nur 100 Plakate haben, hängen wir einfach nicht in Straßen, die keine Durchgangsstraßen sind, auch wenn wir´s schon gern täten.

So, jetzt hoffe ich, dass ich Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet habe und wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag!

Ihre

Sabine Weigand